Fahrer vor Gericht: Der besondere Blick

Fahrer vor Gericht
Der besondere Blick aus dem Streifenwagen

Was man aus einem Streifenwagen heraus in einem Lkw-Fahrerhaus erkennen kann, um diese Frage geht es einmal mehr in Bens* Fall.

Polizei, Kelle
Foto: Volker Hammermeister

Ben setzt sich selbstbewusst und flott auf den für ihn vorgesehenen Stuhl im Gerichtssaal. Der Termin im altehrwürdigen Amtsgericht ist akribisch vorbereitet. Ben fühlt sich gut – zumindest, bis die Verhandlung angefangen hat. Dann bricht der Richter mit einem Satz voll in das Bollwerk des guten Gefühls ein: "Eins vorab: Eine Reduzierung der Geldbuße gibt es hier nicht. Top oder Flop, Freispruch oder Regelgeldbuße." Mist, ein Schwarz-Weiß-Denker, der die Grautöne, die 90 Prozent des Lebens ausmachen, einfach ausklammern will. "Außerdem", so der Richter weiter, "hat ihr Mandant sowieso alles zugegeben. Also, was soll das Spektakel hier?!" Er schüttelt mit dem Kopf, hebt die Gerichtsakte und zeigt auf den Vermerk der Beamten, den ich sofort erkenne und den Ben und ich im Vorfeld schon ein paar Mal durchgekaut haben.

Vorgeworfen wird Ben, dass er in der rechten Hand ein Handy gehalten und konzentriert auf das Display geschaut habe. Das hätten beide Beamten durch den linken Seitenspiegel gesehen, und noch bevor Ben als Betroffener belehrt worden sei, habe er das bei der Kontrolle auch bejaht. Ich greife ein: "Herr Vorsitzender, es handelt sich hier ganz sicher um ein Missverständnis. Mein Mandant hat vor Ort nichts zugegeben. Wie soll das auch vor einer erforderlichen Belehrung gegangen sein? Die Beamten haben ihn ja aufgrund eines konkreten Anfangsverdachts angehalten. Das bedeutet, sie sind zu ihm ans Fenster, müssen sich vorgestellt haben und ihm sogleich erklärt haben, wieso man ihn auf der Autobahn rausgezogen hat. Nach dem konkreten Tatvorwurf muss es sofort weitergehen mit der Belehrung. Es war ja keine allgemeine Verkehrskontrolle. Zu welchem Zeitpunkt genau soll er hier denn was zugegeben haben? Das passt einfach zeitlich auch gar nicht." Der Richter nickt kaum merklich. Wer hätte das gedacht!

Beamter kann nicht von unten in die Fahrerkabine hineinschauen

Natürlich weise ich den Zeugen darauf hin, dass er uns sein Kollege von unten aus dem Streifenwagen nicht nach oben in die Fahrerkabine des Lkw hineinschauen können. Auf diesen Einwand ist man vorbereitet. Im Außenspiegel will man das Ganze gesehen haben. Ich trete zum Richtertisch und lege Fotos vor. Fotos des Lkw in der Annäherungsphase, von weiter hinten bis ganz vorne, mit geschlossenem und geöffnetem Fenster. Auf keinem der Fotos ist irgendein Gegenstand in der Hand des Fahrers zu erkennen. Der Richter bittet den Zeugen vor zum Richtertisch. Der zuckt nur mit den Schultern und meint, dies sei eben der Unterschied zwischen den Laien und den Polizeibeamten. Die sehen so etwas, weil man darauf geschult sei. Jetzt muss ich mit den Schultern zucken. Mehr als die Kamera sehe, könnten auch geschulte Beamte nicht sehen, erkläre ich.

Der Richter zeigt dem Zeugen nochmals die Fotos. Der Zeuge bestätigt, dass er auf den Fotos kein Handy erkennen könne. Aber in der Realität sehe das alles ganz anders aus. Da sei ja doch schon ein Unterschied zwischen Fotos und der Realität. Mir platzt der Kragen. Ich frage den Beamten, ob wir uns da zukünftig auf ihn beziehen und ihn zitieren dürften, wenn es um die Verwertbarkeit von Blitzerfotos gehe. Da müsse sein Argument ja dann wohl auch gelten. Der Richter winkt ab und bittet mich, sachlich weiterzufragen. Ich frage den Zeugen, wie er den Gegenstand in der rechten Hand als Handy identifizieren könne. Er lächelt freundlich und sagt nur: "Das ist unser Problem – wir können das. Wir sind da eben geschult."

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