China flutet Pkw-Markt mit Billigteilen. Doch was heißt das für Lkw? Bloomberg berichtet, dass günstige Autoteile aus China zunehmend den deutschen Markt überschwemmen und damit etablierte Zulieferer wie Bosch oder ZF Friedrichshafen unter Druck setzen. Im Fokus stehen dabei vor allem Pkw-Komponenten und der Aftermarket.
Tatsächlich haben Chinas Autozulieferer ihre Exporte in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Laut Analysen chinesischer Branchenportale wie Made-in-China und Exportstatistiken von Big Trade Data lagen die Ausfuhren von Autoteilen 2023 bei rund 75 Milliarden US-Dollar, wichtige Absatzmärkte sind unter anderem die USA, Deutschland und andere Industrienationen.
Hinzu kommt: Weil die USA Strafzölle auf chinesische Waren angehoben haben, orientieren sich viele Teilehersteller neu und entdecken Europa als Zielregion. Ein Bericht der Yicai Media Group aus China beschreibt Europa inzwischen als besonders interessanten Markt, trotz höherer regulatorischer Anforderungen. Parallel dazu warnt etwa eine Reuters-Analyse vor einem allgemeinen Importdruck aus China in Europa, darunter auch im Bereich Automotive.
Kurz gefasst bedeutet das: Im Pkw-Sektor ist der Preisdruck aus China tatsächlich bereits Realität. Aber lässt sich das 1:1 auf Transporter und schwere Lkw übertragen?
Warum sich die Pkw-Situation nicht einfach auf Nutzfahrzeuge übertragen lässt
1. Strengere Technik- und Sicherheitsanforderungen bei Lkw
Während viele Pkw-Komponenten relativ leicht austauschbar sind, bewegen sich schwere Nutzfahrzeuge in einer anderen Liga: Achsen, Bremsen, Fahrwerk, Lenkung oder Antriebsteile müssen dauerhaft hohe Lasten verkraften. Marktberichte von Verified Market Reports und Business Research Insights zum Heavy-Truck-Teilemarkt verdeutlichen, dass Motoren, Getriebe, Brems- und Fahrwerkskomponenten entscheidend für Performance und Zuverlässigkeit von Nutzfahrzeugen sind. Sie sind nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für die Verfügbarkeit der Fahrzeuge entscheidend.
Gleichzeitig verschärfte die EU die Vorgaben für Sicherheit und Assistenzsysteme bei Lkw und Bussen, etwa durch die General Safety Regulation (GSR), die seit Juli 2024 in Gänze für Neuzulassungen greift, wie etwa die Prüf- und Sachverständigenorganisation Dekra vermeldet hat. Auch die EU-Arbeitsschutz- und Fahrzeugsicherheitsrichtlinien definieren Mindeststandards, die national sogar verschärft werden können, wie bei der European Agency for Safety and Health at Work nachzulesen ist. Euro NCAP wiederum arbeitet an einem eigenen Sicherheitsrating für Trucks (PDF), das über die reinen Mindeststandards hinausgehen soll. Die logische Folge: Billigste Teile ohne saubere Zertifizierung sind im schweren Nutzfahrzeugbereich deutlich schwerer zu platzieren als im Pkw-Aftermarket.
2. Flottenkunden denken in Total Cost of Ownership, nicht nur in Teilepreisen
Im Pkw-Bereich treffen billige Ersatzteile auf einen Markt, in dem viele Privatkunden stark preissensibel sind. Im Nutzfahrzeuggeschäft ticken die Uhren anders, wie eine Studie der Boston Consulting Group unterstreicht:
- Fuhrparkbetreiber und Logistikunternehmen optimieren auf Gesamtbetriebskosten und Fahrzeugverfügbarkeit.
- Ausfallzeiten durch Teileversagen verursachen schnell fünf- bis sechsstellige Kosten (Umsatzverlust, Vertragsstrafen, Ersatzfahrzeuge).
- Studien zum europäischen Aftermarket zeigen, dass Flotten zunehmend Wert legen auf Qualität, schnelle Teileverfügbarkeit, telematikgestützte Diagnose und Garantien – also weniger auf den reinen Teilepreis
Ein Leitfaden von All Truck Part aus China für die Qualitätsbewertung von Heavy-Duty-Teilen beschreibt, dass Flotten beim Teilekauf zunehmend auf Materialqualität, Fertigungsprozesse und Zertifizierungen (etwa ISO/TS 16949) achten, um ungeplante Standzeiten und Risiko zu minimieren. Kurz gesagt, ist ein billiges Teil, das die Ausfallwahrscheinlichkeit erhöht, für Lkw-Flotten wirtschaftlich oft teurer als ein hochwertiges Ersatzteil.
3. Andere Marktstruktur im Lkw-Aftermarket
Der Pkw-Aftermarket ist stark fragmentiert: viele freie Werkstätten, Online-Plattformen, DIY-Kunden. Dort haben günstige Importteile einen einfachen Zugang – etwa über E-Commerce-Marktplätze, wie etwa der chinesische E-Commerce-Logistiker U-Speed vermeldet.
