Der Freitagnachmittag ist bei einer mittelständischen Spedition der Tag, an dem sich der fachkundige Besucher ein erstes grundsätzliches Bild vom Betriebsklima machen kann. An diesem Freitag Anfang August steht bereits gut ein Drittel der Flotte frisch gewaschen auf dem Hof. Das soll nicht heißen, wie man es von anderen Transportunternehmen derzeit hört, es fehlten Fahrer oder Aufträge. Nein, im Gegenteil. Diese Fahrer von Herbert Köhler haben ihre Arbeit bereits getan und sind im verdienten Wochenende. Die anderen, wie etwa Michael Ritzke oder Holger Nitsche, betreiben Fahrzeugpflege oder stehen mit dem Lkw in der Werkstatt auf dem Betriebsgelände in Jerstedt bei Goslar.

Herbert Köhler übergibt nach 32 Jahren an seinen Neffen Tobias
Heute und am Samstag werden die Reparaturen durchgeführt, einige Fahrer sind gelernte Kfz-Mechaniker, da legen sie auch schon mal selbst Hand an. Wer würde das nicht tun, wenn ihm so ein exquisiter Fuhrpark zur Verfügung steht? Hinter dem mittelständischen Unternehmen steckt eine für die Branche eher ungewöhnliche Geschichte: "Den Grundstein für unser Logistikunternehmen legte Willi Köhler bereits 1937", erzählt der 40-jährige Geschäftsführer Tobias Köhler. "Willi Köhler wagte damals den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete ein Fuhrunternehmen, das sowohl die Wirren des Krieges als auch die schwere Nachkriegszeit überstand. 1986 ging aus seinem Fuhrunternehmen schließlich der Einzelbetrieb Herbert Köhler Transporte hervor. Das ist mein Onkel. Er hat mit drei Lkw begonnen. Herbert und seine Frau Heidrun werden nun im Laufe des Jahres aus der aktiven Geschäftsleitung ausscheiden." Schon immer hatte sich Köhler auf den Transport von Span- und Gipsplatten sowie Getränke spezialisiert. Die größte Fuhrparkerweiterung um gut ein Drittel erfolgte 2016 auf heute 40 Lkw. Ebenso ungewöhnlich: Fast alle Fahrzeuge sind gekauft und bleiben im Schnitt bis zu sechs Jahre in der exquisiten Flotte. Und die kann sich wirklich sehen lassen. Es dominiert die S-und R-Reihe von Scania, der neue XF von DAF, der Globetrotter von Volvo und, mittlerweile mit steigenden Zahlen, das letzte Modell des MAN TGX. "Die drei Iveco und die Mercedes-Benz Actros im Nahverkehr werden über kurz oder lang ausgetauscht", sagt Tobias Köhler. "Dazu sind alle Lkw mit Ledersitzen, TV und Standklimaanlage top ausgestattet.

Allein unser auffallender gelber Fuhrpark ist immer wieder ein Grund, warum sich auch in Zeiten des eklatanten Fahrermangels regelmäßig Fahrer bei uns bewerben." Zwei verschiedene Touren, jeweils von Sonntag bis Freitag, bestimmen die Arbeit der Fahrer. "Mit unseren Volumenaufliegern pendeln wir zwischen den großen Getränkehändlern und den Brauereien", sagt Holger Nitsche. Er fährt den allerersten Scania S 580, der im Raum Harz zugelassen wurde. "Den hat mein Chef auf der IAA 2016 gekauft. Sowohl mit Vollgut als auch mit Leergut sind wir vom Gewicht her ausgelastet." Er fährt etwa über die A 14 und die A 9 Richtung München. "Dort gibt es keine Überholverbote, ich kann die Leistung voll ausnutzen." Bei den Lade- und Entladestellen hat er Zeitfenster. "Das klappt ohne Probleme. Ich werde an einer Stelle be- und entladen. Besser kann es für mich nicht laufen." Der reibungslose Umschlag erklärt auch die hohe Laufleistung der Lkw mit den "kleinen Reifen", wie es intern heißt. Mit den "großen Reifen", übrigens alle ausnahmslos neue Reifen von Michelin, also dem klassischen Tautliner, ist dagegen Michael Ritzke unterwegs. Er hat mit seinem Scania S 480 als Hinladung Spanholz, erst als Rückladung Getränke. "Je nach Relation mache ich fünf bis sieben Touren die Woche." Wie alle Fahrer ist ihm das geregelte Wochenende wichtig – für die Familie und die Zeit bei der freiwilligen Feuerwehr.

Ganz gegen den aktuellen Trend im Transportgewerbe, bei dem nun immer mehr Fahrer Jobs im Nahverkehr suchen, ist die einzige Fahrerin bei Köhler, Skadi Knochenhauer, am liebsten die ganze Woche auf Tour. "Da kommt man mit der Einteilung der Lenk- und Ruhezeiten am besten klar", sagt sie. "Ich fühle mich hier pudelwohl." Als einer der letzten Fahrer kommt "Onkel Herbert" auf den Hof. Er betont, dass er in den letzten Wochen im Betrieb "kein Springer ist", sondern mit seinem eigenen festen Getränkeauflieger und jeweils einer freien Zugmaschine "nur zur Aushilfe fährt". Und er betont dabei, dass ihm als Fahrer die heutigen Lkw mit allem Komfort zu wenig abverlangten, ihm der extreme Verkehr allerdings auf die Nerven gehe. Er kann das Unternehmen nun mit Stolz seinem Neffen Tobias und dessen Frau Mandy übergeben. "Nach 32 Jahren ohne Urlaub und Krankheit kann ich endlich in den Ruhestand gehen."
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