Samstagmorgen: Steve kann nicht mehr schlafen, obwohl er mitten in der Nacht nach Hause gekommen ist. Der finanzielle Druck ist einfach zu groß. Seine Frau Lena* hat ihn in der Nacht liebevoll erwartet, aber auch mit ein paar unerfreulichen Briefen. Steve hat Angst, panische Angst, dass sie sich mit seinen beruflichen Plänen einfach wirtschaftlich übernommen haben. Das Konto steht auf null. Miete muss bezahlt werden. Im Kühlschrank herrscht gähnende Leere, und ihr kleiner Sohn Brian* braucht dringend neue Klamotten. Steve und Lena rechnen immer wieder, müssen aber feststellen, dass jetzt der Punkt erreicht ist, an dem nichts mehr gespart werden kann. Die Gehälter von Lkw-Fahrern sind einfach in dieser Republik verdammt niedrig. Hinzu kommt die Inflation, und Brian muss jeden Tag in den Kindergarten. Der ist 20 Kilometer entfernt. Genau wegen dieser finanziellen Enge hatten sie ja beschlossen, dass Steve sich beruflich weiterentwickelt. Er macht eine Fahrlehrerausbildung – und die kostet und kostet.
Mittlerweile ist es neun Uhr. Steve und Lena haben seit zehn Minuten kein Wort mehr gewechselt. Ein Klingeln an der Haustür unterbricht diese trübe Stille. Steve öffnet. Ihm gegenüber steht eine schelmisch grinsende Postzustellerin. Einen gelben Umschlag hat sie in der Hand und meint mehr flapsig: "Wohl wieder zu schnell gefahren, hä?" Steve nimmt das Ding, knallt wütend die Tür zu. Das fehlt gerade noch. Den Tränen nahe, geht er in die Küche und knallt das Ding auf die Tischplatte. Jetzt reicht’s. Er weint. Er ist am Ende. Da zieht seine Frau eine blau-weiße Visitenkarte aus der Schublade. "Weißt du, Steve", meint sie, "der Peter Möller hat dir doch damals gesagt, bevor du eine Nacht nicht schlafen kannst, ruf ihn besser mitten in der Nacht an. Wenn man das darf, dann geht sicher auch Samstagvormittag. Los, probier’s doch mal. Vielleicht hat er eine Idee!"
Vorwurf: Handyverstoß
Ein paar Minuten später redet er mit mir – sein ganzes Unglück schildernd. Steve wohnt in Speyer. Ich kann ihn zuerst mal beruhigen. "Den Umschlag, Steve, musst du schon aufmachen. Sonst ist es ganz schwer, dir zu helfen. Ich muss schon wissen, was man dir vorwirft." Schweren Herzens reißt er das Ding auf. Ein Handyverstoß wird ihm vorgeworfen. Ich erkläre Steve, dass wir bei der Verteidigung in diesen Fällen relativ gute Karten haben. Da geht sicher was. "Mach dich nicht verrückt." Weil er in Speyer wohnt und das nur ein paar Kilometer von Schwegenheim entfernt ist, verspreche ich ihm, dass Heike Herzog, unsere Autobahnanwältin aus Schwegenheim, ihn am selben Tag noch anrufen werde. Steve macht am Ende des Gesprächs einen ruhigeren Eindruck.
Ich mache mir erst mal einen Kaffee und rufe Heike an. Dem Mann muss schnell geholfen werden. Heike verspricht mir, sofort mit Steve Kontakt aufzunehmen. Das funktioniert auch, und die beiden verabreden sich noch am selben Tag zu einem Treffen mittags in der Autobahnkanzlei. Von dort aus fahren sie zum Tatort – und da baut sich bei Steve auch langsam wieder die Erinnerung auf. Er hatte den Polizeiwagen in einer Seitenstraße gesehen. Er weiß auch noch, dass das Ding vor einem Tabakladen stand. Er stand direkt vor der Haltelinie bei einer roten Ampel. Heike packt das Rollrad aus: 38,4 Meter. Ob man auf die Distanz ein Handy mit einer Zigarettenschachtel nicht verwechseln kann? Ist es überhaupt möglich, einen Gegenstand aus dieser Distanz zu erkennen? Hinzu kommt, dass die zwei Beamtinnen ja auch keinen Knickblick haben, mit dem sie nach oben ins Fahrerhaus hineinschauen könnten. Steve weiß noch, dass er das Ganze damals nicht sonderlich ernst genommen hat. Die Beamtinnen haben nur freundlich seine Personalien aufgeschrieben. Das war’s dann aber auch schon. Heike und Steve machen noch ein paar Fotos. Heike verabschiedet sich mit den Worten: "Junge, mal ganz ehrlich, ich glaube, hier brauchst du dir keine Sorgen zu machen."
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