Lkw-Fahren in Peru: Vom Lkw zum Schiff

Lkw-Fahren in Peru
Vom Lkw zum Schiff

Im zweiten Teil seines Südamerikareports beschreibt unser Autor seine Eindrücke auf dem Weg von Iquitos (Peru) bis nach Belém an der brasilianischen Atlantikküste. Drei Schiffspassagen waren für die knapp dreieinhalbtausend Kilometer lange Strecke auf dem Amazonas und einigen Nebenflüssen nötig.

Abenteuer Amazonas, FF 10/2023, Brasilien, Südamerika, Lkw, Fähren
Foto: Richard Kienberger

Den schmalen Streifen roher Erde oberhalb des Río Huallaga als Straße zu bezeichnen, wäre wohl zu viel der Ehre. Aber zumindest dient die Mischung aus Steinen, Sand, Rinnen und Schlaglöchern den Einwohnern von Yurimaguas, die am Ufer des Flusses zu tun haben, als solche. Vielleicht zweihundert Meter breit ist der Huallaga hier im peruanischen Amazonasbecken und tief genug, um auch für größere Schiffe befahrbar zu sein. Etliche liegen in Yurimaguas an den diversen Kais oder gleich direkt am Flussufer – doch ein Hafenviertel, in dem später einmal chice Wohnungen entstehen könnten, darf man sich darunter nicht vorstellen.

Die Umgebung passt zu der Straße: Wellblechhütten mit schiefen, teils löchrigen Vordächern, Betonbrocken und Baustahl (ehemals Bestandteile der Kaimauer), ein wildes Gewirr an Stromkabeln und in die Uferböschung getretene Trampelpfade. Ein Mann taucht mit einem langen Hanfstrick neben einem der massenhaft verbreiteten Dreiräder auf. Nachdem er gemeinsam mit einem Kollegen eine Weile lang an dem Strick gezogen hat, kommt ein Stier die steile Uferböschung hoch, das andere Ende des Seils um die Hörner gewickelt. Das störrische Rind soll nach dem Willen der Männer auf das dreirädrige Gefährt, das in Peru als Taxi und vielseitig verwendbares Nutzfahrzeug eingesetzt wird. Der Stier ist erkennbar anderer Meinung und geht einige Male durch, ehe er auf der Ladefläche des Motorrads festgezurrt ist. Die wacklige Fahrt auf drei Rädern ist ja nicht das einzige Abenteuer, das dem Tier an diesem Tag zugemutet wird, es war zuvor schon auf einem Schiff unterwegs.

Yurimaguas ist einer der Orte in Peru, an denen die asphaltierten Straßen ihr Ende finden. Was von hier aus weitertransportiert werden muss im riesigen Amazonasbecken, wird vom Lastwagen (oder vom Dreirad) auf Schiffe umgeladen: Für einige Millionen Menschen im Herzen Lateinamerikas ist die wichtigste Straße – der Fluss, an dem sie wohnen. Dabei geht es nicht nur um ein paar versprengte Außenposten der Zivilisation, sondern um bedeutende Orte wie Iquitos. Eine Großstadt mitten im Amazonasbecken, umgeben von Dschungel und nur aus der Luft oder auf dem Wasser erreichbar. In Brasilien hat es Manaus nicht zuletzt dank des Opernhauses zu einiger Bekanntheit gebracht. In der Metropolregion Manaus leben rund 2,7 Millionen Menschen; und richtig gut erreichbar ist auch diese Stadt nur aus der Luft oder auf dem Wasser. Den Job, diese Städte und die vielen Siedlungen am Flussufer mit allem Nötigen zu versorgen, müssen sich Schiffe und Nutzfahrzeuge also teilen.

Keine Gabelstapler, sondern Tagelöhner

Zurück nach Yurimaguas. Auch wenn die Dimensionen des "Hafens" dort nicht mit denen in Iquitos oder Manaus vergleichbar sind, lässt sich das Prinzip, nach dem der bimodale Transport auf Asphalt- und Wasserstraßen funktioniert, schon gut erkennen. Auffällig: Gabelstapler scheinen in dieser Region unbekannt zu sein, Tagelöhner schleppen die Lasten vom Land aufs Schiff oder umgekehrt und sind froh um den kargen Verdienst, den ihnen die Plackerei einbringt. Dabei ist ein guter Gleichgewichtssinn gefragt, denn meistens müssen die Träger ihre Last über schwankende Tropenholzbohlen auf die Schiffe oder von den Schiffen an Land balancieren. Manchmal werden die Güter auch von Hand zu Hand gereicht – das Wort "Lieferkette" bekommt bei dieser Art der Be- und Entladung eine ganz neue Bedeutung. Und es ist ja nicht nur ein störrischer Stier, der hier in drückender tropischer Schwüle umgeladen wird. In den Warenstapeln und Kisten am Ufer ist vom Klopapier über Bier (größere Mengen), von Früchten, weiteren Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis bis zur Unterhaltungselektronik alles zu finden.

Gut einen Kilometer stromaufwärts gibt es einen Platz, an dem die etwas größeren Schiffe anlegen. Hier sind auch größere Nutzfahrzeuge als der Zongshen Threewheeler oder ein abgenutzter VW Worker zu finden. Wie häufig in Peru, erlaubt eine Handvoll Trucks Rückschlüsse auf das ganze Bild: Hersteller, die in Europa oder Asien beheimatet sind, ein alter N10-Hauber steht stolz neben seinen Geschwistern aus Volvos neueren Baureihen, Leichtlaster werden ebenso gnadenlos vollgepackt wie Sattelzüge – und dazwischen parken oder fahren die allgegenwärtigen Dreiräder (in diesem Segment scheint sich Honda mit diversen chinesischen Marken einen harten Kampf um die Markthoheit zu liefern.) Träger schleppen Mehlsäcke auf ein Schiff, die meisten laden sich zwei der 30-Kilo-Säcke auf Kopf und Schultern. Auf einem anderen Boot sind Container gestapelt. Agenten überwachen das Verladen und achten darauf, dass auch alle Säcke, Schachteln oder Getränkekisten auf das Schiff kommen und der "Schwund" gering bleibt.

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