Als Analyst liegt der Fokus auf der Identifizierung und Benennung von Potenzialen sowie von bevorstehenden Veränderungen. Ferner werden natürlich auch die Hersteller im Detail analysiert und verglichen. Das ist ein sehr gutes Fundament für die Beratung, wo es auch darum geht, kundenspezifisch Strategien zu erarbeiten und Potenziale zu nutzen. Jedoch bin ich zur Lkw-Industrie durch Interesse am Sektor gekommen.
Momentan sind die Mandate wesentlich getrieben von zwei Themenblöcken: einerseits von der Bewältigung der Coronakrise, andererseits von Themen um Elektrifizierung, autonomes Fahren und Konnektivität. In dem Maße, wie die Krise ausklingen wird, spielen auch wieder Sujets wie Wettbewerbsanalyse, Markteintritte sowie Produkt- und Servicedefinition eine Rolle. Das Thema Kostenreduktion bleibt dennoch wichtig.
Die Nachfrage wird hauptsächlich von der Wirtschaftslage getrieben, insbesondere von der Erwartung eines positiven wirtschaftlichen Ausblicks auf die nächsten Jahre. Aber nicht alle Märkte haben sich gleich schnell erholt. Zuallererst hat China extrem rasch angezogen, während sich der Rest der Welt noch in einem Nachfragetal befand. Inzwischen wächst auch die europäische Wirtschaft wieder stark, ebenso wie Amerika und andere große Märkte.
Der Coronaschock kam sehr überraschend. Ferner gab es keine Präzedenz für eine Orientierung, wie stark der Einbruch sein könnte. So kommt es, dass erst mal so schnell wie möglich Kapazität abgebaut wurde, was auf die Lieferkette signifikante Auswirkungen hatte. Jetzt wurde die Talsohle ziemlich schnell durchschritten – und es ist ein regelrechter Boom da.
Für Europa ein klares Ja. Aber die langen Lieferzeiten gelten auch für Nordamerika und die wichtigsten Märkte in Asien. Auch Südamerika steht zum Teil gut da. Auch wenn es dort Unterschiede zwischen den einzelnen Herstellern gibt.

Grundsätzlich gilt: Der Anspruch Chinas geht schon länger dezidiert darüber hinaus, kostengünstige Produkte in oft großen Mengen für den Weltmarkt zu produzieren. China ist auch ein Hightech-Standort geworden, der sich immer mehr durch innovative Technologien und Produkte auszeichnet.
Die chinesischen Lkw-Hersteller haben eine steile Lernkurve hinter sich, die allerdings ohne Joint-Venture-Partner so nicht verlaufen wäre. Aber gerade bei der Elektrifizierung des Triebstrangs oder dem autonomen Fahren gibt es in China beachtliche Erfolge. Mit einigen Produkten sind die Hersteller weltweit konkurrenzfähig, als Beispiel wäre das Unternehmen BYD bei Stadtbussen zu nennen.
Chinesische Firmen sind nicht nur ein immer stärkerer Spieler in Emerging Markets – vor allem in Afrika, wo diese Lkw inzwischen zunehmend etabliert sind. Es expandieren chinesische Hersteller auch noch auf eine gänzlich andere Art global, indem sie erhebliche Beteiligungen an führenden Herstellern erwerben. So geschehen bei Volvo AB sowie bei Daimler durch Geely-Gründer Li Shufu.
China ist mit Abstand der größte Lkw-Markt der Welt, diese Größe und das Potenzial haben viele Hersteller schon vor mehr als 20 Jahren nach China gelockt. Für Hersteller, die in das Massensegment wollten, waren 50 : 50-Joint-Ventures mit chinesischen Herstellern lange die einzige Option, auch wenn so oft unfreiwillig viel Know-how mit dem lokalen Partner geteilt werden musste. Die Joint Ventures, die jetzt aktiv sind, funktionieren besser. Das liegt an der Erfahrung aller Beteiligten und auch erheblich an Veränderungen in der Regulierung.
Die spielen schon länger eine größere Rolle, als die Zulassungsstatistik vermuten lassen würde – vor allem wenn es darum geht, den lokalen Herstellern zu zeigen, was technisch möglich ist. Durch veränderte Regularien werden Lkw aus Europa aber auch immer beliebter. Die lokale Produktion von ausgesuchten Modellen dürfte diesen Trend weiter beschleunigen, nicht zuletzt, weil so der Preis sinkt bei gleicher Qualität und Produktivität. Das setzt auch die lokalen Hersteller unter den Druck, besser zu werden.
