Neues zur Wochenruhezeit Zurück auf Los

Lkw, Parkplatz, Wochenruhezeit Foto: Jan Bergrath

Lange hat das Bundesverkehrsministerium beim geplanten Verbot zur Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw auf eine europäische Lösung gesetzt. Auf Druck des Verkehrsausschuss rückt nun doch wieder eine nationale Lösung in den Fokus.

Nicht nur die Rastanlagen der Autobahn A 3 rund um Frankfurt sind jedes Wochenende restlos voll. Es parken dort, bis auf wenige Ausnahmen, nur Lkw aus Osteuropa, deren Fahrer hier, durch das Sonntagsfahrerverbot ausgebremst, ihre wöchentliche Ruhezeit verbringen. Ob es sich dabei um die verkürzte wöchentliche Ruhezeit von 24 Stunden oder die regelmäßige von 45 Stunden handelt, lässt sich im Vorbeifahren nicht ermitteln. Dass sich die meisten Fahrer auf eine lange Wartezeit eingerichtet haben ist aber deutlich zu sehen. Über Satellit empfangen viele das TV-Programm aus der Heimat. Sonst gibt es, außer lange zu schlafen und etwas zu kochen, nicht viel zu tun.

Nationale Verbote in Belgien

Spätestens seit  2014, als Belgien, Frankreich und die Niederlande den Artikel 8, Absatz 8 aus der VO (EG) 561/2006 so interpretiert haben, dass es nicht erlaubt ist, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, und dies als nationales Verbot mit einem Bußgeld belegen, ist auch in Deutschland die Diskussion darüber entbrannt, wie im größten Transitland Europas mit diesem Thema umzugehen ist. Doch ein Textentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium (BMVI) ging nach Ansicht der Spitzenverbände des Transportgewerbes weit über das Ziel hinaus. Besonders die geplante deutsche Regelung, dass die Fahrer die Wochenruhezeit alle 14 Tage wieder in der Heimat verbringen müssten oder am Standort des Unternehmens in einer festen Unterkunft, war für die Lobbyisten des Güterverkehrs dann doch zu viel des Guten. Selbst BAG-Präsident Marquard warnte davor, dass seine Behörde die Umsetzung nicht kontrollieren könne.

Ruf nach der europäischen Lösung


Und so rief die gesamte Branche, unterstützt von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, nach der europäischen Lösung – am besten im neuen Road Package, das die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc für 2016 angekündigt hat. Angesichts der Mehrheit der betroffenen Länder aus Ost- und Südosteuropa, die den Gesetzesvorstoß in den Brüsseler Gremien für reinen Protektionismus erachten, war dies ein wenig aussichtsreiches Unterfangen. Bereits Ende Januar erkannte Udo Schiefner, Berichterstatter in der Arbeitsgruppe Verkehr und digitale Infrastruktur (AG VdI) der SPD-Bundestagsfraktion, die Mogelpackung: "Eins vor, zwei zurück", formulierte Schiefner in einer Mitteilung für die Presse. "Das Bundesverkehrsministerium verschleppt ein deutsches Verbot zu Wochenruhezeiten im Lkw. Im Ausschuss für Verkehr am Mittwoch dieser Woche hat das Ministerium wieder die Notwendigkeit einer europäischen Verständigung vorgeschoben, statt ein deutsches Verbot anzukündigen. Das ist ein Rückschritt. Bundesverkehrsminister Dobrindt hatte noch bei der EU-Ratstagung Verkehr im Dezember engagiert vertreten, dass Lkw-Fahrer die regelmäßige Wochenruhezeit nicht im Fahrzeug verbringen dürften."

Erneute Kehrtwende

In der vergangenen Woche hat ein lange geplantes und immer wieder verschobenes Gespräch der zuständigen Berichterstatter des Verkehrsausschusses aller Fraktionen mit der parlamentarischen Staatssekretärin Dorothee Bär stattgefunden – begleitet vom zuständigen Referatsleiter im Bundesministerium. Nun heißt es nach einer fulminanten Kehrtwende offensichtlich wieder "zurück auf Los". "Die Berichterstatter erwarten, dass das Ministerium in den nächsten vier bis fünf Wochen einen Regelungsvorschlag vorlegt und wollen sich dann erneut in gleicher Runde zusammensetzen", verrät Berichterstatter Schiefner auf Anfrage. "Die Staatssekretärin vertrat die Position, eine europäische Regelung erreichen zu wollen. Sie war damit aber in der Runde allein. Die Berichterstatter hielten eine europäische Regelung für sinnvoll, aber nicht zeitnah erreichbar. Sie forderten eine zeitnahe deutsche Regelung. Alle fachlich zuständigen Berichterstatter aller Fraktionen des Bundestages waren sich in ihrer Forderung einer deutschen Verbotsregelung einig."

Nun bleib also abzuwarten, ob das BMVI in der gegebenen Frist einen Textentwurf vorlegt, der so wasserdicht formuliert ist, dass er alle juristischen und parlamentarischen Hürden nehmen kann, um das ausufernden Nomadentum der Flotten aus Osteuropa in geordnete Bahnen zurückzuführen – vor allem zum Schutz der Fahrer. Um es noch einmal zu betonen: Deutsche Fahrer wären von dieser neuen Regelung nur am Rande betroffen. Sie hätten immer noch die Möglichkeit, dass ihre Touren so geplant werden, dass sie zwei Wochen draußen sind und in diesem Zeitraum ihre verkürzte Wochenruhezeit im Lkw verbringen.

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