Arbeitsbedingungen in Dänemark Danish Dynamite

Dänemark, Parkplatz Foto: Jan Bergrath

Ein Leser übt Kritik am Speditionsporträt aus FERNFAHRER 4/2016. Die Redaktion würde damit Unternehmen unterstützen, die die Löhne bei dänischen Unternehmen unter Druck setzen. Wir sind der Sache auf den Grund  gegangen.
 

Dazu passt ein aktueller Bericht der dänischen Gewerkschaft 3 F Transportgruppen und Danish Transport and Logistics Association (DTL). Er beschreibt, wie dort die Arbeitsbedingungen von osteuropäischen Fahrern zum sozialen Sprengstoff werden.

Seit vielen Jahren berichtet FERNFAHRER immer alle zwei Monate über eine Spedition, die unserer Erkenntnis nach vernünftige Arbeitsbedingungen bietet und ihre Fahrer fair behandelt. So richtig schwarze Schafe hatten wir bislang noch nie portraitiert, sondern in einem anderen journalistischen Rahmen eher kritisiert. Aber mitunter gibt es doch Rückmeldungen von Fahrern, die bei Nachfragen dann meist auf persönlichen Problemen mit der geschilderten Firma beruhen. Das hat einen guten Grund: In jeder Spedition gibt es neben den langjährigen Mitarbeitern heute einen Anteil von rund 20 Prozent der Fahrer, der der Fluktuation unterworfen ist. Manche Leser, die sich in der Redaktion melden und einen Bericht kritisieren, sind – man muss es mal ganz offen sagen – zu diesem Zeitpunkt bei weiteren Unternehmen gescheitert. Genauso, wie wir das in manchen Fällen nicht wissen können, kennen wir auch nicht jede Leiche im Keller eines Transportunternehmens. Natürlich recherchieren wir vorab gründlich, um möglichst auszuschließen, dass wir ein schwarzes Schaf vorstellen. In jedem Fall gehen wir mit der gebotenen journalistischen Sorgfalt Kritik an unserer Berichterstattung nach. So auch wegen einer E-Mail, die das Speditionsporträt in FERNFAHRER 4/2016 in die Mangel nimmt.

Deutsches Unternehmen in Padborg

Dort haben wir unter dem Titel "Über die Grenze" über das Unternehmen MNTS  berichtet, ein der Herkunft nach deutsches Transportunternehmen, das Trailer für dänische Auftraggeber zieht und den operativen Firmensitz nach Padborg verlegt hat. Dort gab es früher einen alten Zollhof. Viele namhafte Transportunternehmen, die Exportware von dänischen Kunden quer durch Europa transportieren, haben dort ihren Sitz. Für unser Dafürhalten unterscheidet sich MNTS von vielen dort ansässigen Firmen. Etwa dadurch, dass sie überwiegend auf deutsche Fahrer setzen und mit diesen in puncto Qualität einen Wettbewerbsvorteil haben. Darüber hinaus zahlen sie für die Region etwas über dem üblichen Lohn und bestechen durch menschlichen Umgang.

Dumpinglöhne in Dänemark

Umso erstaunlicher auf den ersten Blick die E-Mail eines deutschen Fahrers, der entlang der A 7 wohnt und seit vielen Jahren zu den alten Bedingungen bei einer dänischen Spedition weiter im Norden beschäftigt ist. Auf unsere Nachfrage hin, erklärt er MNTS selbst nicht wirklich zu kennen. Er erklärt aber: "Leider berichtest du über eine deutsche Firma mit Sitz in Padborg, über das wirkliche Arbeiten in Dänemark sagt das überhaupt nichts aus. Und leider berichtest du positiv über eine Firma, die den richtigen dänischen Firmen und Fahrern das Leben schwer macht, so wie eigentlich alle Firmen in Padborg und Umgebung. Es kommt leider auch nicht zur Sprache wie diese Firmen mit ihren Fahrern wirklich umgehen (Dumpinglöhne, keine Sozialversicherung, keine Pensionen, kein Krankengeld, kein Urlaubsgeld, kein Kündigungsschutz). Du hättest genauso über eine deutsche Spedition berichten können, die nach Osteuropa ausgeflaggt ist. Der Artikel geht leider komplett daneben! Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine und es ging ein großes Kopfschütteln durch die Runde!

MNTS antwortet auf die Kritik

Natürlich haben wir die Kritik an MNTS-Geschäftsführer Michael Nissen weitergeleitet. Er hat uns offen geantwortet: "Ich verstehe den Kollegen so, dass er zur Zeit bei einer dänischen Firma beschäftigt ist und beklagt, dass diesen dänischen Firmen das Leben durch Padborger Unternehmen, also grenznahe Firmen, das Leben schwer gemacht wird. Wenn das so gemeint ist, hat er sicherlich nicht ganz unrecht."

