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Fahrpersonal aus Osteuropa Eastrecruiting vermittelt Fachkräfte

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Robert Geisthardt von der Personalvermittlungsagentur Eastrecruiting vermittelt Fachkräfte aus Osteuropa. In der KEP-Branche ist das schwierig.

Fahrpersonal aus Polen, Bulgarien oder Rumänien sind in Deutschland keine Seltenheit. Deutsche wollen den Knochenjob als Paketzusteller häufig nicht mehr machen, weil er nicht angemessen bezahlt wird und sie zu viele Stunden im Fahrzeug verbringen müssen. Im Gegensatz dazu wittern Osteuropäer eine Verdienstmöglichkeit in der KEP-Branche. Viele sind deshalb bereit, über Wochen oder Monate ihr Zuhause zu verlassen. Sie hoffen, in Deutschland so viel Geld zu verdienen, um im Heimatland ihre Familien gut versorgen zu können.

"An uns treten viele KEP-Unternehmen heran. Der Bedarf an Personal ist groß, weil die Sendungsmengen immer weiter steigen", sagt Robert Geisthardt, Geschäftsführer der Personalvermittlungsagentur Eastrecruiting. "Personal aus Osteuropa an KEP-Dienste zu vermitteln, ist aber nicht ganz einfach", fügt er hinzu. Zwar biete die KEP-Branche ein relativ geringes Einstiegslevel, genau das sei aber auch ein großes Problem. "Ausländer, die wir vermitteln, finden häufig nicht die Bedingungen vor, die die Unternehmen im Vorfeld angekündigt haben", bedauert er. Wie etwa angemessenen Wohnraum. Häufig müssen sie mit einigen Kollegen eine enge und oft auch dreckige Unterkunft teilen. Es könne dabei zu Konflikten kommen, wenn diese mit ihren unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Sitten aufeinander treffen.

Probezeit wird oft nicht bezahlt

Dazu kommt, dass diese Arbeitskräfte, um die Touren kennenzulernen, eine Probezeit absolvieren, die die Unternehmer manchmal gar nicht oder nicht voll bezahlen. Eine bezahlte Einarbeitungszeit stehe aber jedem neuen Mitarbeiter zu. Es komme vor, dass Fahrer viele Überstunden leisten, ohne dafür entlohnt zu werden. Hier argumentierten Unternehmer , dass die Touren auf acht Stunden ausgelegt seien. Brauche einer länger, sei das sein Problem. "Wir sollten das vorher wissen, damit sich die Arbeitskraft darauf einstellen kann", sagt er.

Viele, vor allem kleinere Unternehmer, legen die Karten nicht auf den Tisch, bemängelt Geisthardt. "Sie wollen möglichst billiges Personal, dem sie am liebsten einen Teil schwarz bezahlen", fügt er hinzu. So rechnen sie beispielsweise 1.000 Euro sozialversicherungspflichtig ab, den Rest gibt es bar auf die Hand. "Das machen die von uns vermittelten Arbeitskräfte aber nicht mit. Sie wollen, dass alles sauber läuft", betont er. Viele geben deshalb schnell auf, die Fluktuation ist hoch. Stellt sich heraus, dass sie nicht oder nur teilweise bezahlt wurden, bekommen sie eine zweite Vermittlungschance. "Bekommen wir mit, dass der Arbeiter unzuverlässig, unpünktlich oder vielleicht sogar alkoholisiert gearbeitet hat, dann natürlich nicht."

Oftmals sollen die Osteuropäer als Subunternehmer tätig werden, damit der Unternehmer sich den Arbeitgeberanteil an den Sozialleistungen spart. Doch daran haben die Arbeitskräfte in der Regel wenig Interesse, denn dazu müssten sie sich mit dem Unternehmertum in Deutschland auseinander setzen sowie kaufmännische und rechtliche Kenntnisse erlangen, um nicht von vornherein zu scheitern. Die Mitarbeiter, die Eastrecruiting entsendet, seien alle sozialversicherungspflichtig angestellt. "Wir überprüfen das auch", betont Geisthardt. "Und wir raten den Unternehmern, den Leuten ein gutes Einstiegsgehalt zu zahlen."

