Chrissi* fährt seit 30 Jahren Lkw. Er liebt seinen Job und meint: "Wenn du das heute noch machen willst, dann musst du mit dem Herzen dabei sein und begeisterter Lkw-Fahrer sein. Sonst macht es keinen Spaß". 30 Jahre lang ist er punktefrei gefahren. Anfang 2022 hat er seinen ersten Punkt eingefangen. Das hat ihn wahnsinnig genervt und jetzt soll noch ein zweiter hinzukommen. "Das müssen wir verhindern!", sagt er. Er sitzt in der Autobahnkanzlei in Neustadt-Glewe und legt den Anhörungsbogen mit dem Tatfoto vor. Auf dem Foto sieht man nur das Heck des Anhängers – von hinten geblitzt also. Da sieht Autobahnanwalt Silvio Lange Honig gute Chancen. Er fordert sofort die Akte an. Die lässt nicht lange auf sich warten. In der Akte ist auch kein Foto von vorn. Der Autobahnanwalt muss ein wenig in sich hineingrinsen, freut sich aber jetzt schon auf die mündliche Verhandlung. Die Verteidigungsstrategie drängt sich geradezu auf.
Die Verhandlung kommt schnell, nämlich schon zwei Monate, nachdem gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt worden ist. Chrissi weiß, dass er an der Verhandlung unmöglich teilnehmen kann. Sein Chef wird ihn da nie freistellen. Er transportiert europaweit Landmaschinen und hat da gerade einen lang geplanten Trip nach Italien. Silvio Lange weiß, dass solche Dinge die Gerichte oftmals eher nicht interessieren. Er stellt deswegen einen formellen Antrag auf Befreiung von der Anwesenheitspflicht und teilt in diesem Antrag dem Gericht mit, dass ohne ein Vergleichsfoto – es wurde ja nur von hinten geblitzt – die Anwesenheit des Betroffenen ohnehin nicht zur Aufklärung beitragen kann. Der Betroffene habe ihn über alles informiert. Mehr als er als Anwalt sagen würde, würde der Betroffene selbst auch nicht sagen, wenn er in der Verhandlung teilnehmen würde. Diese Einlassung reicht dem Gericht und es ergeht ziemlich schnell ein Beschluss, mit dem Chrissi von seiner Pflicht befreit wird, beim Termin anwesend zu sein. Soweit so gut.
Autobahnanwalt rügt die Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides
In der Verhandlung sitzt Silvio Lange einem jungen, aber vernünftig erscheinenden Richter gegenüber. Silvio blüht in der Verhandlung richtig auf. Ein ganzes Paket von Rügen hat er mitgebracht. Trotz der Auskunft des Halters ist absolut nicht klar, wer den Lkw gefahren hat. Selbst die Fahrerkartendaten des Mandanten können nichts belegen. Diese bezogen sich logischerweise auf einen Lkw mit abweichendem Kennzeichen, nicht auf einen Anhänger. Der Autobahnanwalt rügt also die Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides, denn dort war als Kfz ausweislich des angegebenen Kennzeichens der Anhänger angegeben. "Ein Anhänger ist aber wohl kaum ein Kraftfahrzeug im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes" wirft der Anwalt in den Raum. Der Richter beginnt zu überlegen. So ganz überzeugt ist er noch nicht. Muss er ja auch nicht, denn Silvio hat noch eine ganze Menge mehr im Gepäck. Es war mehrfach für beide Richtungen auf der Straße das Verkehrszeichen 331 angegeben. Unklar blieb aber, wo denn Verkehrszeichen 331.1 – Beginn Kraftfahrstraße – und wo 331.2 – Ende Kraftfahrstraße – stand. Das muss aufgeklärt werden, fordert Silvio Lange. Möglicherweise war die Kraftfahrstraße dort noch gar nicht beendet und Chrissi ist die 16 km/h gar nicht zu schnell gefahren.
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