Daimler setzt bei autonomen Lkw auf Innoviz-LiDAR

Autonomes Fahren im Lkw
Daimler Truck setzt auf Innoviz-LiDAR

Daimler Truck und Torc wählen Innoviz als Lieferanten für Kurzstrecken-LiDAR in Level-4-Lkw. Die Sensoren ergänzen Radar und Kameras für den autonomen Fernverkehr. Wo das System zum Einsatz kommt.

Daimler Truck-Marke Freightliner präsentiert die fünfte Generation Cascadia für den nordamerikanischen Markt

Daimler Truck brand Freightliner introduces fifth Generation Cascadia for the North American market
Foto: Daimler Truck

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck und seine Tochter Torc Robotics haben den israelischen LiDAR-Spezialisten Innoviz als Lieferanten für Kurzstrecken-LiDAR in künftigen SAE-Level-4-Lkw ausgewählt. Die Sensoren sollen serienmäßig in den autonomen Freightliner Cascadia integriert werden und ergänzen das bestehende Sensorkonzept aus Radar, Kameras und LiDAR für große Reichweiten.

Die Kooperation umfasst sowohl die Lieferung des „InnovizTwo“-Systems als auch die gemeinsame Weiterentwicklung für den kommerziellen Einsatz in schweren Lkw. Ziel ist der Einsatz auf Fernstreckenrouten in den USA, wo Daimler Truck das Level-4-Fahren zuerst einführen will. Torc Robotics wird die Innoviz-Sensoren in seine virtuelle Fahrsystem-Software integrieren, laut Torc mit Vorteilen bei Erkennungsgenauigkeit und Robustheit unter schwierigen Wetter- und Verkehrsbedingungen.

Warum die Wahl des Kurzstrecken-LiDARs entscheidend ist

Autonome Lkw benötigen ein redundantes Sensorset, um die vielfältigen Fahrszenarien im Fernverkehr sicher abdecken zu können. Daimler Truck setzt dabei auf eine Mehrfachabsicherung, die aus vier Kernkomponenten besteht:

1. Langstrecken-LiDAR

Erkennt Fahrzeuge oder Hindernisse in großer Distanz und ermöglicht frühzeitige Entscheidungen bei hohen Geschwindigkeiten.

2. Kurzstrecken-LiDAR (InnovizTwo)

Spezialisiert auf hochauflösende Erfassung im unmittelbaren Umfeld – essenziell für Autobahnausfahrten, Rampen, Abbiegen, Spurwechsel oder komplexe Situationen im Mischverkehr.

3. Kamera-Systeme

Liefern Farbinformationen, Verkehrszeichen- und Spur-Erkennung. Stärken: semantische Interpretation.

4. Radar-Sensorik

Funktioniert zuverlässig bei Regen, Nebel und Schnee und sichert besonders die Längsführung (z. B. Abstand, Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge) ab.

Nur das Zusammenspiel aller Systeme ermöglicht die redundante Umfelderkennung, die für SAE Level 4 vorgeschrieben ist – also für autonomes Fahren ohne menschlichen Eingriff in definierten Betriebsbereichen.

Einordnung: Warum Redundanz im Truck wichtiger ist als im Pkw

Während Pkw häufig im urbanen Mischverkehr operieren, bewegen sich schwere Lkw überwiegend mit hohen Geschwindigkeiten und langen Bremswegen. Deshalb ist ein „dreifacher Sicherheitsgürtel“ nötig:

  • Sensorische Redundanz: Mehrere Systeme erkennen dasselbe Objekt unabhängig voneinander.
  • Rechen-Redundanz: Mehrere KI-Modelle validieren Entscheidungen (z. B. Spurwahl, Notbremsung).
  • Aktoren-Redundanz: Bremse, Lenkung und Antrieb haben Back-up-Systeme.

Fällt ein Sensor aus oder liefert unklare Daten, übernehmen die anderen Systeme. Das ist Grundlage dafür, dass autonome Trucks auch bei schlechter Sicht oder mitten in komplexen Verkehrssituationen sicher fahren können.

Ausblick

Mit Innoviz als neuem Partner für Kurzstrecken-LiDAR schließt Daimler Truck eine weitere Lücke im Sensor-Setup seiner autonomen Plattform. Der kommerzielle Einsatz der Level-4-Lkw soll zunächst in den USA starten, wo Infrastruktur und regulatorische Rahmenbedingungen für Fernverkehrs-Autonomie weiter fortgeschritten sind als in Europa.

Wie Level-4-Autonomie im Lkw technisch funktioniert

Level-4-Lkw fahren autonom in definierten Einsatzgebieten („Operational Design Domains“), etwa auf US-Fernstraßen. Damit das sicher funktioniert, greifen mehrere technische Schichten ineinander:

1. Sensorfusion: Alle Sinne in Echtzeit vereint

Autonome Lkw kombinieren mehrere Sensortypen, die sich gegenseitig absichern:

  • Langstrecken-LiDAR: erkennt Objekte weit voraus
  • Kurzstrecken-LiDAR (wie InnovizTwo): präzise Nahbereichswahrnehmung für Rampen, Autobahnkreuze, Spurwechsel
  • Radar: arbeitet zuverlässig bei Regen, Schnee, Nebel
  • Kameras: liefern Farbbilder, Schildererkennung, Spurerkennung
  • Ultraschall / Nahbereichssensorik: für sehr langsame Manöver

Über Sensorfusion werden diese Datenströme in einem gemeinsamen 3D-Modell des Umfelds zusammengeführt.

2. KI-gestützte Entscheidungslogik

Mehrere KI-Modelle arbeiten parallel:

  • Objekterkennung & Tracking (KI-Perception)
  • Prädiktion: Was machen andere Verkehrsteilnehmer in den nächsten Sekunden?
  • Planung: Welche Spur? Welches Tempo?
  • Control-KI: Übersetzt Entscheidungen in Lenk-, Gas- und Bremsbefehle

Alle Entscheidungen laufen im Millisekundenbereich – auf redundanten, hochperformanten Rechnerplattformen.

3. Redundanzsysteme: Sicherheit wie im Flugzeug

Level 4 verlangt, dass das Fahrzeug bei jedem Systemfehler weiter sicher fahren oder stehen bleiben kann.

Darum gibt es:

  • Redundante Bremssysteme
  • Redundante Lenkaktuatoren
  • Backup-Stromversorgung
  • Doppelte Rechenpfade (Fail-Operational)
  • Mehrere Sensoren für jeden kritischen Bereich

Fällt ein System aus, übernimmt ein anderes – ohne Eingriff des Fahrers.

4. High-Definition-Karten und präzise Lokalisierung

Autonome Lkw nutzen:

  • HD-Karten mit Fahrspur-Details, Leitplanken, Kurvenradien
  • Mehrfache GPS/ GNSS-Systeme
  • LiDAR-basierte Selbstlokalisierung („Scan-Matching“)

So erkennt das Fahrzeug seine Position auf wenige Zentimeter genau.

5. ODD-Steuerung (Operational Design Domain)

Level-4-Lkw fahren nicht überall, sondern in klar definierten Einsatzbereichen:

  • Autobahnen
  • bestimmte Korridore
  • gute Witterungsbedingungen
  • freigegebene Routen

Die KI erkennt permanent, ob sie innerhalb der erlaubten Betriebsbedingungen bleibt – und reagiert früh, wenn eine sichere Übergabe nötig ist.