Kombinierter Verkehr: Das Rätsel des abgebrannten MAN

Kombinierter Verkehr
Das Rätsel des abgebrannten MAN

Im Hafengebiet von Neuss ist an einem Sonntagmorgen Ende Juli eine Sattelzugmaschine in Brand geraten. Der Halter war ein russischer Staatsbürger, der MAN TGX mit Baujahr 2015 war zugelassen in Stolberg. Vier Wochen später wirft der Vorfall immer noch Fragen über die dortigen Zustände auf.

Brennender Lkw Neuss
Foto: Feuerwehr Neuss

Auch gut vier Wochen danach, ebenfalls an einem Sonntag, sind die Brandspuren auf den Pflastersteinen der Parkbucht am Ende der Tilsiter Straße im Neusser Hafen noch zu sehen. Dort war in der Nacht zum 20. Juli, einem Sonntag, laut Medienberichten und mittlerweile laut Polizeiangaben bestätigt, ein MAN TGX mit Erstzulassung im Jahr 2015 in Vollbrand geraten, während der Fahrer im Lkw schlief. Er konnte den Flammen unverletzt entkommen, weil die Feuerwehr den Brand schnell unter Kontrolle brachte. Es hätte auch anders ausgehen können. Denn auf der anderen Seite des Zauns sind regelmäßig auch ADR-Tankauflieger der Spedition Lanfer abgestellt. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf konnte die ursprünglich von der Polizei als „technischen Defekt“ benannte mögliche Ursache auch nach ihrer Nachfrage bei der Feuerwehr nicht weiter konkretisieren.

Ein Brand im Stand

Der Brand im Stand – ohne einen Auflieger - passt also wohl nicht zu der leider weiter anhaltenden Serie von Lkw-Bränden einer bestimmten Baureihe des MAN TGX überwiegend auf bergigen Strecken, die ich ebenfalls weiter recherchiere und dabei auf das Ende der Werksferien bei MAN warte, damit meine Fragen dort beantwortet werden können. Aber er wirft ein grelles Licht auf die nach wie vor nicht gelösten Zustände um die vorwiegend in Osteuropa zugelassenen Lkw im Neusser Hafen und deren Fahrern oder Haltern, die dort an den Wochenenden anzutreffen sind.

Denn, um auch das gleich vorwegzuschicken, die Sattelzugmaschine zählte noch zu den jüngeren Fahrzeugen, die jedes Wochenende im Bereich der Tilsiter und der Königsberger Straße mehr oder weniger fest stationiert sind. Die Marke MAN ist dort sehr beliebt, das älteste Modell neben einem TGA war ein TGX aus dem Baujahr 2008. Viele dort sind um die zehn Jahre alt. Die von mir am vergangenen Sonntag vor Ort angesprochenen Fahrer, die dort in ihrer Freizeit auch Reparaturarbeiten durchführten, lobten gerade die hohe Kilometerleistung und die Robustheit.

Die Rückmeldung des BALM – und die zwei Optionen

Laut Antwort der Neusser Polizei war der Halter des abgebrannten MAN ein russischer Staatsangehöriger, der seine Zugmaschine in Stolberg bei Aachen zugelassen hatte. Das wirft Fragen auf. Eine hat mir das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) sofort beantwortet. Dazu sei grundsätzlich eine konkrete Betrachtung des Einzelfalles erforderlich. Um beurteilen zu können, ob kombinierter Verkehr durchgeführt werden darf, komme es insbesondere darauf an, wo das Verkehrsunternehmen seinen Sitz hat.