Tendenziell würde ich an zwei Stichworte denken: Kooperationen und marktgerechte, lokal angepasste Entwicklung. Kooperationen werden global immer wichtiger, nicht nur innerhalb der Lkw-Industrie, sondern auch mit Firmen aus anderen Sektoren. Die Erfahrungen aus den China-Joint-Ventures können da wertvoll sein.
Das im Einzelnen zu beziffern, ist momentan sehr schwierig, da man dazu den spezifischen Produktmix und den jeweiligen Ausstoß jetzt bereits kennen müsste für die Jahre 2025 und 2030. 15 Prozent CO2-Reduzierung bis 2025 und nochmals 15 Prozent bis 2030 sind natürlich mit Maßnahmen am Triebstrang und der Aerodynamik niemals zu schaffen. Viel hängt also davon ab, was an alternativen Antrieben in diesem Zeitraum den Weg zum Käufer findet oder über verschiedene Anreize im Markt abgesetzt wird. Mich würde es eher überraschen, wenn die Vorgaben nicht erreicht würden.
Das würde ich so nicht sagen. Viele Hersteller werden schon in den nächsten ein bis zwei Jahren Zero-Tailpipe-Emission-Lkw anbieten, wenn auch erst einmal in Kleinserien. Bis 2025 werden wohl vor allem batterieelektrische Fahrzeuge ein wichtiger Hebel, um die EU-Vorgaben zu erreichen.
Vorteile der Batterietechnik liegen darin, dass diese Fahrzeuge schnell verfügbar sind und gerade im urbanen Raum kurzfristig in gewissen Transportbereichen anwendbar sind. Sicherlich profitieren die Lkw von der rasanten BEV-Entwicklung (BEV: batterieelektrische Fahrzeuge) bei den Pkw. Bei den Nachteilen sehen wir vor allem noch die Lebensdauer der Batterie, das Gewicht sowie die recht stark eingeschränkte und schlecht skalierbare Reichweite. Ein anderer Punkt bei BEV besonders für schwere Nutzfahrzeuge, ist die elektromagnetische Strahlung (EMS).

Grundsätzlich positiv. Wir gehen davon aus, dass sich Wasserstoff schlussendlich durchsetzen wird. Allerdings wird es wohl noch bis über 2025 hinaus dauern, bis diese Fahrzeuge tatsächlich in großen Stückzahlen produziert werden, denn es gibt momentan zahlreiche Herausforderungen. Sie brauchen idealerweise speziell für den Lkw entwickelte Stacks, die mit den anwendungsspezifischen Faktoren wie Vibrationen und Lastwechseln zuverlässig umgehen und über die Lebensdauer reibungslos funktionieren. Der Fortschrittsgradient war bisher nicht sonderlich gut. Aber viele Hersteller arbeiten jetzt an dedizierten Lösungen für die Anwendung im Lkw, sodass ein zuverlässiger Betrieb gewährleistet sein sollte, auch wenn es bis zur Serienreife noch dauern wird.
Das ist in der Tat bedauerlich. Ich fürchte, dass es durchaus Strömungen gibt, die den Verbrenner grundsätzlich als Feindbild identifiziert haben. Da wird oft gar nicht mehr differenziert und auf den wirklichen Ausstoß geachtet. Unter Berücksichtigung aller Faktoren wäre der Wasserstoffverbrenner sicherlich die sinnvollste Option, wie der Dieselmotor ersetzt werden könnte. Auch wenn man fairerweise festhalten muss, dass er systembedingt etwas weniger effizient ist.
Das Argument gegen Wasserstoff, er sei nicht effizient, stimmt am Ende nur bei einer ausschnittweisen Betrachtung. Denn grüner Wasserstoff aus beispielsweise Fotovoltaik ist theoretisch unbegrenzt vorhanden und kann global an Weltklassestandorten produziert werden. Deshalb greift das Argument der niedrigen Effizienz schlicht zu kurz.

Momentan halten wir es für eher riskant, sich dogmatisch auf eine Technologie zu fixieren, auch wenn eine Dualstrategie ihrerseits Nachteile hat. Hersteller sollten immer einen Plan B haben, falls es zu einem technischen Durchbruch kommt. Daher sind Allianzen in diesem Bereich sehr wichtig. Aus Skalengründen ist es trotzdem sinnvoll, wenn sich langfristig eine einzige Technologie herausbildet. Die Koexistenz verschiedener Antriebe sehen wir eher als Übergangslösung. Um die Frage klar zu beantworten: Wir tendieren für schwere Nutzfahrzeuge oder als Gesamtlösung gegenwärtig schon stark in Richtung Brennstoffzelle oder Wasserstoffverbrenner.
