Dachser-Chef Bernhard Simon würde den Anteil der Elektro-Lkw gerne ausbauen, doch fehlt das Angebot. "Es dauert alles viel zu lange", kritisiert er im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.
Simon: Das brauche ich nicht. Beim Sport stellt sich die Freude bei mir dann ein, wenn ich meine Muskeln spüre. Das ist manchmal mit Schmerzen verbunden, doch sonst stellt sich kein Leistungseffekt ein. Ich freue mich daher, per Muskelkraft und damit ohne Elektroantrieb Sport zu treiben.
Noch nicht. Ich denke auch nicht, dass dies unbedingt erforderlich ist, um sich ein Urteil über dieses Fahrzeug zu bilden. Ich komme zum Beispiel auch ganz gut ohne Lkw-Führerschein aus.
In Stuttgart ist das Lastenrad Teil Ihres Distributionskonzepts. Sie haben dort ein vier Quadratkilometer großes emissionsfreies Liefergebiet eingerichtet. Wie hat sich das Rad dort bisher bewährt?Das Lastenrad ist immer dort ein integraler Bestandteil unseres Lieferkonzepts, wo wir es mit erheblicher Luftverschmutzung zu tun haben. In diesen sensiblen Gebieten können elektrisch unterstützte Lastenräder, in der entsprechenden Frequenz eingesetzt, eine bedeutsame Rolle spielen, indem sie Kleinsendungen, aber auch palettierte Ware bis 200 Kilogramm befördern. Man darf den Lastenradanteil im Netzwerk aber auch nicht überbewerten. Er wird nicht mehr als 0,5 Prozent der Gesamttonnage ausmachen.
Doch ist, was technisch funktioniert und sich offenbar in Ihre Prozesse integrieren lässt, auch wirtschaftlich?Wirtschaftlich ist das Ganze nur dann, wenn man vorher sehr genau die Verkehrsgebiete analysiert, sich die Stopphäufigkeit sowie die Empfänger- und Warenstruktur anschaut und berücksichtigt, dass bei Paletten mit 200 Kilogramm Schluss ist. Sinnvoll für unser Unternehmen ist wie in anderen Bereichen auch die Zusammenarbeit mit Partnern – im Fall von Stuttgart mit dem Anbieter Velocarrier.
Das heißt, auch Lastenräder wird Dachser nicht selbst betreiben?Der Lastenradeinsatz benötigt entsprechende Expertise, das macht man nicht im Nebenjob. Es gibt spezialisierte Unternehmen, die durch Bündelung von Verkehren eine hohe Frequenz erzielen und auch über den benötigten Fahrerpool verfügen. Daher setzt Dachser in diesem Bereich auf Kooperation.
Inwiefern honoriert es der Kunde eigentlich, dass Sie emissionsfrei zustellen?Besondere Umweltschutzmaßnahmen finden in der Preisbildung zumeist wenig Nachklang, dem muss man sich realistisch stellen. Über Umweltthemen kann man keine zusätzlichen Kunden gewinnen. Sie verschaffen uns jedoch die Möglichkeit, vor Ort stärker wahrgenommen zu werden und ins Gespräch, auch mit möglichen neuen Kunden, zu kommen.
Wie lässt sich Ihr Stuttgarter Modell auf andere belastete Städte übertragen?Die Bedingungen in den belasteten Städten sind nie völlig identisch, weshalb wir unser Konzept immer den Gegebenheiten vor Ort anpassen. Dachser hat dazu eine Toolbox entwickelt – also einen Koffer, der für jede Stadt das passende Werkzeug bereithält. Die Unterschiede beginnen bei den Verordnungen und gehen bis zur Geo- und Topografie. Zu prüfen sind darüber hinaus zahlreiche Logistik- und Infrastruktur-Gegebenheiten.
Nämlich?Zu prüfen ist zum Beispiel, ob es Möglichkeiten zur Kooperation mit anderen Logistikdienstleistern gibt. Was die Infrastruktur angeht, müssen unsere Verantwortlichen vor Ort herausfinden, ob die Städte Microhub-Modelle erlauben, wie es um die Ladeinfrastruktur für Gas- oder Elektrofahrzeuge bestellt ist, ob es ausreichend Haltebuchten gibt und ob eine Belieferung in der Nacht möglich ist.
Mit welchen weiteren Kommunen sind Sie noch im Gespräch?Wir sind mit den Verantwortlichen in etwa 20 Ballungsräumen im Gespräch. Kurz vor oder in der Umsetzung sind Dachser-eigene Lieferkonzepte in Köln und Freiburg, auch dort sollen E-Lkw, so sie denn verfügbar sind, in Verbindung mit Lastenrädern zum Einsatz kommen. In Paris ist unser Citylogistik-Projekt bereits vorangeschritten, dort steht der Gasbetrieb im Vordergrund. Auch in Kopenhagen haben wir bereits viel in Zusammenhang mit der Luftreinhaltung unternommen.
Sie betreiben bereits zwei Fuso eCanter und erwarten in Bälde Ihren ersten eActros. Würden Sie gern in größerem Stil Elektro-Lkw bestellen?Leider stehen die Elektro-Lkw noch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. Den kompletten Nahverkehr können wir in absehbarer Zeit also nicht ohne Weiteres elektrifizieren. Es dauert alles viel zu lange. Ein wenig verhält es sich, wie man sich die Warteschlangen in der ehemaligen DDR vorstellt – mit dem Unterschied, dass wir zusätzlich noch Eintritt bezahlen müssen. Logistikdienstleister müssen bei aller Ungeduld aber auch akzeptieren, dass die technologische Entwicklung beim Lkw deutlich anspruchsvoller als beim Pkw ist. Es gibt physikalische Grenzen, die Technologiesprünge lassen sich nicht so schnell realisieren wie beim Pkw.
Ist die Elektromobilität für Dachser der Antrieb der Zukunft?Wir beschäftigen uns schon sehr lange mit alternativen Antriebskonzepten und halten auch Elektromobilität für einen sinnvollen Zwischenschritt. Sie wird sich wahrscheinlich sehr lange halten, ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss.
Bei Pkw stellt sich die Umweltbilanz erst bei einer Fahrleistung von 150.000 Kilometern positiv dar. Die Rohstoffe müssen langfristig verfügbar und die Stromnetze leistungsfähig und stabil sein. In der ganzen Diskussion geht leider unter, dass auch der Diesel noch Potenzial hat und in seiner weiteren Entwicklung noch nicht am Ende ist. Wird er weiterhin mineralisch hergestellt oder gibt es Alternativen? Ich bin kein Freund von Biokraftstoffen, doch auch das gilt es zu prüfen. Den Antrieb der Zukunft sehe ich in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Leider floss in den vergangenen Jahren viel zu wenig Forschungsgeld in diese Bereiche. Die Konzentration auf die E-Mobilität hat alles überstrahlt.
Zur Person
- Bernhard Simon, Jahrgang 1960, ist Vorstandsvorsitzender (CEO) des Logistikdienstleisters Dachser. An der Firmenspitze steht er als Sprecher der Geschäftsführung seit 2005.
- Nach Abitur und Ausbildung bei Dachser studierte der Enkel von Firmengründer Thomas Dachser BWL an der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg. Danach absolvierte er ein Senior-Executive-Programm in Harvard, USA.