Hochwasserkatastrophe Land unter – Logistik hilft

Foto: Nicole Rösgen 15 Bilder
Meinung

Auch unzählige freiwillige Helfer aus der Logistik halten aktuell die Versorgung der Hochwasseropfer in der Eifel und im Erftkreis aufrecht. In dieser unglaublichen Welle der Solidarität gibt es viel Engagement, das Mut macht.

Seit Tagen beherrschen die Bilder von überfluteten Dörfern und Straßen in der Eifel und im Erftkreis die Nachrichten. Eigentlich friedliche Flüsse wie die Ahr und die Erft wurden zu reißenden Strömen, die plötzlich so rasant anwuchsen, dass die Menschen kaum eine Chance hatten. Wie schnell das Wasser für Pkw- und Lkw-Fahrer kam zeigt die schier unfassbare Szene an der B265, einer Schnellstraße bei Erftstadt mit Verbindung zur A1 und A 61. Selbst Lastzüge gingen in den Wassermassen unter, in den umliegenden Gemeinden wurden Autos wie Spielzeuge weggeschwemmt, Keller liefen voll, Häuser stützten ein und hinterließen ein Trümmerfeld von noch unermesslichem Ausmaß. Strom- und Wasserversorgung brachen teilweise komplett zusammen.

André Hommen, der bei der Spedition Justen bereits den zweiten FERNFAHRER-Partnertruck steuert, ist wie so viele andere Lkw-Fahrer entweder Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks (THW). Er zögerte keine Sekunde, und fuhr mit Freunden aus seinem Motoradclub und der Familie noch am Freitag nach Iversheim an der B51 bei Bad Münstereifel, um dort einem Freund in Not zu helfen. „Die Zerstörung ist mit Worten kaum zu beschreiben“, sagt Hommen, „sogar Fässer mit Chemikalien lagen neben der Erft.“ Das ganze Wochenende machte er durch, räumte auf, half, den Schutt zu beseitigen. Die Bilder lassen ihn seither nicht mehr los,

Die große Welle der Solidarität

Es gibt so viele Geschichten zu erzählen, wie gerade die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer mit Hilfe ihrer Unternehmer seit Beginn der Flutkatastrophe eine unglaubliche Welle der Solidarität ins Rollen brachten. Lars Krivitz etwa, Fahrer der Kühlspedition March aus Rheinbach, war am Donnerstag auf dem Weg von Süddeutschland nach Hause in Erftstadt. Unterwegs erhielt er die Nachricht, dass er vorerst nicht mehr zurück in seine Wohnung in Friesheim könne. Auch das Gelände von March stand bereits seit Mittwoch unter Wasser. „Einige Lkw konnten noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden“, berichtet Lars. Er selbst fuhr seinen Kühlzug nach Köln, sein Arbeitskollege Dirk nahm in vorübergehend bei sich zuhause auf. „Bei March war die Kommunikation völlig zusammengebrochen, einige leitende Mitarbeiter wohnen im Einzugsbereich des Steinbachtalsperre, die jederzeit zu brechen drohte“, erzählt er. „Es waren viele Tage der Ungewissheit.“ Lars hatte Glück, die Wohnung blieb unbeschadet, die drei Töchter waren in Sicherheit.

Spontane Hilfsaktionen aus Fahrerkreisen

Seit der Web-Sendung "Spätschicht" kennt Lars Juliane Ritter aus Gießen, die im dritten BKF-Lehrjahr für das Entsorgungsunternehmen Kreiling fährt und am Freitag mit Klärschlamm auf dem Weg zur Entladung bei Remondis war. „Dort ist plötzlich die Hölle losgebrochen“, erzählt sie im Trailer zur 63. Sendung von FERNFAHRER live am 22.7., wo sie zu Gast sein wird. Eigentlich wollte sie mit Lars in Erftstadt einen Kaffee trinken. „Der hat mich noch angerufen und mir geraten, umzudrehen.“ Mittlerweile hat sie über ihr Netzwerk von vielen Einzelschicksalen gehört. Von einer jungen Familie etwa, die alles verloren hat, das Haus und das dreijährige Kind, das nicht mehr aus den Fluten zu retten war. Seit Tagen bereitet sie für dieses Wochenende eine konzertierte Aktion mit Abroll- und mit Kipperfahrzeugen vor. „Ich möchte den Menschen helfen, dort wieder ein normales Leben zu führen.“

Auch Ralf Kalalabis-Schick von der Spedition Rochow & Fröder, Initiator der Facebook-Gruppe „Lkw-Fahrer stehen zusammen“ und des „Kraftfahrerkreis Mittelhessen“, organisiert aktuell einen Hilfskonvoi im Kreis Marburg-Biedenkopf mit tatsächlich benötigten Dingen wie Lebensmitteln und Tierfutter. Der zweifache Familienvater will, wie er im selben Interview sagt, vor allem den Kindern helfen. Letztes Jahr organisierte er bereits einen großen Konvoi im Kreis Marburg-Biedenkopf, um Spendengelder für die Krebshilfe zu sammeln, nun organisiert der ehemalige Berufssoldat mit strategischer Präzision und guten Kontakten ebenfalls für dieses Wochenende einen Hilfskonvoi mit vielen anderen Fahrer aus seiner Facebookgruppe, dazu hat er über Paypal ein Spendenkonto eingerichtet. „Ich möchte schnell und unbürokratisch den Menschen in Not unmittelbar helfen.“

