Die sogenannten "Elefantenrennen", bei denen ein Lkw einen anderen überholt, sind für viele Autofahrer ein großes Ärgernis. Das steht so in einer Pressemeldung der Polizei Stralsund vom 15. Mai. Ein deutscher Berufskraftfahrer aus NRW hatte mit seinem Scania 90 Sekunden gebraucht, um auf der A 20 wieder einzuscheren. "Den jungen Kraftfahrer erwartet nun ein Bußgeld von mindestens 80 Euro und ein Punkt im Verkehrszentralregister in Flensburg. Der Überholvorgang während verkehrsarmen Zeiten, zum Beispiel nachts, rechtfertigt allerdings kein Bußgeldverfahren, genauso wenig das Überholen bei drei Spuren, wenn die linke Spur für Pkw frei bleibt."
Der letzte Satz wirft Fragen auf. "Als Faustregel für einen noch regelkonformen Überholvorgang ging das OLG Hamm bereits 2018 von einer Dauer von maximal 45 Sekunden aus", erklärt Matthias Pfitzenmaier. "Alles was länger dauert, wäre daher bereits nicht mehr regelkonform." Er verweist auf die Begründung: Sinn und Zweck der Vorschrift des Paragrafen 5 II 2 StVO ist es, eine Behinderung des übrigen Verkehrs durch lang andauernde Überholvorgänge zu vermeiden. "Dies gilt natürlich insbesondere für Überholvorgänge von Lkw auf zweispurigen Autobahnen", betont Pfitzenmaier. "Dabei darf nach Auffassung des OLG Hamm bei der Bestimmung der wesentlich höheren Geschwindigkeit nicht einseitig das Interesse der am schnellen Fortkommen interessierten Pkw-Fahrer im Vordergrund stehen mit der Folge, dass das Erfordernis nach einer zu großen Geschwindigkeitsdifferenz einem faktischen Überholverbot für Lkw auf zweispurigen Autobahnen gleich kommt."
Überholen bei zu geringer Differenzgeschwindigkeit ahndungswürdig
Eine Ahndung nach Paragraf 5 II 2 StVO kommt laut OLG Hamm nur dann in Betracht, wenn der Verkehrsfluss durch einen Lkw-Überholvorgang unangemessen behindert wird. "Das ist dann nicht der Fall, wenn sich ein solcher Vorgang zu verkehrsarmer Zeit auf einer dreispurigen Autobahn abspielt und der schnellere Pkw-Verkehr ohne weiteres auf die dritte, also die äußere linke Spur ausweichen kann", sagt Pfitzenmaier. Ahndungswürdig ist laut OLG ein Überholen dann, wenn ein solcher Vorgang wegen zu geringer Differenzgeschwindigkeit eine unangemessene Zeitspanne in Anspruch nimmt und der schnellere Pkw-Verkehr nicht nur kurzfristig behindert wird.
Das bedeutet aber auch: "Die Regel ist nicht geeignet, jegliche Behinderung des schnelleren Verkehrs durch Lkw-Überholvorgänge auszuschließen. Überholvorgänge auf zweispurigen Autobahnen, die bei einer Dauer von mehr als 45 Sekunden bzw. einer Differenzgeschwindigkeit von unter 10 km/h zu einer deutlichen Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer führen, unterliegen jedoch nach dieser Vorschrift einer bußgeldrechtlichen Ahndung."