Kühne + Nagel-Vorstandschef Dr. Detlef Trefzger warnt vor den Folgen eines harten Brexits. Kein Brexit sei die beste Lösung, sagt er im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.
Dr. Trefzger: Tee. Am liebsten Darjeeling first flush, direkt von den Farmern in Indien. Und zwar schwarz, ohne Milch und Zucker.
Der Brexit belastet die Nachfrage und gefährdet das Niveau des Wohlstands in Europa. Er wird zu abgeschnittenen Produktions- und Warenströmen führen und damit massive Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft haben. Logistikdienstleister werden die zusätzlichen administrativen Aufgaben in der Sendungsabwicklung etwabei der Zollabwicklung für ihre Kunden lösen und den Mehraufwand dafür weiter verrechnen. Der Brexit hat seinen Preis: Der Warenaustausch wird teurer und der Verbraucher wird es zu spüren bekommen.
Harter oder weicher Brexit – würden Sie eine Wette eingehen?Nein, dafür ist mir das Thema zu ernst. Kein Brexit ist die beste Lösung. Wenn sich der Brexit aber nicht vermeiden lässt, dann muss er weich, transparent und mit klaren Regeln und Prozessabläufen hinterlegt sein. Ein harter Brexit führt zu Chaos. Tatsächlich werden wir uns leider darauf einstellen müssen, dass vieles bis zuletzt unklar bleiben wird. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass auch die EU und ihre Institutionen dialog- und kompromissbereit bleiben.
Was bedeutet der drohende Brexit für Ihre Landesorganisation?Kühne + Nagel hat in Großbritannien eine große Landesgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitarbeitern. Einerseits haben wir dort ein sehr starkes nationales Geschäft, darunter viele Kontraktlogistik-Lösungen, die nur mittelbar betroffen sein werden. Viele Aktivitäten sind aber mit unseren internationalen Netzwerken verbunden, etwa im Landverkehr. Auch im Verzollungsgeschäft müssten wir für unsere Kunden zusätzliche Leistungen erbringen.
Ist Ihre Landesgesellschaft auf die möglichen Szenarien vorbereitet?Wir sind vorbereitet und werden für unsere Kunden die passenden Lösungen finden. Wir haben Krisenszenarien erarbeitet und bereits getestet, etwa für alternative Versorgungswege, da die Infrastruktur südlich von London nicht sonderlich leistungsfähig ist. Und wir haben zum Beispiel zusätzliche Frachtkapazitäten in der Luft- und Seefracht gesichert. Logischerweise sprechen wir auch über entsprechende Lagerkonzepte – aber nicht erst seit gestern. Die Entwicklung des Pfundkurses oder des britischen Bruttoinlandsprodukts sprechen eine deutliche Sprache. Für uns ist die Situation nicht bedrohlich, aber volkswirtschaftlich sehe ich für Großbritannien große Risiken. Der Brexit wird auch Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Europa haben.
Welche Erkenntnis setzt sich hier durch?Das ist völlig unterschiedlich. Generell gilt: In einer eng vertakteten Welt, bei offenen Grenzen und integrierten Prozesabläufen kann die Produktionsversorgung mit hunderten beziehungsweise tausenden von Teilen durch logistische Versorgungsketten taktgenau sicher gestellt werden. Mit dem Brexit wird dies nicht mehr so reibungslos möglich sein. Daher kann es im Einzelfall sinnvoll sein, zusätzliche lokale Lagerkapazität aufzubauen. Ab einer bestimmten Größenordnung und Komplexität der Produktion wird dies allerdings sehr schnell unrentabel. Unsere Kunden bauen deshalb vereinzelt, aber keineswegs systematisch Lagerbestände auf. Auch für die Versorgung mit Nahrungsmitteln oder Pharmazeutika gilt, dass die Industrie, der Handel und die Logistik klare Regeln und Prozesse für die Zeit nach dem Brexit benötigen.
Können Sie dafür ein Beispiel geben?Es gibt Pharmaprodukte, die in Kontinentaleuropa zugelassen sind, von denen aber zurzeit niemand weiß, ob sie ohne eigene Lizenz künftig in Großbritannien verkauft werden können.
Nein, denn beim Bezug von Tee aus Commonwealth-Ländern gelten andere Regeln. Das ist gut, denn ich würde nur ungern auf meine Tasse Darjeeling verzichten wollen.
Einen Bericht zur Entwicklung von Kühne + Nagel im Jahr 2018 und den weiteren Plänen 2019 lesen Sie hier.