"Glück im Unglück" – so könnte man den Depotbrand am 30. September 2021 im Betriebshof Gaisburg der Stuttgarter Verkehrsbetriebe SSB überschreiben. Unglück, weil nicht nur 22 Dieselbusse, ein teurer Elektrobus nebst Ladeinfrastruktur sowie zwei wertvolle Oldtimer verbrannten, sondern auch das gesamte Schleppdach wegen Einsturzgefahr abgerissen werden musste. Glück schon deshalb, weil trotz der großen Gefahr für Leib und Leben viele anwesende Fahrer und andere Mitarbeiter aus dem Werkstatt- und Verwaltungsbereich sich heldenhaft und unverletzt an der Rettung von weiteren rund 50 Bussen beteiligten und sie auf den Cannstatter Wasen bringen konnten.
Glück auch deshalb, weil im Gegensatz zu den anderen beiden Depotbränden 2021 (Düsseldorf mit 38 Bussen im April und Hannover mit 9 Bussen im Juni) erstmals verwertbare Daten über Entstehungsort und Verlauf des Brands verfügbar waren. Harald Eder, der die Brandsachverständigen der Dekra bundesweit koordiniert, kennt das Problem nur zu genau. "Man darf sich keine Scheuklappen aufsetzen und sich vom Bauchgefühl leiten lassen. Zuweilen haben Brände überhaupt nichts mit Fahrzeugen mit alternativen Antrieben oder den Hochvoltkomponenten zu tun, wenn man es auch zuerst vermutet. Oft spielt die Gebäudeinfrastruktur eine große Rolle."

Auskunftsfreudig geben sich die Verantwortlichen aus verständlichen Gründen nur in den seltensten Fällen. Zuweilen bestellen die Hersteller auch eigene Gutachter, wenn Brandstiftung sehr früh ausgeschlossen werden kann – beides war in Stuttgart der Fall. Bei dem nachweislich zuerst in Brand geratenen Bus handelte es sich um einen Mercedes eCitaro G mit innovativer, konzeptionell aber robuster Festkörperbatterie des französischen Zulieferers Bolloré (Blue Solutions). Ergebnisse des Gutachtens liegen laut Hersteller immer noch nicht vor, auch wenn die Begutachtung vor Ort abgeschlossen ist und bereits im Dezember der Abriss des verkohlten Schleppdachs freigegeben wurde. Die in der Folge zeitweise von einigen Betreibern (nicht vom Hersteller!) stillgelegten eCitaro wurden allerdings zumeist nach rein "dokumentarischer Prüfung" des Rückrufs vom Frühjahr 2021 wieder für den Betrieb freigegeben. In Wiesbaden stoppte man die Auslieferung von 56 weiteren Einheiten, von den bereits laufenden haben einige dem Vernehmen nach mehrmals Austauschbatterien erhalten.
Jährlich brennen geschätzt 350 bis 400 Busse
Brennen Elektrobusse, die sich nun immer mehr als Zukunftskonzept in Europa und auch weltweit durchsetzen, schneller oder gefährlicher ab als konventionell angetriebene Busse? Wolfgang Reitmeier vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) widerspricht hier vehement: "Jährlich brennen geschätzt 350 bis 400 Busse, die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher sein. Trotzdem macht das nur rund 0,5 Prozent des Gesamtbestands in Deutschland aus." 2021 waren in Deutschland 1.231 elektrifizierte Busse zugelassen (Quelle: Chatrou CME Solutions). "In den letzten Jahren gab es nur vier Brandereignisse mit Elektrobussen, davon zwei bei den Herstellern, nämlich Daimler und Sileo", zählt Reitmeier auf. Mit den insgesamt 17 verbrannten E-Bussen seit 2017 kommt man zwar auf eine Quote von rund 1,4 Prozent, aber fünf Busse in Hannover und acht in Düsseldorf fielen jeweils einem Brandereignis zum Opfer und sie waren auch nicht brandverursachend.

Reitmeier weist auf einen weiteren Faktor hin: "Der Dieselbus brennt auch mal auf der Strecke im Betrieb. Das ist beim Elektrobus nicht so. Dessen Achillesferse ist eindeutig der Ladevorgang auf dem Betriebshof." Diese Aussage lässt einerseits eine Entwarnung zu für den sicheren Betrieb in dicht bevölkerten Innenstädten, andererseits jedoch nicht für die Depotunterbringung der Busse erkennen. Auch die generelle Brandlast gilt als nicht deutlich höher als bei konventionellen Antrieben, ist diese doch heutzutage hauptsächlich durch den üppigen Verbau von Kunststoffen und anderen Materialien vorgegeben. Die massiven Batterien spielen dabei trotzdem keine unbedeutende Rolle. Laut der aktuellen Sicherheitsinformation von VW/Traton verfügt jedes Batteriemodul eines ihrer Busse über den Energiegehalt und somit auch über die Brandlast eines kompletten Pkw – und das bei sechs Paketen allein für einen Solobus mit 480 kWh Energiegehalt. Welche Aussagekraft haben diese grundlegenden Befunde nun für das Busdepot von morgen, ganz abgesehen von der Frage der Zellchemie, der frühzeitigen Anomaliedetektion oder der Löschbarkeit der Akkus?
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