Marode deutsche Infrastruktur: Brücken ohne Ankündigungsverhalten

Marode deutsche Infrastruktur
Brücken ohne Ankündigungsverhalten

Mit satirischer Überhöhung zeigt die "Heute Show" in einer Spezialausgabe, warum der Ausbau der deutschen Infrastruktur nicht vorankommt. Auch zu Lasten der Logistik. Für die Neusser Stahlspedition Hergarten nahm Mona Smeets den Moderator Lutz van der Horst einen Tag lang in einem MAN mit auf Tour.

Jans Blog heute show
Foto: Spedition Hergarten, Montage Oswin Zebrowski

Ich gebe zu, ich mag die „Heute Show“ im ZDF. Was auch damit zu tun hat, dass ich als Leiter einer Kölner Kleinkunstbühne Anfang der Nuller Jahre in meiner Heimatstadt einigen mittlerweile bundesweit bekannten TV-Kabarettisten und Sketchautoren zur Premiere in der heutigen Comedy-Metropole verhalf. Bis ich mich ganz dem Journalismus verschrieben habe.

Immer wieder freitags, und das seit 2009, bietet die „Heute Show“ eine Zusammenfassung der wichtigsten politischen Ereignisse in satirischer Überhöhung auf der Basis fundierter journalistischer Recherche. Nach den richtigen Nachrichten. Seit 2009 gehört der Kölner Comedy-Autor Lutz van der Horst als Außenreporter mit zum Team, unterstützt seit 2016 durch den Kölner Autor Fabian Köster, von dem auch die Aussage stammt, Politiker nicht zu diffamieren, sondern darauf abzuzielen, politische Inhalte zu vermitteln und zu zeigen, was falsch läuft in der Politik.

Bei der Infrastruktur in Deutschland läuft vieles falsch

Die meisten angesprochenen Politiker reagieren souverän und spielen das Spiel mit, wenn die beiden Moderatoren etwa auf Parteitagen ihre Fragen stellen. Andere reagieren eher unter dem Motto: besser in der „Heute Show“ als gar nicht im Fernsehen. Und manche verweigern sich konsequent, so wie etwa Friedrich Merz von der CDU, sowohl in seiner langen Zeit als Kanzlerkandidat, sowie nun seit Mai auch als neuer Bundeskanzler mit den alten Problemen wie etwa der Finanzierungslücke trotz beschlossenem Sondervermögen. Daher beginnt das erste „Heute Show Spezial“ in der Sommerpause unter dem Titel „Deutschland hat ganz schlimm Brücken“, hier in voller Länge zu sehen, mit harten Fakten über die ernüchternde Zahl der maroden Brücken in Deutschland und dem daraus resultierenden wirklichen Finanzierungsbedarf.

Unter Friedrich Merz wird alles besser

In der Hoffnung, dass in der Großen Koalition unter Friederich Merz und der jungen, brillant aufgelegten Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) nun alles besser wird. Sie will in einem „kaputten Land“, so der Vorwurf der Satiriker, endlich den „Bauturbo“ einschalten, wenn es nicht etwa diese längst ausufernden Planfeststellungsverfahren gäbe. Oder das „Monstrum der überbordenden Bürokratie“, vor dem der mehrfach eingespielte Merz schon immer gemahnt hatte. Wie sich der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der erst kürzlich die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ vorgestellt hat, nach und nach mit stoischer Miene in einen zum Ende bald irrwitzigen Dialog mit Fabian Köster locken lässt, ist grandios. Final, nach seiner eigenen, nun schon etwas zurückliegenden Erfahrung bei einem Brückenneubau der A 20 in Mecklenburg-Vorpommern mit langwierig umzusiedelnden Ameisen, Fledermäusen, Lurchen und seltenen Vögeln, in seinem Falle der Wiesenralle, lateinisch „Crax Crax“ genannt, ertappt er den Moderator höchst schlagfertig beim buchstäblich vorgelegten Uhu „als Symbol für die Weisheit“. Es ist einer der Höhepunkte dieser Sendung. So wie der Ersatzneubau von alten Brücken nun schneller umgesetzt werden soll.

