Spätestens seit den "glorreichen" 80er- und 90er- Jahren, wie es in Erinnerung an den nun verstorbenen "Auf Achse"- Helden Manfred Krug gerne heißt, gehört die schriftliche Lüge zum Alltag der Lkw-Fahrer. 2011 hat sie Jochen Dieckmann in seinem Buch "Geschlafen wird am Monatsende" detailliert beschrieben: Die Bescheinigung über berücksichtigungsfreie Tage, besser als Urlaubsbescheinigung bekannt. Kam er von seiner Tour aus Nordafrika zurück, da lag sie schon in seinen Papieren für die nächste Tour. Im Prinzip bescheinigt sie dem Fahrer, dass er nach der Tour ein freies Wochenende hatte. Sonst hätte er ja spätestens alle 24 Stunden in seinem Lkw eine neue Tachoscheibe einlegen oder diese Zeit auf der Rückseite per Hand nachtragen müssen.
Das hat damals kaum ein Fahrer gemacht – und es wurde von der Polizei auch nie konsequent kontrolliert. Doch für Dieckmann gab es keinen Ausflug an den Strand, was man unter dem vom Chef per Papier bescheinigten "Urlaub" ja vermuten könnte, sondern es ging sofort wieder ans Steuer und retour nach Nordafrika.
Seit Mai 2006 ist der digitale Tachograf Pflicht
Zwar mit einem gewissen Schuldbewusstsein, aber der betonten Erkenntnis, die man heute immer noch bei anderen Tricksereien mit dem Tacho gerne von den Fahrern hört: Mache ich es nicht, macht es halt ein anderer. Seit Mai 2006 ist nun der digitale Tachograf Pflicht. Zehn Jahre später gibt es tatsächlich noch Transportunternehmen wie das nun in Hof aufgeflogene (siehe S. 10), die ganz bewusst ältere Fahrzeuge kaufen, um ihren Fahrern die Möglichkeit zu erhalten, mit dem analogen Tachografen zu tricksen. In der europäischen Amtssprache geht es heute um den sogenannten Lückenschluss.
Das Fahrpersonalrecht fordert von Fahrern beziehungsweise Unternehmern, die aufzeichnungspflichtige Fahrten durchführen, einen lückenlosen Nachweis über die in der Vergangenheit und am aktuellen Tag erbrachten Lenk-, Pausen-, Ruhe-, Arbeits- und Bereitschaftszeiten sowie Tage des Urlaubs und der Krankheit, im Endeffekt also einen Nachweis aller (Nicht-)Tätigkeiten rund um die Uhr. "Bei Straßenkontrollen müssen diese Nachweise für den aktuellen Tag und die vergangenen 28 Kalendertage vorgelegt werden können", sagt Götz Bopp. "Im Falle von Betriebskontrollen werden die Daten aller Fahrer von bis zu zwölf Monaten in der Vergangenheit ausgewertet."
Lückenschluss ist mit verbindlicher Hierarchie zu dokumentieren
Es gibt allerdings mittlerweile eine verbindliche Hierarchie, wie dieser Lückenschluss zu dokumentieren ist. "Primär sollten gar keine Lücken entstehen", so Bopp, "da die Zeiten direkt auf dem jeweiligen Aufzeichnungsmedium protokolliert werden sollten, also dem digitalen oder analogen Kontrollgerät mit Fahrerkarte oder Tachoscheibe. Dazu müsste die Fahrerkarte allerdings im Fahrzeug verbleiben." Ist eine direkte Aufzeichnung nicht möglich, folgt als zweite Option der manuelle Nachtrag. Bei digitalen Kontrollgeräten werden Angaben, die den Zeitraum seit der letzten Aufzeichnung betreffen, direkt über das Kontrollgerät eingegeben und auf der Fahrerkarte gespeichert.
"Um diese Nachträge korrekt durchzuführen, müssen vor allem die Fahrer, aber auch die Unternehmer Wissen und Fähigkeiten rund um die Bedienung des Kontrollgerätes besitzen", erklärt Bopp. "Auch dabei kann natürlich gelogen werden." Erst wenn ein manueller Nachtrag sehr umfangreich und komplex wäre und vor allem mindestens einen kompletten Kalendertag umfassen würde, bleibt als dritte Option die Bescheinigung für berücksichtigungsfreie Tage. Gleiches gilt, wenn das digitale Kontrollgerät der ersten Generation zuzurechnen ist und deshalb längere manuelle Nachträge nicht möglich sind oder der Fahrer mit Tachoscheiben oder einem Tageskontrollblatt unterwegs ist, bei denen ja nichts nachgetragen werden kann.