Nicht erfüllte Arbeitsverträge: Einfach nicht zur Arbeit erschienen

Nicht erfüllte Arbeitsverträge
Einfach nicht zur Arbeit erschienen

Die Zeiten haben sich geändert. Fahrer können sich derzeit praktisch jede Stelle aussuchen. Das führt dazu, dass selbst unterschriebene Arbeitsverträge nicht erfüllt werden. Das kann teuer werden.

Eine Lkw-Kabine ist nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Lebensraum. Sauberkeit gehört für Werkstätten deshalb zum guten Ton. Arbeitszeit respektive Materialaufwand muss deshalb bezahlt werden, denn auch das sollte zum guten Ton gehören.
Foto: Jan Bergrath

Aus Schaden wird man klug. So enthält der aktuelle Arbeitsvertrag für Lkw-Fahrer im Fernverkehr der Hüer Transport und Logistik GmbH aus Münster den Punkt der Vertragsstrafe. Er besagt, hier kurz gefasst, "dass sich der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Vertragsstrafe in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts zu zahlen, wenn er das Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder während der Probezeit vertragswidrig vorzeitig beendet". Das kann ziemlich teuer werden, denn Hüer zahlt in der Region gut und bietet zudem gute Arbeitsbedingungen.

"Die Vertragsstrafe sollte wirksam sein", sagt Rechtsanwalt Harry Binhammer nach Durchsicht des Vertrags, "sie ist klar und verständlich, nicht überraschend und auch von der Höhe in Ordnung." Schon das Bundesarbeitsgericht habe festgelegt, dass Vertragsstrafenklauseln bei Vertragsbruch einer Inhaltskontrolle standhalten, wenn der Tatbestand, der die Vertragsstrafe auslösen soll, im Arbeitsvertrag klar gekennzeichnet ist und die Höhe der Strafe klar erkennbar und angemessen hoch ist.

Hüer zieht damit Konsequenzen daraus, dass schon mehrere Fahrer nach der Unterzeichnung und einer Einweisungsfahrt zum vereinbarten Arbeitsbeginn einfach nicht erschienen waren. Trotz eines beladenen Lkw und natürlich der auf die Ware wartenden Kunden. Im Arbeitsrecht nennt man das Verwirkung der Vertragsstrafe nach Paragraf 339 BGB, das heißt, der Unternehmer kann sie geltend machen. Es ist natürlich oft eine Frage der Durchsetzbarkeit und ob man das tatsächlich macht. Die traurige Erfahrung von Binhammer: "Es ist manchmal auch ein stumpfes Schwert. Manche Fahrer schreckt es ab, und sie unterschreiben erst gar nicht, anderen ist es egal, und sie kommen trotzdem nicht."

Fahrer muss zahlen, wenn er Stelle nicht wie vereinbart antritt

Geschäftsführer Oliver Hüer wehrt sich gegen die Auswirkungen des "Fahrermarkts". Es waren vor allem ältere Fahrer aus der Region, die ihn derart im Stich gelassen haben. Mittlerweile hat Hüer schon mehrere Versäumnisurteile gegen Fahrer erwirkt. "Ein Versäumnisurteil ist ein rechtsgültiger Titel, wie auch ein ‚normales‘ Urteil", sagt Binhammer. "Er beruht jedoch lediglich auf den Angaben des Klägers, da der Beklagte sich nicht oder zu spät gemeldet hat. Das Gericht kann deshalb, auch weil es keine anderen Tatsachen mitgeteilt bekommen hat, nur auf der Grundlage der Angaben des Klägers entscheiden. Wenn der Vortrag dann schlüssig ist, wird der Beklagte verurteilt, und der Kläger kann dann aus diesem Urteil vollstrecken." Heißt: Der Fahrer muss zahlen, wenn er seine Arbeitsstelle nicht wie vertraglich vereinbart antritt. Und wenn er verurteilt wurde, kommen die Anwaltsgebühren und Gerichtskosten sowie die Kosten der Zwangsvollstreckung hinzu. Und dann ist man schnell beim doppelten Betrag der Vertragsstrafe.

Binhammer kennt Arbeitgeber, die diese Regelung in ihren Verträgen haben und sie nicht durchsetzen, weil sie den Mitarbeiter ja nicht mehr bekommen können, es sich weiter herumspricht und Interessenten verscheucht, wenn sie es täten. "In Zeiten des Fahrermangels übernehmen manche Arbeitgeber sogar diese Strafe für einen neuen Fahrer, nur, damit man jemanden gefunden hat." So tief ist die Branche mittlerweile gesunken. Hüer lässt sich davon nicht beirren. Er will weiter wachsen, bekommt derzeit viele Bewerbungen und baut weiterhin auf Fahrer, auf die er sich wirklich verlassen kann.