Neues Nadelöhr auf der A 4

Mehr verrate ich an dieser Stelle allerdings nicht, um den Beitrag, bei dem Politikerinnen und Politiker sowie Praktikerinnen und Praktiker aus der Bauwirtschaft gleichermaßen in teils höchst skurrilen Situationen ihre lange vorbereitenten Auftritte auf Brücken bei Dresden und bei Nürnberg haben, nicht zu spoilern. Aber ich verspreche – diese 35 Minuten lohnen sich. Allein schon, um aus kompetenter Sicht von Experten zu erfahren, dass es bundesweit immer noch „Brücken ohne Ankündigungsverhalten“ gibt, die trotz langer Beobachtung von einem auf den anderen Tag trotzdem gesperrt werden müssen, bevor sie in Einsturzgefahr geraten.

Missachtung des Überholverbots

So wie aktuell auf der A 4 zwischen Köln-West und Köln-Süd in Fahrtrichtung Frankfurt die Autobahnbrücke über das Kombiterminal Köln-Eifeltor, die durch einen Engpass mit Verschränkung der Spuren staubildend geschützt werden muss, was vor allem die Logistik in Nordrhein-Westfalen in die schiere Verzweiflung treibt, wie es Marcus Hover vom Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW erläutert. Wenn er auch dabei nicht die ganze Wahrheit ausspricht. Denn auf der A 4 sind bislang vor allem gebietsfremde Lkw falsch in die kurzfristig errichtete komplexe Verkehrsleitung gefahren. Unter Missachtung des von ihnen bis zum letzten Moment durchgezogenen und kaum sanktionierten Überholverbots, dann von den genervten heimischen Fahrern kurz vor knapp nicht mehr reingelassen wurden, in der falschen Spur landeten und schließlich an einer Leitplanke umkippten. Das soll nun geändert werden.

Und das ganze neue Chaos entstand erst, nachdem der Kölner Autobahnring im Februar unter einer hochkompetenten Bauleiterin in der Männerdomäne – kleiner Seitenhieb zum weiteren Thema der Gewinnung von weiblichen Fachkräften - durch die Freigabe der Leverkusener Brücke nach einer schier endlosen Bauzeit endlich entlastet schien.

Eine Frau mit Sendungsbewusstsein

So landete die Anfrage der Redaktion, mit einem Lkw über die Kölner Brücken und die zuführenden Autobahnen zu fahren, auf kurzem Umweg bei der Stahlspedition Hergarten mit ihren rund 200 MAN aus Neuss, also irgendwo bei Düsseldorf, wie es heißt. Deren Geschäftsführer Marcel Hergarten, der schon die Kölner Kultband „Brings“ zu einem Video über die Probleme der Branche gewinnen konnte, hat die einmalige Chance sofort ergriffen und den Moderator Lutz van der Horst als „Survivalexperte“ einen ganzen Tag lang mit seiner neuen Mitarbeiterin für Spedition und Kommunikation, Mona Smeets, auf Tour „durch den Dschungel NRW, wo die Eingeborenen jedes Jahr im Schnitt über 150.000 Stunden im Stau stehen“ geschickt.

Eine junge Frau, die das abgesprochene Drehbuch mit dem für den Überlebenskampf entsprechend bekleideten Moderator souverän und mit großer Freude mitspielt. Kein Wunder, denn als Tochter einer alteingesessenen Krefelder Stahlspedition in dritter Generation mit eigenem Lkw-Führerschein aller Klassen konnte sie ihr Insidern aus der Branche bekanntes Sendungsbewusstsein über die großen Probleme der Logistik und insbesondere des Stahltransports schon im letzten Jahr unter Beweis stellen.

Endlich ein neues Zuhause gefunden

Denn nach einem Gastspiel beim Frankfurter Verein „Pro Fahrer Image“ und beim Softwareunternehmen Mansio kehrte sie im April dieses Jahres zurück in die Logistik. „Unser Unternehmen habe ich nach reifer Überlegung und langer Entscheidungsfindung verlassen“, so Smeets. „Es war alles andere als ein leichter Schritt, jedoch hat sich die Entwicklung der letzten Jahre, besonders in unserer Unternehmensgröße, als nicht mehr tragbar erwiesen. Weshalb mein Vater und ich die Entscheidung getroffen haben, das Unternehmen zu schließen.“ Nun hat sie das Glück, wie sie sagt, bei ihrem neuen Arbeitgeber ein Unternehmen gefunden zu haben, das von seinen Werten und Vorstellungen voll mit ihren überein geht. „Ich bin sehr dankbar, dass ich in der Branche bleiben kann. Es ist ein kleines bisschen wie ein neues ´Zu Hause`, nur größer, aber genauso familiär.“