Der Lkw-Aftermarket ist hingegen:
- stärker OEM- oder markengeprägt,
- von autorisierten Servicepartnern dominiert,
- technisch komplexer (Telematik, Diagnose, spezifische Spezialtools),
- stärker vertraglich gebunden (Leasing-, Service- und Full-Service-Verträge).
Damit sind die Eintrittsbarrieren für neue, vor allem „No-Name“ Teileanbieter deutlich höher als im Pkw-Segment.
Warum das Nutzfahrzeugsegment trotzdem nicht komplett aus dem Schneider ist
Dass sich der Bloomberg-Alarm aus dem Pkw-Bereich nicht 1:1 auf Nutzfahrzeuge übertragen lässt, heißt allerdings nicht, dass der Lkw-Bereich dauerhaft immun ist. Drei Entwicklungen sprechen dafür, dass mittelfristig auch hier Druck aus China entstehen könnte.
1. China baut Exportkompetenz bei Nutzfahrzeugen auf
China hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Produzenten und Exporteure von schweren Lkw und Bussen entwickelt. Laut einer Analyse von S&P Global entfielen 2023 rund 77,6 Prozent der chinesischen Nutzfahrzeugexporte auf schwere Lkw über 15 Tonnen, mit teils dreistelligen Wachstumsraten in bestimmten Regionen. Parallel dazu wächst der chinesische Markt für Heavy-Duty-Trucks deutlich weiter. Angetrieben ist diese Entwicklung laut Custom Market Insights von Infrastrukturprojekten, Urbanisierung und E-Commerce. Und wo komplette Fahrzeuge erfolgreich exportiert werden, liegt es langfristig nahe, auch Komponenten und Ersatzteile in die entsprechenden Märkte zu bringen.
2. Technologiewechsel eröffnet neue Einfallstore
Mit der Elektrifizierung im Nutzfahrzeugbereich entstehen neue Komponentenketten: Batterien, Inverter, Leistungselektronik, E-Achsen, Sensorik. In China steigt der Anteil von batterieelektrischen Lkw im Neufahrzeugmarkt spürbar. 2024 erreichten E-Trucks schon einen zweistelligen Marktanteil bei schweren Nutzfahrzeugen, wie etwa die Analysten bei ICCT und McKinsey vermeldet haben.
In diesen neuen Technologiesegmenten gibt es noch keine jahrzehntelang etablierten europäischen Zulieferstrukturen. Das eröffnet chinesischen Herstellern von E-Komponenten und Software potenziell schnellere Zugänge. Das gilt sowohl beim OEM-Geschäft als auch perspektivisch im Aftermarket.
3. Europäischer Importdruck allgemein steigt – auch bei Auto- und Fahrzeugteilen
Berichte über die chinesische Exportoffensive Richtung Europa zeichnen ein übergeordnetes Bild:
- Chinesische Hersteller weichen aus den USA (Zölle) in die EU aus.
- Niedrigpreisige Importe setzen bereits Branchen wie Reifen, Textil, Konsumgüter und Fahrzeugteile unter Druck.
- Europäische Industrien fordern die EU auf, schneller und konsequenter gegen Dumping und unfaire Konkurrenz vorzugehen.
Vor diesem Hintergrund wäre es nicht überraschend, wenn chinesische Anbieter mittelfristig versuchen, auch den europäischen Nutzfahrzeug-Ersatzteilmarkt in Teilsegmenten anzugreifen. Denkbaren wären etwa:
- standardisierbare Komponenten (Sensoren, Elektrik, Anbauteile),
- preisgetriebene Verschleißteile in weniger kritischen Anwendungen,
- Teile für chinesische Lkw-Marken, die in Drittmärkten bereits Fuß fassen.
Einordnung für Flotten und Zulieferer
Für Pkw-Zulieferer und den Pkw-Aftermarket ist der Druck aus China bereits konkret spürbar. Denn durch die zusätzliche Konkurrenz aus China erhöht sich der Margendruck nochmals.
Für Nutzfahrzeuge und Lkw gilt:
- Heute:
- Schwere Lkw sind durch hohe technische Anforderungen, Regulierung und TCO-Fokus der Kunden vergleichsweise gut geschützt.
- Transporter/leichte Nutzfahrzeuge liegen dazwischen: Sie teilen sich manche Plattformen und Teilewelten mit Pkw und könnten daher früher betroffen sein.
- Morgen:
- Mit wachsender Exportkompetenz, Elektrifizierung und digitalem Handel ist es nicht ausgeschlossen, dass chinesische Anbieter gezielt Lkw-Teilesegmente adressieren.
- Gerade bei E-Komponenten, Elektronik und bestimmten Standardbauteilen könnte der Wettbewerb deutlich intensiver werden.
Für europäische Zulieferer und Flottenbetreiber heißt das: Im schweren Lkw-Bereich besteht aktuell kein akuter „Billigteil-Tsunami“ wie bei Pkw. Aber ein systematisches Monitoring und eine klare Qualitäts- und Service-Positionierung bleiben strategisch wichtig.





