Wie lange dauert es bis zum Crash? Nur wenige Sekunden. Drei, vier oder fünf vielleicht. Wäre die Fuhre nicht mit AEBS versehen, wie das englische Kürzel für "Fortgeschrittenes automatisches Notbremssystem" lautet.
Es fällt schwer, ruhig auf dem Sitz zu bleiben, nichts zu unternehmen, während der Lkw mit unverminderter Geschwindigkeit aufs Hindernis zuschießt. Genau das macht aus diesen paar Sekunden nichts anderes als eine kleine Ewigkeit. Aber keine von der stillen Sorte. Denn wenig Beruhigung bringt die 1,4 Sekunden dauernde Warnphase, in der ein jeder, der halbwegs noch bei Sinnen ist, schon längst mit gesträubten Haaren kräftigst aufs Bremspedal gestiegen wäre. Und er hätte vielleicht auch schon Ausschau gehalten, wohin denn möglicherweise auszuweichen wäre, sollte diese absehbar knappe Angelegenheit dann doch zu knapp ausgehen.
Sehr gelassen nimmt‘s hingegen in dieser gefühlt doch schon ziemlich heißen Phase des Geschehens der MAN Notbremsassistent (EBA). Er aktiviert seelenruhig die sogenannte Warn- und Bremskaskade, die zu Beginn aus halbwegs schrillem Piepsen im Verein mit einem roten Aufleuchten im Display besteht – und legt für den Fall des Falles schon einmal unmerklich die Bremsen an.
Nach der Warnphase folgt die Teilbremsung
Wer jetzt nicht zur Aktion greift, ist wirklich nicht ganz bei Sinnen. Doch für genau solche Fälle ist das automatische Notbremssystem ja gemacht. Sind die ersten Sekundenbruchteile der Warnphase abgelaufen, zündet die Elektronik die nächste Stufe ihres Eingreifens: "Teilbremsung mit maximal vier Meter pro Sekunde im Quadrat" heißt das im Jargon der Techniker.

Das ist noch nicht das volle Bremsprogramm, aber schon happig. Wen das immer noch nicht wachrüttelt, der kann froh sein über die im Handumdrehen einsetzende Notbremsung, bei der es im Test-MAN mit definitiven 6,5 Meter Verzögerung pro Sekunde im Quadrat zur Sache geht. Tief treibt diese Vollbremsung die Kabine in die Knie, bevor die Fuhre vor dem Hindernis zum Stillstand kommt. Die Strategie ist so bemessen, dass selbst bei feuchter Fahrbahn noch gute Chancen dafür bestehen, dass kein Blech knittert.
So weit, so gut. Doch was ist, wenn der Herr und Meister des Lkw inmitten dieser Kaskade jäh erwacht und nun selbst zur Tat schreitet – sei‘s per nicht zu bremsenden Reflex, sei‘s durch kaltblütig gezieltes Eingreifen? Denkbare Szenarien gibt es viele. Und es redet auch eine Vorschrift mit, die da besagt, dass der Fahrer jederzeit der Herr der Lage sein können muss und ihm die Technik da nicht dazwischenzufunken hat.
Knifflige Sache, das: Schließlich erstarrt nicht jeder im Angesicht des Ernsts der Lage direkt zur Salzsäule. Eher wird der Fuß eben doch zum Bremspedal schnellen. Ob rigoros genug, das ist dann die Frage. Und kaum denkbar, dass der Arm nicht doch mehr oder weniger am Volant zuckt: Könnte fatal werden, wenn der Notbremsassistent daraufhin den Dienst postwendend quittieren würde. Heikel macht die ganze Angelegenheit, dass frühere Systeme womöglich mehr in diese unangenehme Richtung tendierten als die heutigen. Immer mit ins Kalkül zu ziehen ist obendrein, dass die hier gemachte Probe aufs Exempel sich natürlich nur auf das aktuelle System von MAN bezieht und der Sachverhalt bei anderen Herstellern eventuell etwas anders gelagert ist.
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