In der Tat ist das Thema ziemlich komplex und bedarf einer Erläuterung. Viele dänische Transportunternehmen haben in der Vergangenheit nach Deutschland ausgeflaggt, weil die deutschen Lohnkosten niedriger sind. Der Unterschied liegt bei rund 1.000 Euro pro Fahrer und Monat. Das, und einige andere Punkte, hatten wir allerdings auch im Bericht über MNTS erwähnt. Der Grund für die Flucht über die Grenze ist auch einleuchtend. Der gewerkschaftliche Organisierungsgrad in Dänemark ist wesentlich höher als etwa in Deutschland, die Gewerkschaft hat dort eine sehr starke Position. "Hier in Dänemark werden zusätzlich zum Fahrergehalt noch Kilometergeld gezählt, was in Deutschland verboten ist. Hinzu kommen noch Wochenendzuschläge", erläutert Nissen. "In Dänemark ist ein Exportchauffeur also ein gut bezahlter Job."

Hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad

Fest steht: Transportfirmen aus Padborg haben vor rund 20 Jahren angefangen, ihren Fuhrpark verstärkt in Deutschland anzumelden und deutsche Fahrer zu beschäftigen. Und deutsche Fahrer haben sich schnell bereit erklärt, auch für diese Löhne zu arbeiten. Doch im europaweiten Wettbewerb ist das ein Problem, erläutert Nissen "Was in Dänemark durch gewerkschaftlichen Druck an Löhnen bezahlt werden muss, ist einfach im europäischen Markt wegen des harten Wettbewerbs nicht darstellbar." Die meisten dänischen Fahrer, so sagt Nissen, seien über die Gewerkschaft "arbeitslosenversichert", deshalb auch der hohe Organisierungsgrad. Mit Folgen: Das letzte große Unternehmen, das seinen Fuhrpark aus Dänemark abgemeldet hat, ist laut Nissen die Firma Kim Johansen aus Greve mit über 700 Einheiten.

Kritik am pauschalen Urteil

Nissen wehrt sich vor allem gegen das pauschale Urteil. "Der Vorwurf an die in Padborg ansässigen Firmen, die auf deutschem Kennzeichen laufen, sie würden keine Sozialabgaben entrichtet und nur Dumpinglöhne zahlen, geht an der Realität vorbei", argumentiert Nissen." Firmen wie E3, Fair Trans, H.P. Therkelsen, Contino sind seriös.

Neue Studie über Arbeitsbedingungen in Dänemark

Es ist ein zweischneidiges Schwert: Auch über die oben genannten Firmen kursieren in den einschlägigen Foren die unterschiedlichsten Urteile, die wir an dieser Stelle ohne eigene Prüfung nicht bewerten können. Fest steht allerdings, dass die Entwicklung in Dänemark schon längst weiter ist. Viele andere Firmen wie Kurt Beier etwa, einer der großen Transporteure in Padborg, setzen derzeit auf Fahrer aus Osteuropa, was auch ein Plakat an der Einfahrt belegt. Hinter diesen Beschäftigungsmodellen steckt die übliche Ausbeutung – jedenfalls nach westeuropäischem Verständnis: der Mindestlohn von rund 250 Euro plus Spesen von bis zu 51 Euro für jeden Tag, den die Fahrer arbeiten. Netto kommen die Fahrer dann auf irgendwas zwischen 1.300 und 1.600 Euro Lohn.
 
Unter welchen Bedingungen die meisten Fahrer aus Osteuropa tatsächlich in Dänemark beschäftig sind, schildert eine brandaktuelle Studie der dänischen Gewerkschaft 3 F Transportgruppen und Danish Transport and Logistics Association (DTL), die mir jetzt über das Europäische Parlament zugespielt wurde. Sie bestätigt im Wesentlichen die bisherigen traurigen Erkenntnisse über osteuropäische Beschäftigungsmodelle in Westeuropa: mehrwöchige Abwesenheit von daheim, Löhne, die bis zu zwei Drittel niedriger sind als dänische Bezahlung, Arbeitgeber, die überwiegend in Rumänien und Bulgarien sitzen, ihre Lkw aber überwiegend in den lukrativen Frachtmärkten Westeuropa einsetzen.

Unter diesen Bedingungen sind alteingesessene dänische Firmen, die auch ihre wenigen deutschen Fahrer noch überproportional gut bezahlen, in der Tat kaum noch wettbewerbsfähig. Deshalb ist es meiner Meinung nach lobenswert, wenn eine Firma wie MNTS genau diesen Weg nicht geht. Die heile Welt der alten dänischen Fuhrleute und ihrer Fahrer können wir als Zeitschrift aber nicht retten.

Download Hier findet Ihr den Artikel "Byways in Danish transport" (PDF, 0,22 MByte) Kostenlos
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