André Schwämmlein von FlixMobility im Interview: „Wir haben keine Angst vor dem Wettbewerb“

André Schwämmlein von FlixMobility im Interview
„Wir haben keine Angst vor dem Wettbewerb“

Mit rund 90 Prozent Anteil hat das junge digitale Mobilitäts-Unternehmen Flixmobility bereits den europäischen Fernbusmarkt weitgehend in der Hand. Nun schickt man auch Flixtrains auf die Reise und betreibt ganz aktuell zumindest übergangsweise einen Busbahnhof am hessischen Mobilitätsknoten Frankfurt am Main. Wo geht die Reise noch hin und mit welchen Fernbus-Technologien? Setzt das Unternehmen weiterhin auf den Diesel oder waren die ersten elektrischen Überlandbusse aus China mehr als eine Eintagsfliege? Wir sprachen auf der Messe Bus2Bus mit André Schwämmlein, Mitbegründer und CEO von Flixmobility über Visionen und Herausforderungen.

„Wir haben keine Angst vor dem Wettbewerb“
Foto: Thorsten Wagner
Ist die Verschmelzung der beiden Unternehmen FlixBus und Meinfernbus nach vier Jahren aus Ihrer Sicht abgeschlossen?

Schwämmlein: Wir sind heute ein globales Unternehmen mit einer gemeinsamen Kultur, auch weil wir schon doppelt so lange gemeinsam agieren als vorher getrennt. Natürlich ist nicht jedes der 15 Offices weltweit gleich, aber egal wo ich hinkomme, spüre ich die gleiche unternehmerische Begeisterung, auch wenn die Personen nicht immer gleich gestrickt sind.

Wie sehen Sie die neue Wettbewerbssituation mit Eurolines und BlablaBus?

Schwämmlein: Der Wettbewerb zeigt: Jeder kann beliebig in den Markt dazu stoßen. Der Markt ist dereguliert, das haben wir auch immer gewollt. Ich sehe es außerdem sehr positiv, dass Ouibus nicht bei der SNCF geblieben ist, denn eine Staatsbahn hat nun mal fast unbegrenzte Finanzmittel. Und jede der 20 europäischen Staatsbahnen hat schon mal Busse gegen uns fahren lassen und fast alle haben aufgehört, weil es einfach kein Geschäftsmodell ist, das man nebenbei betreiben kann. Jetzt habe ich mit BlaBlaBus einen Wettbewerber, der beweisen muss, dass er besser ist als wir. Die geplante Easylines/Eurolines-Übernahme in Frankreich zeigt aber, dass wir den Wettbewerb annehmen und dort nun auch den Markt anführen wollen. Wir haben schon viele Wettbewerber kommen und gehen sehen und haben keine Angst vor Wettbewerb.

Mit Temsa haben Sie einen neuen Lieferanten für Ihre Buspartner an Bord. Wo bestehen hier die wichtigen Faktoren für einen Hersteller?

Schwämmlein: Wir haben ein sehr breites Lieferantenspektrum, vor allem kommt es hier auf einen effizienten Betrieb an. Wir wollen hier eine möglichst große Offenheit behalten. Natürlich haben in Europa Hersteller wie MAN oder Mercedes-Benz in Summe einen sehr hohen Marktanteil, aber natürlich müssen sich alle mit ihren Produkten täglich auf der Straße beweisen.

Das tun sie sicher, aber noch nicht in Sachen Hybrid-Reisebus. Wie unglücklich sind Sie darüber?

Schwämmlein: Für Pilotprojekte sind wir immer bereit, das zeigen wir ja auch mit unseren chinesischen Elektrobussen in Frankreich und Deutschland. Auch diese rechnen sich noch nicht unter TCO-Gesichtspunkten, zumal wir mit rund 200 Kilometer Reichweite noch ein limitiertes Spektrum an Linien bedienen können. Bei 300 Kilometern Reichweite kämen wir schon in ganz neue Dimensionen. Wir sind natürlich bereit, solche Projekte, zu denen wir auch einen finanziellen Beitrag leisten, auch mit anderen Herstellern anzugehen, aber nur wenn es auch eine echte Perspektive der Serienfertigung gibt. Hybridbusse brauche ich für die Langstrecke derzeit als Kunde eher nicht, aber wenn ich über Städte wie Paris spreche, die über Einfahrverbote nachdenken, dann sieht es schon ganz anders aus. Das ist vielleicht nicht morgen schon akut, da über 95 Prozent unserer Busse bereits über die EURO-VI-Abgasnorm verfügen. Wir können aber sagen, dass es einen klaren Bedarf für alternative Antriebe gibt und wollen ein Zeichen für eine Bewegung in diese Richtung setzen. Dabei sind wir im Endeffekt technologieagnostisch, also -offen. Das schließt alle Technologien ein, die im Rollout Sinn machen und stabil zu betreiben sind. Auch für die USA ist das Thema Elektromobilität spannend, wenn man an die Aktivitäten des Herstellers Proterra denkt.