Ein wesentlicher Treiber war sicherlich das Risikomanagement. Wir sehen derzeit verschiedene Antriebsmöglichkeiten, um Klimavorgaben zu erreichen, wie Wasserstoff oder BEV. Die Entwicklung jeder dieser Antriebe ist mit sehr hohen Investitionen verbunden, gleichzeitig auch mit Unsicherheiten, denn aus Skalengründen wird sich langfristig eher nur eine Technologie durchsetzen und den Dieselmotor ablösen. Deswegen werden angesichts der hohen Ausgaben für die Entwicklung neuer Techniken die verschiedensten Schulterschlüsse gesucht. Dass sich die zwei größten westlichen Hersteller hier zusammengetan haben, war sicherlich ein guter Move. Das Vorantreiben von Partnerschaften gilt auch für andere Themenfelder mit unsicherem Umfeld.
Durchaus. Es ist zumindest in den USA wohl nur eine Frage der Zeit, bis das auf der Langstrecke kommt. Ich glaube aber, dass sich das autonome Fahren auch in Europa durchsetzen wird, ebenso wie in China und anderen Märkten. Je länger die Strecken und je besser die Straßeninfrastruktur, desto größer sind die Vorteile.
Im Wesentlichen sehen wir drei Ansätze: erstens den Aufbau eigener Fähigkeiten, wie es zum Beispiel Tesla vorantreibt und wie es auch Technologie-Player wie Google oder Tencent machen; zweitens den Kauf oder Einstieg bei Start-ups, wie es GM getan hat; drittens die Kooperation respektive das Sourcing der Komponenten von Zulieferern – so treiben Nvidia oder Intel oder auch Daimler das Thema voran.
Die Ansätze unterscheiden sich stark in ihren strategischen Implikationen etwa hinsichtlich Wertschöpfungstiefe und Positionierung in der Wertkette. Zwei Fragen sind hier entscheidend, die von den OEMs offensichtlich unterschiedlich beantwortet werden. Erstens: Wie schaffe ich die Einführung am schnellsten und effizientesten? Und zweitens: Welcher Wert liegt langfristig in dieser Technologie?
Darüber, wie differenzierend die autonomen Fähigkeiten sind, gibt es, wie oben diskutiert, offensichtlich unterschiedliche Auffassungen in der Industrie. Mit Sorge sehe ich, ob einige nicht die Bedeutung und auch die Geschwindigkeit der Entwicklung etwas unterschätzen. Natürlich sind der Motor sowie der restliche Triebstrang Hauptfaktoren bei der Differenzierung, da sie für die Zuverlässigkeit und die Kosten essenziell sind. Auch die USA haben dieses global vorherrschende Modell sukzessive übernommen.
In den USA hat der Komponenten-Lkw jahrzehntelang gut funktioniert, auch wenn so den Herstellern viel Umsatz entgangen ist. Gerade bei BEV-Lkw, wo die Batterie extern eingekauft wird und gleichwohl einen wesentlichen Teil der Kosten, aber auch der TCO ausmacht, wäre das sozusagen die Renaissance dieses Modells. In Zukunft werden Marken noch stärker über Service, Qualität und Dienstleistungen differenziert.
Vergessen Sie nicht: Tesla hat bislang immer geliefert, auch wenn sie beim anvisierten Liefertermin das Ziel manchmal nicht ganz eingehalten haben. Die Hürde, die jedes Start-up in dieser Industrie am Ende zu nehmen hat, ist, neue (disruptive) Technik zu entwickeln und diese in eine sehr anspruchsvolle Anwendung wie den Lkw zu integrieren. Das wird manchmal unterschätzt, ist allerdings essenziell, damit am Ende ein wettbewerbsfähiges Produkt auf den Markt gebracht wird. Und genau da – mit der Integration und Gesamtfahrzeugentwicklung – haben die etablierten Hersteller natürlich immense Erfahrung. Trotzdem sollte jedes Start-up ernst genommen werden; sollte ein Neuling einen technischen Durchbruch schaffen, so wäre das vielleicht auch ein interessanter Übernahmekandidat für einen etablierten Hersteller.
Komplexität und Kosten der notwendigen Infrastruktur werden klar gehebelt über die maximale Reichweite, die mit einem Tank beziehungsweise einer Ladung zurückgelegt werden kann. Hier sehen wir BEV-Lkw auch längerfristig eher im Nachteil gegenüber der Brennstoffzelle. Eine größere Batterie im BEV ist keine strukturelle Lösung, denn das bedeutet signifikante Anschaffungsmehrkosten, deutlich höheres Gewicht und schwieriges Packaging. Die Problematik der Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts wird vor dem Hintergrund der Straßeninfrastrukturrealität in vielen Ländern noch stark unterschätzt und dürfte keine dauerhafte Lösung sein.
