Der Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs birgt immer ein gewisses Risiko. Deshalb ist die vollständige Fahrzeughistorie das A und O. Wurde der Lkw entsprechend den Vorgaben gewartet? Und wenn ja, in einem qualifizierten Fachbetrieb? Der Verkäufer sollte die gesamte Dokumentation vorlegen, also das Wartungsheft sowie alle Rechnungen. Oder bei einem neueren Fahrzeug einen Auszug aus dem digitalen Wartungsheft. Auch die Anzahl der Vorbesitzer ist interessant. Je mehr, desto kritischer sollte man das Fahrzeug begutachten. Vor allem sollte man sich sämtliche Prüfberichte der vergangenen HU, AU, SP- und §57 b-Prüfungen zeigen lassen. Liegt diese Historie vor, wurden alle Prüftermine eingehalten und nie Mängel festgestellt, bedeutet das in der Regel, dass der Lkw gepflegt wurde. Man muss nur mal den Ölpeilstab herausziehen: Stimmt der Ölstand, welche Farbe hat das Öl? Auch Geruch und Farbe des Kühlwassers lassen Rückschlüsse auf die Pflege zu.
Da hilft ein Blick in den Fahrzeugbrief, der die vorigen Halter nennt. In diesen Unternehmen sollte man nachfragen. Mit etwas Glück erinnern sich die Mitarbeiter des Fuhrparkmanagements noch an das Fahrzeug und können Auskunft geben.
Beim Lkw-Kauf ist es ähnlich wie beim Kauf eines gebrauchten Pkw: Der erste Eindruck zählt. Man kann schon sehen, ob ein Wagen regelmäßig gepflegt oder extra für den Verkauf herausgeputzt wurde. Ob ein Fahrzeug nur hart herangenommen oder dabei auch gut gepflegt wurde. Natürlich hängt der Zustand auch vom Einsatz ab: Ein Baufahrzeug wird anders aussehen als eine Langstrecken-Zugmaschine. Große Spaltmaße, verkratzte Karosserieflächen oder Deformationen an Fahrerhaus, Aufbau und Rahmen erkennt auch ein Laie schnell. Aber für die eingehende Überprüfung sollten Käufer Fachleute hinzuziehen.
Selbstverständlich. Beleuchtung oder Klimaanlage kann jeder Käufer selbst checken, aber bei sicherheitsrelevanten Bauteilen sollte der Profi ran. Unsere Prüfingenieure und Sachverständigen kennen die kritischen Punkte und wissen, wo sie genauer hinschauen müssen. Außerdem lassen sich nur von der Grube aus Schäden an tiefliegenden Teilen wie Abgas- und Tankanlage finden.
Zuerst untersucht der Sachverständige das Fahrzeug von außen. In welchem Zustand ist die Lackierung, gibt es Schäden durch Korrosion? Dabei werden Karosserie, Fahrerhaus, Verglasung sowie Anbauteile eingehend begutachtet. Sind eventuelle Rostschäden altersbedingt oder stammen sie von mangelnder Pflege? Besonderes Augenmerk legen die Prüfer auf Einstieg und Türen sowie Rahmen und Laufstege. Dort finden sich manchmal versteckte Risse. Im Extremfall sind Teile durch eine starke Beanspruchung sogar gebrochen. All das wird dokumentiert, zusammen mit dem Zustand von Reifen und Felgen, deren Größe natürlich dem Fahrzeugbrief entsprechen müssen. Laien übersehen auch gerne, dass auf einer Achse Reifen unterschiedlicher Hersteller aufgezogen sind.
Natürlich prüft der Dekra Sachverständige auch die sicherheitsrelevanten Systeme und Funktionen. Dafür nutzt er entsprechende Software-Lösungen, die er dann ausliest. Alternativ kann der Kaufinteressent auch eine Fachwerkstatt aufsuchen, um die Elektronik auslesen zu lassen.
