Steigende Anzahl von Unternehmensübernahmen: Perfektes Match

Steigende Anzahl von Unternehmensübernahmen
Perfektes Match

Steigende Anzahl von Unternehmensübernahmen im Mittelstand: Grüßing und agotrans gehen an L.I.T. beziehungsweise Geis. Das sind die Gründe der Verkäufer.

Perfektes Match
Foto: Geis Gruppe, agotrans, Grüßing, Ebeling

Das Übernahme-Karussell in der Transport- und Logistikbranche dreht sich schneller denn je. Allein die Geis Gruppe kündigt die dritte Akquisition innerhalb von sieben Monaten an.

agotrans geht an die Geis-Gruppe

Nicht nur der dänische Logistikkonzern DSV kann es mit der Übernahme von DB Schenker – auch große Mittelständler ergreifen vermehrt die Chance, um durch eine Übernahme ihr Serviceportfolio auszubauen oder die Präsenz in weiteren Regionen zu stärken. So auch die Geis-Gruppe, die sämtliche Anteile der agotrans Logistik in Rodgau bei Frankfurt übernimmt. Bereits ab 1. Juli wird agotrans zu dem Unternehmen aus Bad Neustadt gehören. Das Familienunternehmen beschäftigt rund 120 Mitarbeiter und bietet deutschland- und europaweite Stückgutverkehre, Teil- und Komplettladungen sowie Kontraktlogistik sowie spezialisierte Automotive-Lösungen an.

Zum 1. April hatte Geis Gruppe bereits die beiden Standorte der Spedition Krüger in Göttingen mit 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, übernommen. Und zum Jahresanfang war es die Gras Gruppe mit Hauptsitz in Neuwied bei Koblenz, die unter das Geis-Dach zog. Das Unternehmen ist – wie Geis – Mitglied der Stückgutkooperation IDS Logistik; 470 Mitarbeiter sind an fünf Standorten in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg tätig.

Mit agotrans Logistik will Geis jetzt zum einen seine Präsenz im Rhein-Main-Gebiet stärken, zum anderen erhält die Rolle der Franken im IDS-Netzwerk eine neue Gewichtung. Mit agotrans will Geis zukünftig auch das Depotgebiet Aschaffenburg stellen. Bislang gehörten die Rodgauer zwar zur Kooperation Online Systemlogistik (OSL), Gespräche finden aber demnach schon statt. Als Ersatz für den ehemaligen IDS-Partner DSV Road Deutschland, mit dem IDS die Zusammenarbeit zum. 1 Januar 2026 beendet, arbeiten künftig auch die zwei Standorte von Geis Krüger Göttingen für das Stückgutnetzwerk und betreuen die Region Göttingen/Kassel.

"Die agotrans wird durch die Einbettung in das Geis Ökosystem profitieren"

agotrans-Inhaber Dr. Thomas Wernig bleibt noch bis Mitte 2026 im Unternehmen und gestaltet den Übergang gemeinsam mit der Geis-Geschäftsführung. Wernig stieg 2014 in das Familienunternehmen ein, seit dem Jahr 2018 führte er es als Geschäftsführer. „Ich bin froh, einen guten Partner mit den gleichen Werten gefunden haben. Die agotrans wird durch die Einbettung in das Geis Ökosystem profitieren und wir können unsere Kunden noch besser betreuen“, sagt er gegenüber trans aktuell.

Laut Wernig zeige sich in aktuell herausfordernden Zeiten, dass für die komplexen Geschäftsfelder von agotrans, und um den gewohnten Service bieten zu können, ein großes und weit umspannendes Netzwerk benötigt werde. Die Geis Gruppe sei hier das perfekte Match. „Mit dem Verkauf und der Übernahme durch die Geis-Gruppe wird die agotrans in eine krisenfeste Struktur eingebettet und profitiert von dem starken Fundament der ebenfalls familiengeführten Geis-Gruppe. Die Familie Geis und das gesamte Unternehmen steht für die gleichen Werte, die uns allen wichtig sind, und auch meinem Vater wichtig waren“, sagt Wernig auf Anfrage.

Grüßing Logistik und Grüßing Spedition gehören künftig zu L.I.T.

Neben Geis ist auch die L.I.T. Gruppe aktuell stark im M&A-Geschäft aktiv – Ende Mai wurde rückwirkend zum 1. Januar die Übernahme der Grüßing Logistik und Grüßing Spedition, beide mit Sitz in Westerstede/Moorburg, bekanntgegeben. Mit der Akquisition will die L.I.T. insbesondere das Know-how im Bereich der saisonal geprägten Pflanzenlogistik stärken. Dabei bleiben die Marke Grüßing sowie die beiden Standorte erhalten, auch die beiden Geschäftsführer Harald und Stefan Grüßing bleiben an Bord. Beide haben demnach mangels Nachfolge mit L.I.T. Perspektiven für das eigene Unternehmen gefunden.

Die Frage der Nachfolge spielte auch bei der Übernahme der Seidensticker Spedition aus Langenhagen (40 Mitarbeiter, 30 Fahrzeuge) durch die Georg Ebeling Spedition aus der Wedemark zu Jahresbeginn eine Rolle. Die Übernahme durch ein Unternehmen, mit dem Seidensticker schon in der Vergangenheit zusammengearbeitet hatte, war demnach für die Seidensticker-Brüder die beste Regelung (ein Interview dazu siehe unten).