Eine entsprechende Infrastruktur muss errichtet werden, und das wird teuer, wenn man bedenkt, dass schon ein Pkw-Schnelllader gegenwärtig circa 85.000 Euro kostet. Wenn nicht vorab entsprechend investiert wird, wird es schwer werden, Spediteure zu überzeugen. Andererseits stellen Ladestellen, speziell für den Fernverkehr, eine starke Belastung des Stromnetzes dar. Man sollte auch noch bedenken, dass heute die wenigsten Lkw an der Autobahnraststätte tanken, weil die Dieselpreise dort höher sind. Für den zukünftigen BEV-Lkw-Spediteur besteht auch immer die große Gefahr, dass der Besitzer der Ladeinfrastruktur die Notwendigkeit des BEV-Lkw, aufzuladen, weidlich ausnützt.
Skaleneffekte zu maximieren, ist sinnvoll und vollkommen verständlich. Man kann unter der Annahme von sehr günstigem Strom, einer entsprechend gut ausgebauten Ladeinfrastruktur und großen Fortschritten bei der Batterietechnik zu dem genannten Schluss kommen. Die Frage ist allerdings, wie wahrscheinlich dieses Szenario ist und welche Auswirkung das autonome Fahren auf das beabsichtige Laden in den Fahrerpausen hat. Es kann riskant sein, sich jetzt zu eindeutig festzulegen. Ich fürchte, dass es bei der Entscheidung für BEV oder die Brennstoffzelle knapp werden könnte, Fehlentscheidungen zu korrigieren. Deshalb raten wir von zu einseitigen Strategien ab. Es sollte nicht vergessen werden, dass es zur Einführung von Euro 4/5 die Diskussion um AGR oder SCR gab. Der eine oder andere Hersteller musste damals schnell umschwenken.
Das könnte in der Tat eine entscheidende Rolle spielen, ist aber nur einer von zwei wichtigen Punkten. Ein Wasserstoff-Lkw tankt schnell und hat dann eine hohe Reichweite, während ein batterieelektrischer Lkw alle paar Stunden für eine ganze Weile an die Ladestelle muss. Sollten eines Tages die Pausenzeiten der Fahrer nun keine Rolle mehr spielen, weil die Lkw ja autonom fahren, ist der Elektro-Lkw deswegen weiter im Nachteil. Fährt der Lkw echt autonom, dann kann er das theoretisch auch mit höheren Geschwindigkeiten als heute tun. Klar braucht auch der Wasserstoff-Lkw dann mehr Energie als bei niedrigerer Geschwindigkeit. Aber beim Elektro-Lkw nagt höherer Einsatz an Leistung um ein Vielfaches an der Reichweite.
Die Abspaltungen bringen Vorteile mit sich, was die Eigenständigkeit anbelangt. Obwohl man gerade bei neuen Technologien auch sieht, dass sich Pkw und Lkw annähern, Stichwort Elektrifizierung, Digitalisierung, Konnektivität – da besteht viel Synergiepotenzial. Andererseits wird es durch Separierung für Investoren leichter, sich hier oder da zu beteiligen. Und es sind punktuelle Kooperationen leichter machbar, wenn die Lkw-Sparten für sich allein stehen.
Das dürfte jetzt schon mehr sein als ein Achtungserfolg, was Ford inzwischen erreicht hat, bisher vor allem in südosteuropäischen Ländern.
Die neue Lkw-Generation ausschließlich für die Türkei zu entwickeln, in der die europäischen Hersteller immer präsenter wurden, hätte sich nicht gelohnt. Daher lag die Expansion nahe, um mehr Märkte anzusprechen. Ferner haben sich die Marktanforderungen gerade in Osteuropa immer mehr angeglichen, weshalb diese Entscheidung auf der Hand lag. Für manche Marken kann das schon kurzfristig zu mehr Wettbewerb führen. Ich fürchte, dass die Bedeutung mancherorts womöglich etwas unterschätzt wird.
Zur Person Roman Mathyssek
Roman Mathyssek ist in Amerika, Benelux sowie Deutschland und Schweden aufgewachsen, studierte International Business mit Schwerpunkt Finanzen in Maastricht.

Seine Karriere als Analyst für die Lkw-Industrie begann in London; sie führte den heute 41-Jährigen über das Analystennetzwerk von IHS und die AVL-Tochtergesellschaft Strategy Engineers zu Arthur D. Little. Dieses traditionsreiche Haus, 1886 in Boston gegründet, begann als weltweit erste Unternehmensberatung und war an der Aufstellung der ersten R&D-Abteilung von GM (1911) ebenso beteiligt wie an der Auslegung der Experimente für das Apollo-Programm der USA in den späten 60er-Jahren.