Als Fahrerin im Monstertruck

Für die überwiegende Mehrheit der Zuschauer ist sie einfach nur die sich auf Grund der baustellenbedingten Staus verschärfenden Arbeitsbedingungen betroffene Fahrerin mit ihrem „Monsterstruck“. Davon kommt das Fernsehen wohl nie weg. Dient wahrscheinlich der Quote. Doch durch meinen Blog sehen meine Leserinnen und Leser auf den zweiten Blick nun besser, wer dem Publikum höchst souverän zum Klang von Country-Musik vermittelt, dass Tausende Berufskraftfahrer immer mehr unter der Zeitfensterproblematik zu leiden haben. Auch Marcel Hergarten ergründet im hintersinnigen Dialog auf zwei Plastikstühlen vor seiner Flotte, dass er die Verantwortung für die auch durch Lkw überlastete Infrastruktur natürlich nicht bei den Logistikunternehmen selbst sieht und eindringlich davor warnt, dass die Logistik bei einem Wiedererstarken der Wirtschaft nicht in der Lage sein wird, den Fuhrpark und das Fahrpersonal so schnell wieder hochzufahren. Was dann dennoch wieder zu mehr Staus führen wird. Das passt zur allgemeinen Selbsteinschätzung der Branche und vieler Fahrer, dass ohne die Logistik in Deutschland nichts laufen wird.

Am Ende einer langen Fahrt ergreift der Moderator die Flucht

Rückblickend beschreibt Smeets ihren Beifahrer als sehr zugewandt. „Er hat sehr gute Fragen gestellt, die relevant für das Thema sind und hat, so denke ich, im Laufe des Tages viel Verständnis für den Beruf erlangt.“ Was man am Ende auch an den respektvollen Aussagen gemerkt habe, die er in Bezug auf Berufskraftfahrer gemacht hat. „Es ist ein harter Job und das erlebt man eben oft erst, wenn man selbst mit angepackt hat, was in einem kleinen Ausschnitt zu sehen ist.“

Tatsächlich ist das Team auch über die Brücke auf der A4 bei Köln-Eifeltor gefahren. Dieser Part habe es leider nicht in die Sendung geschafft, bedauert Smeets, aber das sei eben der Zeit geschuldet, die in so einem Beitrag leider sehr begrenzt sei. So wirkt das beinahe groteske Ende, die Flucht des überzeugend gespielt genervten Moderators nach der Mitfahrt vor der Masse an Staus, zwar übertrieben, ist aber nach dem erlebten Tag im Stil der gesamten Sendung konsequent. Inklusive der mitgebrachten Dose Ravioli kurz vor dem Kollaps.

Der Zustand unserer Straßen ist nicht mehr hinnehmbar

„Der Zustand unserer Straßen ist für kein Glied in der Kette mehr hinnehmbar“, sagt Smeets, der die Sendung sehr gut gefallen hat, am Tag danach. „Unsere Kunden, die Transportunternehmen und auch der gesamte Rest der Gesellschaft leiden massiv unter den Gegebenheiten, und die Politik hätte dieses Problem schon vor Jahren anpacken müssen, um den Rückstau zu verhindern.“ Nicht nur die Branche stünde heute vor einem desaströsen Zustand, der weder mit Bürokratie noch mit ausreichend finanziellen Mitteln innerhalb eines angemessenen Zeitraums gelöst werden könne.

„Es wird Jahrzehnte dauern, bis unsere Straßen wieder einen Zustand erreichen, der die Gewährleistung unserer Versorgung hinreichend sicherstellt und sowohl für Pendler, Lkw-Fahrer und andere Personen, die auf die Nutzung des Verkehrsnetztes angewiesen sind, eine zufriedenstellende Ausgangslage bietet. Wir hoffen inständig, dass unsere Regierung den Ernst der Lage erkennt und ein solcher Fehler zukünftig kein weiteres Mal zu Lasten unserer Wirtschaft und Gesellschaft gemacht wird.“

Und wenn am Ende vielleicht ein Teil der satirisch überbrachten ernsten Botschaft aus einer beim gemeinen Publikum eher fremden Welt angekommen ist, dann hat sich der enorme Aufwand, der vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen in dieser ersten Folge der „Sommerspecials“ betrieben wurde, auf alle Fälle gelohnt. Mir persönlich hat dieser etwas anders geschriebene Blog anlässlich der Tatsache, dass es diese Rubrik auf Eurotransport nun seit genau zehn Jahren gibt, sehr viel Spaß gemacht.