ARD-Serie 113 thematisiert schwere Unfallfolgen

ARD-Serie 113 thematisiert schwere Unfallfolgen
Die stillen Opfer

Im Durchschnitt sind bei einem Verkehrsunfall 113 Menschen betroffen. Von Angehörigen über Freunde bis zu Ersthelfenden und Einsatzkräften. Selten hat eine TV-Serie wie der deutsch-österreichische ARD-Sechsteiler „Hundertdreizehn“ so eine breite Zustimmung bei den Zuschauern erhalten.

Serie 113 in ARD-Mediathek
Foto: WDR/Windlight Pictures/Satel Film/Alessio M. Schroder

Berlin. Busterminal. Spätabends. Busfahrer Theo, Mitte 50, verabschiedet sich von seiner Frau und seiner Tochter im Teenageralter. Angespannte Stimmung daheim. Dann lässt er die Fahrgäste zusteigen. Hilfsbereit, ein Profi eben. Wenige Minuten später, noch auf dem Weg zur Autobahn mit Ziel Graz im regelmäßigen Linienverkehr des Busunternehmer, kommt es zu einem verheerenden Unfall. Der Fahrer kollabiert sichtbar am Steuer, der Bus pflügt auf der Gegenfahrbahn durch die entgegenkommenden Pkw, fällt auf die Seite und brennt aus. Theo hat nicht überlebt. Alles ist zu diesem frühen Zeitpunkt möglich: typisches Augenblicksversagen, Herzinfarkt, technisches Versagen, erweiterter Suizid. Alles das wird in den intensiv gespielten sechs Episoden von wirklich hervorragenden Schauspielern dargestellt. Die Ermittlungen übernehmen sofort eine Spezialistin vom BAK und ein Kollege der Polizei. Bus und Pkw werden in einen Hangar abgeschleppt. Dort finden auch die Identifizierungen der Opfer durch die Angehörigen statt. Schritt für Schritt rekonstruiert das Team an Fundstücken aus dem Bus, wie es zu der Katastrophe komme konnte. Immer wieder mit jeder neuen Info, mit jedem neu auftauchenden Video setzt sich das Puzzle am Ende zusammen.

Filmische Wertung in der Welt

„Von diesen Dingen handelt „Hundertdreizehn“. Von Geheimnissen, von Ängsten, Traumata, von Doppelleben. „Hundertdreizehn“ ist eine Geschichte aus einem halben Dutzend Ermittlungen. Der Versuch herauszufinden, wie es kommen konnte, dass Theo, der Busfahrer, der erfahren war und die Strecke hätte blind absolvieren können, so derart die Kontrolle verlieren konnte, ist dabei einer von mehreren roten Fäden, von der die Hexalogie zusammengehalten wird“, schreibt die Welt in einer bestechenden Ausführlichkeit, die hier den Rahmen meines Blogs schlicht sprengen würde. Mir geht es darum, sie ein wenig in die Realität der Bus- und auch Transportbranche einzuordnen.

Das Doppelleben des Busfahrers

Der erste entscheidende Hinweis beginnt bei der Identifizierung des Fahrers. Es erscheinen gleich zwei Frauen, die mit ihm verheiratet sind. Die aus Berlin – und eine aus Graz, eine Tochter fast im selben Alter. Theo, der Busfahrer, hat also ein klassisches Doppelleben geführt. Da ich nun seit 37 Jahren eng mit der Logistikbranche vernetzt bin, weiß ich, dass es das gibt. Auch wenn es dem Image der Busbranche vielleicht gerade nicht förderlich ist. Betroffen ist natürlich der Busunternehmer, über 20 Jahre im Geschäft, der Bus gerade erst gewartet. Für ihn bricht eine Welt zusammen.

2024 starben in Deutschland 2.770 Menschen im Straßenverkehr. Hochgerechnet auf die durchschnittlich 113 betroffenen Personen pro Todesfall waren im vergangenen Jahr 313.010 Menschen persönlich oder beruflich mit einem tödlichen Unfall konfrontiert – so viele wie die Einwohner von Karlsruhe. Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), sagt: „Jeden Tag sind mehr als 850 Menschen von einem Verkehrsunfall betroffen. Dieses Leid ist kein Schicksal – es ist vermeidbar.” Und doch passiert es immer öfter. Kurz nach Veröffentlichung des Films, am 17. Oktober, meldet die Feuerwehr aus Niederösterreich einen verheerenden Unfall mit einem Reisebus, einem Lkw und einem Transporter. Über 20 betroffene Personen mussten an der Unfallstelle versorgt werden, eine Person verstarb.

Ein Blick hinter die Statistik

„Die Serie „Hundertdreizehn” zeigt, was die Zahlen bedeuten“, so Wirsch. „Hinter jeder Statistik steht ein Leben, das verloren geht – und viele Menschen, die zurückbleiben.

Geschwindigkeitsbegrenzungen und ein Alkoholverbot können das ändern. Das Bundesministerium für Verkehr darf nicht länger zögern.” Aber das sind auch nur zwei sicher sicherlich zutreffende Aspekte aus dem täglichen Wahnsinn, der sich besonders im größten Transitland Europas abspielt. Und über den ich mehrfach in meinem Blog berichtet habe.

Einblick in die Transportbranche

So findet das Ermittlerteam schnell heraus, dass der Bus an einer Spedition vorbeigefahren ist. Der Geschäftsführer, großartig gespielt von Armin Rohde, hat nämlich aus seinem Bürofenster gesehen, dass neben dem Bus ein Scania-Sattelzug fuhr. Immer wieder wird die Szene eingespielt. Doch hundertprozentig kann er es nicht bestätigen - oder will es auch nicht. Denn der Lkw gehörte seinem uralten Geschäftsfreund, ebenfalls einem Spediteur, Spezialisierung auf Osteuropaverkehre, mit allem, was derzeit real passiert. Keine Tarifbindung, osteuropäische Lkw-Fahrer hausen abseits in einer Kellerwohnung. Von Ausbildung keine Rede. Und dann will der Spediteur den eigentlich solventen Betrieb auch noch übernehmen.

Appell an die Angehörigen

Bereits im Juni hatte der langjährige Polizeidirektor Dieter Schäfer vom Verein „Hellwach mit 80 km/h“ genau dieses Thema bereits aufgegriffen, er fährt von Tagung zu Tagung und hat nun auch noch eine Hymne geschrieben, die vor allem auch in die Herzen der Ehefrauen, der Töchter oder Freundinnen der Lkw-Fahrer eindringen soll.

Doch ausgerechnet in der Serie „Hundertdreizehn“ um Busfahrer Theo sind es ja die Angehörigen, die den Unfall irgendwie mit zu verantworten haben. Und so, ich will die Serie hier nicht spoilern, läuft es auf ein Finale zu, dass die Welt als „Räuberpistole“ bezeichnet. Nur ein dezenter Hinweis: Linienbusse zwischen zwei regelmäßig frequentierten Städten werden wohl auch für andere Zwecke gern eingesetzt. Das ist wiederum realistisch.