Nicht immer sind Deutschkenntnisse gefordert

KEP-Unternehmer, die Personal von Eastrecruiting einsetzen, bezahlen der Vermittlungsagentur eine Provision von 100 Euro pro Monat und Person – so lange, wie der Arbeiter bei der Firma tätig ist, maximal aber 15 Monate. Nicht immer sei gefordert, dass Mitarbeiter aus Polen oder Rumänien deutsch können müssen. Es gebe Unternehmer, die die jeweilige Sprache selbst oder die Mitarbeiter haben, die polnisch oder rumänisch sprechen. Andere verlangen, dass die Arbeitskraft deutsch verstehen können muss, weil sie direkten Kontakt mit den Empfängern und damit Kunden hat.

Wer Personal aus dem Osten einsetzen will, sollte sich an eine seriöse Recruiting-Firma wenden. Zu finden sind diese über Suchmaschinen im Internet. Wer beispielsweise "Recruiting-Firma Polen" eingibt, bekommt eine Liste mit Webseiten verschiedener Unternehmen angezeigt. Genau das hat Michael Mlynarczyk, Geschäftsführer von MMK Frachtdienste aus Dortmund getan, der trotz seines polnischen Nachnamens keine Wurzeln in Osteuropa hat. "Die Kosten für die Vermittlung des Personals halten sich in Grenzen", sagt er. Einige Agenturen stellen für die Vermittlung einmalig einen Betrag zwischen 1.500 und 2.000 Euro in Rechnung, sofern der Mitarbeiter mindestens drei bis vier Wochen in Deutschland bleibt. Andere rechnen nach Qualifizierungsgrad des Personals ab. So kostet beispielsweise eine ungelernte Hilfskraft 100 Euro, für eine Hilfskraft mit Erfahrungen als Fahrer oder Kurier werden monatlich 150 bis 200 Euro Vermittlungsgebühren fällig.

"Wir haben mit drei Leuten angefangen", sagt Mlynarczyk. MMK hat diese Mitarbeiter bei Kranken- und Rentenkasse sowie Arbeitslosenversicherung angemeldet. Zudem war bei allen bürokratischen Fragen, Behördengängen und der Wohnungssuche behilflich. "Wir wollen, dass sie übersiedeln, ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland einrichten und hier mit ihrer Familie leben", betont er. Dass das von ihnen erwartet wird, hat der Recruiter ihnen gesagt.

Das Geld am liebsten bar auf die Hand

Doch schon nach kurzer Zeit gab's Probleme. Denn Zweien sei das alles egal gewesen, sie wollten weder die Versicherungen, noch zu viel für die Unterkunft bezahlen und am liebsten das Geld bar auf die Hand, damit sie davon so viel wie möglich nach Polen schicken können. "Das haben wir nicht mitgemacht und so waren sie schnell wieder weg", fügt der MMK-Geschäftsführer hinzu. Genau das will der Unternehmer nicht unterstützen. "Viele wollen das aber so und spielen ihrerseits mit falschen Karten“, sagt er. Mlynarczyk vermutet, dass die beiden bei einem anderen Unternehmer zu deren Bedingungen untergekommen sind. Osteuropäer würden sich nicht mit Unternehmen identifzieren, „sondern fühlen sich dem zugehörig, der das meiste Geld oder schwarz zahlt", ärgert er sich.

Inzwischen sei auch der dritte Mitarbeiter auf den Trichter gekommen, dass 480 Euro Miete ganz schön viel seien. Landsleute von ihm erklärten ihn für bescheuert, in die deutsche Kranken- und Rentenkasse einzuzahlen. Man würde ihn rauswerfen, sobald er krank werde und er wolle sich ohnehin nicht in Deutschland zur Ruhe setzen. "Plötzlich will er 2.000 Euro schwarz und eine billigere Wohnung haben", erzählt Mlynarczyk. Davon, dass er seine Frau und seinen Sohn nach Dortmund holt, sei keine Rede mehr.

"Ja, vielleicht wollen die Fachkräfte aus dem osteuropäischen Ausland auch mal schwarz bezahlt werden. Spricht sich das aber herum, hat dieses Unternehmen bei künftigen Bewerbern ein negatives Image", fügt Geisthardt hinzu. Die meisten wollen nicht riskieren, erwischt und möglicherweise mit einer lebenslangen Sperre für den deutschen Arbeitsmarkt bestraft zu werden. "Ich weiß aber auch nicht immer, was vor Ort passiert", sagt er. MMK-Geschäftsführer Mlynarczyk hat seine Strategie geändert. Er will künftig keine Fahrer, sondern gemeinsam mit Geisthardt von Eastrecruiting Unternehmer aus Osteuropa nach Deutschland holen. "Wir wollen Start-ups coachen und beraten, damit sie sich hier erfolgreich eine Existenz aufbauen können", erzählt er.

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