Ende November ist es soweit – und der eActros 600 rollt offiziell vom Band der bestehenden Montagelinie im Lkw-Werk in Wörth am Rhein. Parallel und flexibel neben den Diesel-Trucks starten die batterieelektrischen Fernverkehrs-Modelle in die neue Antriebszeit. Zuerst neben den etablierten Selbstzündern noch als kleines Pflänzchen, aber immerhin schon mit Vorschusslorbeeren gesegnet.
Über 2.000 fixe Bestellungen sind für den eActros 600 bereits eingegangen. 500 Kilometer ohne Zwischenladen verspricht der Hersteller. Dank der Vorrüstung für das Megawatt-Charging (MCS) soll später mit etwa einem Megawatt Leistung in rund einer halben Stunde genug Strom fließen, um die Akkus von 20 auf 80 Prozent aufzuladen. Bis dahin wird über den CCS-Standard immerhin mit 400 kW Energie getankt. Die Grundlage hierfür: die 621 kWh fassenden LFP-Batteriepakete, die quer zur Fahrtrichtung unten am Fahrzeugrahmen installiert sind. Für sie ist Platz, weil Daimler Truck mit dem eActros 600 auf das E-Achsen-Layout wechselt, statt beim üblichen Zentralantrieb mit Kardanwelle zu bleiben. Die E-Achse des eActros 600 stammt aus eigener Entwicklung und bringt es mit zwei E-Motoren auf 400 kW / 544 PS Dauerleistung. Ihre Kraft wird über ein ebenfalls in die Achse integriertes Vier-Gang-Getriebe auf die Räder übertragen.
Dass die E-Achse ihre Arbeit zuverlässig verrichtet, hat Daimler Truck mit der European Testing Tour unter Beweis gestellt: Über den Sommer haben sich dafür zwei eActros 600 auf eine Europa-Tournee begeben. Die Sattelzüge, die mit einem Standardauflieger über eine Nutzlast von etwa 22 Tonnen verfügen sollen, waren auf rund 40 Tonnen ausgeladen. Über 15.000 Kilometer kamen je Lkw zusammen, Strom nachgefasst wurde allein an öffentlichen Ladestationen. Der Verbrauch des Messfahrzeugs der Tour pendelte sich bei 103 kWh pro 100 Kilometer ein, bei einigen Tagesetappen wären rechnerisch auch Reichweiten von über 600 Kilometer ohne Zwischenladen möglich gewesen. Im Durchschnitt konnten rund 25 Prozent des Antriebsverbrauchs durch rekuperierte, also beim Ausrollen und Abbremsen zurückgewonnene Energie gedeckt werden.
„Wir haben unsere Vision für den nachhaltigen Transport der Zukunft schon vor Jahren vorgestellt. Die
IAA TRANSPORTATION 2024 steht für uns nun ganz klar im Zeichen der Umsetzung. Wir liefern batterie-elektrische Serienfahrzeuge in den Mengen, die unsere Kunden nachfragen“, erklärte der scheidende Daimler Truck CEO Martin Daum. Seine designierte Nachfolgerin und aktuelle Chefin von Mercedes-Benz Trucks, Karin Rådström, ergänzte: „Unser eActros 600 ist eine starke Alternative zu einem Diesel-Lkw – dank seiner Reichweite von 500 Kilometern mit einer Batterieaufladung. Mit seiner sehr hohen Energieeffizienz wird der eActros 600 für Flottenbetreiber zudem profitabel sein. Nun ist es unerlässlich, dass Politik, Energiebranche und Industrie gemeinsam den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur voranbringen.“
Daimler-Trucks verarbeiten Daten schneller
Technologievorstand Andreas Gorbach nahm die Digitalisierung in den Fokus. Die neuesten Daimler-Trucks verarbeiten Daten bereits heute bis zu 20-mal schneller als bisher. Um auch in Zukunft das volle Potenzial von Software zu nutzen und einen möglichen Quantensprung zu erzielen, sei es aber nötig, die Anzahl an dezentralen Steuergeräten mit unterschiedlichen Betriebssystemen zu reduzieren und die Mechatronik-Architektur neu zu definieren.
„Die Zukunft des Lkw ist emissionsfrei und basiert auf Software“, erklärte Gorbach. Mit einer schlanken Software-Architektur samt zugehörigem Betriebssystem soll es möglich werden, dass der Truck weit vor dem Mensch Gefahren erkennt und reagiert. Darüber hinaus könnte er Fracht- und Auftragspapiere automatisch übermitteln oder einen Parkplatz samt Ladestation reservieren. Denkbar sei auch, dass die Fahrer während der Ruhezeit virtuell an den heimischen Esstisch gelangen, auch wenn sie sich physisch im Lkw befinden. Zum Zwecke einer höheren Effizienz könnte die Rechenpower außerdem genutzt werden, um Topografie, Verkehr oder Strom- und Wasserstoffpreise in Echtzeit zu checken und daraus automatisch die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Die praktische Umsetzung dieser Vision will Daimler Truck in einem Gemeinschaftsunternehmen mit der Volvo Group schaffen. Das Joint Venture soll passende Rechner beschaffen und selbst das Betriebssystem entwickeln, auf dessen Basis wiederum Kundenapplikationen entwickelt werden könnten. Daimler Truck und die Volvo Group wollen mit diesen Lkw dann Software- und Hardware-Entwicklungszyklen voneinander entkoppeln und damit auch nach dem Kauf der Trucks das weitere Aufspielen und die Aktualisierung von digitalen Angeboten „over the air” ermöglichen.
Halle 19/20, Stand A73