Der BGL richtet ein Spendenkonto ein

Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hat sofort ein Spendenkonto über die Landesverbände eingerichtet. Mittlerweile kommt eine Meldung nach der anderen, dass auch Konzerne wie BASF und Lidl mit Millionenbeträgen Soforthilfe leisten wollen. Denn nun, wo das Wasser zurückgegangen ist und Schlamm und Schutt hinterlassen hat, stellt sich etwa heraus, dass Nordrhein-Westfalen den Finanzrahmen für Sofortmaßnahmen nach Hochwasserkatastrophen eingeschränkt hatte. Auch wächst die Kritik an der Organisation des deutschen Katastrophenschutzes, im föderalen System der Bundesrepublik ist er Aufgabe der Länder, die dafür Unterstützung vom Bund erhalten, finanzieller und materieller Art oder durch Entsendung des THW. Bei der kritischen Aufarbeitung wird es besonders um die Frage gehen, ob die Menschen durch die örtlichen Katastrophenschutzbehörden rechtzeitig und effektiv vor der drohenden Unwettergefahr gewarnt wurden. Die Schäden an den Häusern und der Infrastruktur wären wohl nicht zu verhindern gewesen, die Zahl der bislang bekannten rund 170 Todesopfer hätte vielleicht nicht so hoch ausfallen müssen.

Gebraucht werden jetzt vor allem Trinkwasser, Medikamente, Notstrom und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch hier hilft die Logistik aktuell mit eigenen Kapazitäten. Jochen Köppen, Geschäftsführer der gleichnamigen Tankcontainerspedition aus Duisburg, brachte bislang höchstpersönlich 25.000 Liter Frischwasser in einem Lebensmitteltank von Hoyer ins ebenfalls zerstörte Bad Münstereifel. Von Bendorf bei Koblenz aus startete der Spediteur Andreas Normann im Planenzug mit Wassertanks voller Trinkwasser, einer Spende von Selters. Die sozialen Medien quellen regelrecht über von den Meldungen einzelner Firmen, die eigene Lkw mit Hilfsgütern in die betroffene Region senden, oder der Initiative BLV pro, in der wiederum Fahrer zusammen Transporte organisiert haben. Kaum hatte beispielsweise die Spedition March wieder Zugang zu ihrem Gelände, stellte sie das eigene Lager als Zwischenlager zur Verfügung.

Sperrmüll wird nicht gebraucht

Helmut Huhn, Fahrer bei Maintaler in Bruchköbel, setze sich am Sonntag zwischen zwei Touren noch in einen Transporter und brachte Hilfsgüter von der Sammelstelle „Das Bett“, einem Club in Frankfurt, nach Berg-Krälingen in der Eifel. Auch er machte Bilder von teils gespenstischer Wirkung, diese Eindrücke werden ihn noch lange begleiten. Was ihn ärgert, ist, dass manche Spender offenbar einfach ihre eigenen Kellner vom Sperrmüll befreien. „Kein Mensch wird mir sagen können, was Menschen, die gerade alles verloren haben, mit dreckigen Blumentöpfen anfangen sollen“, sagt Helmut. „Das verärgert auch die Helfer vor Ort. Denn das muss dann auch entsorgt werden.“ Mittlerweile ist Helmut wieder regulär mit seinem 40-Tonner unterwegs.

Seit Montagabend funktioniert auch die Kommunikation bei der Spedition March wieder, die Mitarbeiter können zurück in ihre Häuser, aus denen sie evakuiert waren, Lars Krivitz hat sich mit Kühlgut auf den Weg nach Dänemark gemacht. Für ihn eine erholsame Tour, wie er am Telefon erzählt. Auch André Hommen ist wieder auf dem Weg ihn die Schweiz, seine Familie und seine Freunde sind beim gemeinsamen Freund geblieben, um ihm weiter zu helfen. „Sie mussten nur für zwei Stunden die Arbeit einstellen, weil unter den Trümmern eine Leiche gefunden wurde.“

Terminhinweis

Zur großen Solidarität in der Logistik gibt es am 22. Juli 2021 ab 17 Uhr eine Sendung von FERNFAHRER live. Juliane Ritter und Ralf Kalabis-Schick berichten über den letzten Stand der Vorbereitungen ihrer Hilfsaktionen, André Hommen schildert den ersten noch recht unkoordinierten Einsatz der Ersthelfer, Mitarbeiter der Spedition March erzählen, wie sie ohne Möglichkeiten der Kommunikation den Betrieb aufrechterhalten haben, der BGL ordnet die Fragen nach den möglichen Ausnahmen für hilfsbereite Fahrer und Unternehmer ein, Thomas Nissen von der KRAVAG beleuchtet branchenrelevante Fragen der Versicherung. Und wir werden einen Experten der Autobahn GmbH aus Köln begrüßen, der uns etwas über den Zustand der Infrastruktur insbesondere über die schwer beschädigte A1/A61 im Erftkreis sagen kann.

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