Seit Ende 2024 wird die Käuferseite aktiver

Wie kommt es zu dieser großen Anzahl an Übernahmen? Ralf Jahncke, M&A-Experte und geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Transcare, hat in den vergangenen Monaten unter anderem die Übernahmen der Deisser-Gruppe und Grüßing begleitet. Er sagt: „Es gab einen starken Hochlauf an Mandaten zwischen 2021 und 2023, seit Ende 2024 wird die Käuferseite nun aktiver. Es stehen daher auch weitere Deals in den nächsten Monaten an“.

Jahncke hat nach eigenen Angaben aktuell 21 Mandate in den Büchern und sieht in der aktuellen Lage einen Schneeballeffekt in der Branche wirken. Im Rahmen dessen nehmen sich die Unternehmer von gut gehenden, mittelständischen Firmen ein Beispiel an anderen, die bereits verkauft haben. „Bei allen unseren Mandaten stehen die Firmen wirtschaftlich gut da. Gründe für einen Verkauf sind vielmehr auch der Wunsch nach mehr Lebensqualität, eine fehlende Nachfolge-Option oder die Frage, wie man mit einem Umsatz zwischen 5 und 25 Millionen langfristig erfolgreich in die Zukunft gehen kann“.

Größe und Marktpositionierung spielen eine Rolle

Laut Jahncke ist es gerade die Größe und Marktpositionierung von vielen Unternehmen, die neben der Lkw-Spedition auch Logistik betreiben und deren Überleben auf Sicht aber immer schwieriger werde. Nicht zuletzt, weil sie, anders als größere Unternehmen, sich bei notwendigen Preiserhöhungen nur mit zum Teil deutlich größeren Schwierigkeiten gegen die (Teil-)Ablehnung von Kunden durchsetzen können.

Auch Geschäftsführer Hendrik Ebeling hat eine Erklärung: „Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, Visionen zu entwickeln und umzusetzen und dabei noch das volle wirtschaftliche Risiko zu tragen. In Zeiten wie diesen ist dies keine leichte Aufgabe.“

Zwei Familienunternehmen unter einem Dach - Seidensticker und Ebeling

Aus Sicht von Seidensticker:

trans aktuell: Was war Grund für das Übernahmeangebot?

Stefan Seidensticker: Mein Bruder und ich haben uns Gedanken gemacht, wie wir unsere eigene Nachfolge regeln wollen. Innerhalb der Familie gab es keine Optionen. Mit Ebeling haben wir in den vergangenen Jahren immer schon partnerschaftlich zusammengearbeitet. Deshalb haben wir dort angefragt, ob Interesse an einer Übernahme besteht. Als Familienunternehmen wissen sie auch, wie wir ticken.

Es gab also keine wirtschaftlichen Gründe?

Die Spedition war gesund, sonst hätten wir sie ja auch nicht verkaufen können. Das Unternehmen alleine weiterzuführen, war für mich keine Option.

Wie haben die Seidensticker-Mitarbeiter auf die Übernahme reagiert?

Für das Team war und ist es wichtig, dass die Jobs gesichert sind. Und das sind sie bei Ebeling. Natürlich war erst mal alles neu und anders, aber inzwischen wachsen beide Teams gut zusammen. Ich bin selber Teil des Ebeling-Teams und helfe bei der Integration.

Aus Sicht von Ebeling:

trans aktuell: Was hat Ebeling dazu veranlasst, das Übernahmeangebot anzunehmen?

Hendrik Ebeling: Durch die Zusammenarbeit in der Vergangenheit wussten wir, wie Seidensticker aufgestellt war. Jetzt haben wir auf einen Schlag nicht nur viele neue Mitarbeitende bekommen, sondern auch die Kunden übernommen. Sie profitieren bereits vom unserem gesamten Dienstleistungsangebot.

Warum ist die Übernahme ein Gewinn für Ebeling?

Neue Kraftfahrer, neue Kunden. Dazu kommt das Know-how von Seidensticker in einer Nische im Im- und Exportgeschäft.

Welche Voraussetzungen erschweren aus Ihrer Sicht die Fortführung von Familienunternehmen im Bereich Transport und Logistik?

Die Unternehmensfolge ist nicht nur bei Familienunternehmen ein großes Thema. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, Visionen zu entwickeln und umzusetzen und dabei noch das volle wirtschaftliche Risiko zu tragen. In Zeiten wie diesen ist dies keine leichte Aufgabe. Teure Führerscheine und hohe Einstiegshürden verknappen das Personal. Stark steigende Kosten für Fahrzeuge, Personal, Berichtspflichten, Versicherungen, Ersatzteile und Klimaauflagen lassen sich im umkämpften Transportmarkt teilweise nicht auf die Kunden umlegen. Darunter leidet das Ergebnis und entsprechend auch die Substanz, vor allem bei kleineren Unternehmen. Hinzu kommt das zunehmende Risiken, Aufträge unverschuldet zu verlieren und in der Leasingfalle zu stecken.