Genau. Aber am Ende ist es doch auch ein wenig ein Glücksspiel. Versteckte Mängel heißen ja nicht umsonst so, und selbst ein Sachverständiger kann nicht jede Schwachstelle aufdecken. Wie gesagt, das Eine sind die oberflächlich schnell erkennbaren Mängel. Im Zweifel kippt der Prüfer das Fahrerhaus sogar ab. In der Regel werden Motor, Verteilergetriebe, Differenzialsperre sowie Hydraulik und Lenkung auf Geräusche oder Undichtigkeit geprüft. Auch ein Bremstest ist Standard. Alles aufzuzählen, würde dieses Gespräch sprengen. Aber Käufer können sicher gehen: Auf Basis einer Sichtkontrolle und Funktionsüberprüfungen lassen sich alle offensichtlichen Mängel und Beschädigungen erfassen. Am Ende bekommt der Kunde ein Gutachten, das den Zustand des Fahrzeugs – akzeptabel oder nicht akzeptabel – sowie die ungefähren Reparaturkosten ausweist. All das fließt in eine grobe Schätzung des Minderwerts ein.
Das kommt natürlich immer auf den Einsatz an. Bei einem Standard-Fahrzeug gehen wir im ersten Jahr von 20 Prozent Wertverlust aus. Nach zwei Jahren beträgt er etwa 35, nach drei Jahren rund 50 Prozent. Danach flacht die Kurve ab. Bis zum siebten Jahr kann man pro Jahr weitere zehn Prozent abziehen, dann dürfte der Wert eines gebrauchten Lkw bei rund zehn Prozent seines Neupreises liegen. Allerdings hat die Coronapandemie in den zurückliegenden zwei Jahren die Marktwerte für gebrauchte Lkw auf Grund von mangelndem Angebot schon etwas durcheinandergebracht.
Zuerst einmal sollte man zu zweit sein. Einer startet das Fahrzeug im kalten Zustand, der andere prüft die Farbe des Abgases. Blauer Qualm weist auf Öl im Brennraum hin, weißer Rauch könnte ein Zeichen einer defekten Zylinderkopfdichtung sein. Dann braucht man genügend Platz, um mindestens auf 25 km/h Geschwindigkeit zu kommen. Lassen sich die Gänge gut schalten, auch im kalten Zustand? Macht das Getriebe komische Geräusche? Funktioniert der Retarder kalt wie warm? Zieht der Wagen beim Bremsen zu einer Seite? Achten Sie auf Geräusche der Achsen. Auch hier hilft der zweite Kollege, denn von außen ist das besser zu hören. Ansonsten gilt: Alles, was sich komisch anfühlt, sollte geprüft werden.
Im Prinzip ja. Die Bremse eines Nutzfahrzeugs mit Gasantrieb unterscheidet sich ja nicht von der eines Diesel-Lkw. Auch das Gasfahrzeug muss gerade bremsen, auch hier kann der Rahmen rosten. Aber natürlich müssen bei einem Gasfahrzeug die Hochdrucktanks speziell geprüft werden. Genauso wie die Batterie bei einem Elektro-Lkw.
Prinzipiell unterscheidet sich der Kauf eines Gebraucht-Lkw nicht von dem eines gebrauchten Pkw. Insofern kann man sich an den Musterverträgen orientieren und eben alle Auf- und Einbauten mit aufnehmen. Wichtig zu wissen: Beim gewerblichen B-to-B-Verkauf wird die Gewährleistung in der Regel im Vertrag ausgeschlossen. Wir empfehlen, jeden Vertrag vom Anwalt prüfen zu lassen. Oder, falls man öfter gebrauchte Fahrzeuge kauft, sich vom Anwalt einen Mustervertrag aufsetzen zu lassen. Und sollte es später doch Probleme mit dem gekauften Lkw geben, unterstützt der Anwalt bei eventuellen Schadenersatzansprüchen.
Zur Person
Andreas Lahne ist seit 1991 bei verschiedenen Prüforganisationen beschäftigt. Bei Dekra arbeitet er seit August 2017, aktuell im Gebrauchtwagenmanagement für Nutzfahrzeuge, mobile Maschinen und klassische Fahrzeuge. Der Prüfingenieur und Schadengutachter ist IfS zertifiziert, öffentlich bestellt und vereidigt für Kfz-Schäden sowie -bewertungen. Seit 25 Jahren ist Lahne im Geschäftsfeld der Rücknahmen von Nutzfahrzeugen und Maschinen tätig.