Wie wollen Sie die Buspartner denn dazu motivieren, solche teuren Busse zu kaufen?

Schwämmlein: Es ist einfach ein sehr wettbewerbsintensiver Markt, in dem wir alle sehr auf die Wirtschaftlichkeit achten müssen, also brauchen wir immer einen Businesscase. Wie der sich dann genau entwickelt und ob wir die Finanzierung von Kundenseite aus in die Hand nehmen, oder ob der Staat wie im ÖPNV sagt, wir wollen, dass hier etwas passiert, das kann ich heute nicht sagen. Ich kann aber keinen unserer Buspartner dazu zwingen, teure Investitionen ohne wirtschaftliche Begründung zu tätigen, für die er am Ende selbst ins Risiko gehen muss. Das ist nicht die Art, wie wir arbeiten.

Hat sich die Situation bei den Buspartnern stabilisiert, nachdem einige abgesprungen sind?

Schwämmlein: Man muss natürlich die Historie der Fusion zweier Unternehmen vor vier Jahren mit berücksichtigen, bei dem jedes Unternehmen so viele Partner wie möglich - auch mit wenigen Bussen - an sich binden wollte. Jetzt müssen die Umsätze allerdings Schritt für Schritt nach oben gehen – und das tun sie auch, da arbeiten wir sehr hart daran. Natürlich gibt es dann auch Synergieeffekte, wenn ein Buspartner mehrere Busse und Linien für uns fährt als nur einen oder zwei. Das heißt unser Netzwerk hat eine gewisse Reife erlangt und einige Partner verlegen sich voll auf das Geschäft, andere merken, dass es auf kleiner Flamme wiederum doch nichts für sie ist.

Ganz neu sind Sie ja dagegen auf dem Markt der Busbahnhofbetreiber, warum das? Not oder Tugend?

Schwämmlein: Wir übernehmen seit 9. April den Interimsbetrieb am Frankfurter Fernbusterminal. Es gibt viele Schmerzpunkte in diesem Bereich, in Frankfurt war es die Infrastruktur, in Stuttgart ein glattes Fehlprojekt, vor dem wir aber gewarnt haben. Es findet in vielen Städten gerade ein Umdenken statt, neben Frankfurt auch in Leipzig, Bremen oder in Dresden. Bei Frankfurt gab es immer einen guten Dialog mit allen Beteiligten und wir haben sowieso Personal vor Ort und machen für die großen Hubs ohnehin die Slotplanung, da es unser Verkehr ist. Da gibt es dann gewisse Synergien, wenn wir das Geschäft in die Hand nehmen. Und wir denken, dass wir auch vom Betrieb ein wenig mehr verstehen, als jemand, der nicht aus der Branche ist.

Wie steht es derzeit um die Barrierefreiheit Ihrer Busse?

Schwämmlein: Es gibt ja eine klare gesetzliche Regelung, die werden wir natürlich einhalten. Da gibt es keine Diskussion, auch wenn es einen Haufen Geld kostet. Wir mussten im Fernbus sehr früh einen überproportionalen Beitrag zur Barrierefreiheit leisten, bei der Bahn kommt das alles sehr viel später. Zudem stehen wir mit unseren Bussen natürlich auch an nicht barrierefreien Busbahnhöfen. Ich denke aber, wir haben einen Zwischenstand erreicht, bei dem wir nun eine größere Verantwortung tragen.

Welchen Weg beschreiten Sie in Sachen Telematik und Digitalisierung?

Schwämmlein: Wir konzentrieren uns sicher auf die Zusammenarbeit mit unseren Buspartnern und den Betrieb. Natürlich gibt es da auch Synergien in der Flotte, über die wir mit den Partnern sprechen müssen. Die Betriebskosten senke ich vor allem, indem ich Material kosteneffizienter einkaufe und einsetze. Das wird eher ein mittelfristiges Projekt sein, da die Flotte sehr heterogen ist. Wir werden hierbei verstärkt mit unseren Buspartnern diskutieren und dann sehen, was dabei herauskommt. Im Bereich Multimedia bleiben wir bei Icomera mit der Hardware, aber wir entwickeln in diesem Bereich auch viel selbst und nehmen keine Standardprodukte aus dem Regal. In den USA haben wir den Rollout des neuen, vergrößerten Entertainment-Angebotes für mitgebrachte Geräte inklusive neuer Virtual Reality-Angebote schon geschafft, in Europa haben wir einfach die größere Flotte und da wird es ungleich schwerer, alle Busse schnell auszurüsten. Wir sprechen dabei aber sicher nicht von einem Fünfjahresplan.