Die Option 1: Das Verkehrsunternehmen hat seinen Sitz in Deutschland

„Unter den bestimmten Voraussetzungen des kombinierten Verkehrs darf ein russischer Staatsangehöriger, dessen Unternehmen tatsächlich in Deutschland niedergelassen ist, auch kombinierten Verkehr durchführen. Aufgrund der Zulassung des Lkw in Stolberg, gehen wir davon aus, dass es sich in dem von Ihnen beschriebenen Fall um ein Verkehrsunternehmen mit Sitz in Deutschland handelt. Zu beachten ist allerdings, dass seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verschärfte Sanktionsregeln gegenüber Russland gelten, die das im Einzelfall einschränken können, vergleiche auch VO EU Nr. 833/2014 in ihrer aktuellen Fassung.“

Die Option 2:

Ein russischer Fahrzeughalter ohne eine Niederlassung in einem EU-/EWR-Staat darf – mangels EU-/EWR-Niederlassung – trotz Zulassung des Lkw in Deutschland nicht legal kombinierten Verkehr betreiben. Dafür sind eine entsprechende EU-Lizenz und ein in der EU ansässiges Kraftverkehrsunternehmen erforderlich. „Zudem gelten ohnehin umfassende Verbote für russische Kraftverkehrsunternehmen.“

Keiner will‘s gewesen sein

Das wirft gleich die nächste Frage auf – in wessen Auftrag der Halter unterwegs war und auf welchen Auflieger oder Trailer er möglicherweise gewartet hat? Zuerst antwortete mir eine Sprecherin der Optimodal Nederland B.V.. „Vielen Dank für Ihre Anfrage und das damit verbundene Interesse an dem „Brandfall“. Leider haben wir darüber keine Infos zum Vorgang und konnten die Inhalte auch nur den Medien entnehmen. Der Fahrer wurde nicht von Optimodal Nederland B.V. eingesetzt. Auch unsere Schwestergesellschaft Neuss Trimodal GmbH als Terminalbetreiber hat keine Bindung zum Trucker. Wir unterstellen, dass der Fahrer sein Fahrzeug, wie zahlreiche andere Trucker auch, im Hafen geparkt hat.“

Ähnlich zunächst die Antwort von Contargo: „Entlang der Tilsiter Straße beobachten wir Fahrerstopps und Aufenthalte. Diese Straße ist öffentlich zugänglich. Unabhängig von den aktuellen Beobachtungen weisen wir Speditionen und Frachtunternehmen regelmäßig auf bestehende Vorschriften hin. Alle Unternehmer weisen uns gegenüber einen ordnungsgemäßen Betrieb nach und werden regelmäßig hinsichtlich der Einhaltung europäischer und deutscher Vorschriften, insbesondere der Kabotage, kontrolliert.“

Lediglich die dort mit einem eigenen abgeschlossenen Gelände ansässige italienisch-deutsche Spedition Ambrogio, die laut ihrer Internetseite derzeit keine Fahrer, sondern Frachtführer sucht, wollte sich auf meine schriftliche Anfrage nicht äußern.

Ein Politikum in Neuss

Noch einmal habe ich daher, wie in meinem obigen Blogbeitrag, bei der SPD in Neuss nachgefragt, die auch den amtierenden Bürgermeister stellt. Die übersandte mir eine Verwaltungsmitteilung aus der letzten Sitzung des Ausschusses für Strukturwandel, Wirtschaft und Beschäftigung im Juni 2025, die wir hier unten als PDF in voller Länge veröffentlichen. Dort sind die aktuellen Entwicklungen aufgeführt, gemeinsam mit den ansässigen Firmen und Hafenunternehmen für die dort campierenden Fahrer endlich eine Lösung zu finden – zumindest hinsichtlich eines möglichen Zugangs zu sanitären Anlagen.

Verwaltungsmitteilung aus der letzten Sitzung des Ausschusses für Strukturwandel, Wirtschaft und Beschäftigung im Juni 2025
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Denn im Zuge der geplanten Vorbereitung für die Neusser Landesgartenschau ab 2026 wurde auch die für die Fahrer gut erreichbare Esso-Tankstelle geschlossen, wo sie immerhin Wasser bekommen konnten. „Eine praktikable Sofortmaßnahme für diejenigen Lkw-Fahrer*innen, die keine Möglichkeit haben, die Toiletten und die teils in den belieferten Unternehmen vorhandenen Sozialräume nutzen zu können, ist nach Auffassung aller Beteiligten auf der Königsberger Straße und im weiteren Hafengebiet nicht umsetzbar“, heißt es in dem Schreiben unter anderem.

Das wahre Problem wird nicht wirklich kontrolliert

Doch das wahre Problem im Binnenhafen von Neuss und vielen anderen Terminals des Kombinierten Verkehrs wird meines Erachtens nicht ausreichend kontrolliert. Denn auch zu dieser Frage antwortete mir das BALM, wie eigentlich immer, auf meine Fragen, wann man im Neusser Hafen, ähnlich wie beim BALM-Sonntag im Niehler Hafen von Köln, an einem Sonntag ab Nachmittag zuletzt kontrolliert habe? Wenn die Fahrer vor Ort im oder am Lkw anzutreffen sind.

„Wie bereits zuletzt beantwortet“, so heißt es, „wird der Bereich des Neusser Hafens im Rahmen des gesetzlichen Überwachungsauftrags des BALM von den örtlich eingesetzten Kontrollbeschäftigten des Verkehrskontrolldienstes befahren und bei Auffälligkeiten werden Verkehrskontrollen durchgeführt. Dabei erfolgen auch Kontrollen zur Einhaltung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit.“ Demzufolge kann es dort nach der Lesart des BALM also so gut wie keine Auffälligkeiten und die entsprechenden Verstöße geben. Das sagt in etwa auch die Neusser Polizei, die dort ebenfalls Streife fährt und zu den dort am Wochenende oft anzutreffenden alkoholisierten Fahrern meint, dass es in deren Freizeit ja nicht verboten sei, im oder am Lkw Alkohol zu trinken.

Die Aufweichung des Mobilitätspakets

Ähnlich wie ich es in meinem Blogbeitrag „Europäischer Wahnsinn mit Methode“ bereits ausführlich beschrieben habe, hat die EU das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, praktisch unkontrollierbar gemacht. So soll deren weitere Verbringung im Lkw, was viele Lkw-Fahrer nach wie vor bevorzugen, laut einer Studie auf Sicherheitsparkplätzen sogar möglich werden.

Aber in Neuss gibt es diese Stellplätze nicht. Die dort parkenden Unternehmen, die keine eigenen Parkplätze vorweisen müssen, nutzen weiterhin kostenfrei öffentlichen Raum mit allen bekannten Problemen. Nur eine Verschärfung der Sanktionen, die immer noch nicht im deutschen Güterkraftverkehrsgesetz oder dem Fahrpersonalrecht umgesetzt sind, könnte diesem Zustand ein Ende bereiten. Es sein denn, die Zustände würden von allen Seiten toleriert, um zum Schutz der auf der langen Strecke nachhaltigen Bahn jederzeit auf eine kleine Armada osteuropäischer Frachtführer zu wohl sehr wettbewerbsgünstigen Bedingungen zurückgreifen zu können.

Langfristige Umstellung auf E-Lkw

Auf die Frage, ob sich der Einsatz alter Dieselfahrzeuge im Kombinierten Verkehr nicht mit der Investition in moderne E-Lkw widerspreche, antwortete immerhin Contargo: „Mit der Umstellung auf Elektromobilität werden wir auch sukzessive die Anzahl alter Diesel-Fahrzeuge in unserem Dienst oder in der Beschäftigung unserer Fuhrunternehmen reduzieren. Wir halten schon heute unsere Fuhrunternehmen dazu an, die Fahrzeuge neuester Schadstoffklassen einzusetzen und messen dies und unterstützen hier bei der Umstellung. Bis zum Jahr 2030 werden wir einen großen Teil der Umstellung vollzogen haben, ab 2040 werden wir für den Einsatz an unseren Terminalstandorten nur noch BEV-Fahrzeuge einsetzen.“