Die Geschäfte laufen gut, die Nachfrage ist hoch, aber die Aussichten auf dem Transportmarkt sind unsicher. Wichtige Gründe sind, dass Fahrer und Lkw fehlen, erläutert Thomas Baumgartner, Präsident des italienischen Transportverbands Anita und des Logistikunternehmens Fercam, im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.
Baumgartner: Wir befinden uns in einer Stagflation, die Aussichten sind unsicher, auch vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs, und auf dem europäischen Transportmarkt fehlen viele Fahrer. Folglich bleibt das Ladeangebot begrenzt, denn Unternehmen können die Flotten derzeit nicht ausbauen, auch wenn die Nachfrage da ist. Neben den Fahrern mangelt es ja auch an Lkw, es gibt inzwischen jahrelange Lieferzeiten. Folglich ist die Nachfrage größer als das Angebot.
Wie bei allen Logistikfirmen laufen auch bei uns die Geschäfte sehr gut. Den Kunden sind derzeit Kapazitätsgarantien wichtiger als der Preis. In den vergangenen 30 Jahren war es das Wichtigste für uns, die Kunden, die Aufträge zu haben. Kapazitäten zu schaffen, war kein Problem. Fahrer waren am Markt, Lkw konnte man kaufen, Subunternehmer waren auch da. Jetzt hat sich das gedreht. Man muss mehr auf die Ressourcen schauen.
Nett, wie Sie das nennen, sind wir immer schon gewesen. Die Fahrer sind für uns die wichtigste Ressource und wir sind immer darauf bedacht, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, solange diese natürlich im Einklang mit Firmen- und Kundenbedürfnissen stehen.

Bestens ausgestattete Fahrerkabinen, Komfortsitze, innovative Assistenzsysteme für maximale Sicherheit und moderne Sattelauflieger, die den Be- und Entladevorgang erleichtern, sind bei uns Standard. Auch werden die Touren so organisiert, dass die Fahrer am Wochenende immer zu Hause sein können. Aber dies alles hilft zurzeit wenig oder nichts, denn die Fahrer sind nicht da, die diesen Beruf ausüben wollen. Ein anerkanntermaßen sehr anspruchsvoller und schwerer, wenn wir schon allein an die vielen Einschränkungen und Hindernisse auf den Straßen denken.
Um das über die Geldschiene zu lösen, müsste man die Löhne verdoppeln oder verdreifachen, aber das gibt der Markt nicht her. Ich habe mit einem alten Fahrer von uns gesprochen - als der vor 40 Jahren angefangen hat, war sein Lohn drei Mal so hoch wie der eines Maurers. Jetzt liegen beide Einkommen ungefähr gleich. Einer der Gründe dafür ist die EU-Osterweiterung, das Lohngefälle Richtung Osten hält die Fahrerlöhne bis jetzt niedrig.
Ja. Das sind die Lenk- und Ruhezeiten und der digitale Tachograf. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Die Gesetzesänderungen waren sehr bedeutsam für das Wohl des Fahrpersonals und die Verkehrssicherheit. Aber jeder einzelne Fahrer fährt seitdem viel weniger Kilometer, und ein Produktivitätsverlust von etwa 30 Prozent macht sich natürlich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Außerdem kämpfen wir mit einem rasanten Imageverlust.
Die Fahrer aus Osteuropa arbeiten zum Teil bis heute unter unwürdigen Bedingungen, und dadurch wurde der gesamte Berufsstand in Misskredit gebracht. Westeuropäische Jugendliche sind kaum noch für diesen Beruf zu begeistern, dabei ist er wirklich interessant und muss hinter dem eines Kapitäns oder Flugzeugpiloten nicht zurückstehen. Ein Lkw ist ja heute auch ein technologisch hochgerüstetes Fahrzeug. In Italien machen wir jetzt als Verband eine Imagekampagne, damit der Beruf mehr Anerkennung erfährt.
Leider nur bedingt. Alpenquerend läuft der kombinierte Verkehr ganz gut, aber der Rest ist mehr oder weniger eine Katastrophe. Hier fehlen die politischen Maßnahmen, damit sich der KV wirtschaftlich trägt. Es müssten andere Schwerpunkte gesetzt werden. In Italien beispielsweise sind die nationalen Strecken in den vergangenen Jahren alle für die Hochgeschwindigkeit ausgebaut worden, um das Bedürfnis der Mobilität von Privatpersonen zu befriedigen. Die Ertüchtigung der Schieneninfrastruktur für Güter ist immer hinterhergehinkt, auch in Deutschland. Und das rächt sich heute.
Über Ostern hatten wir in Richtung Norden wieder zwei Wochen eine Rastatt-Sperre, die einen Einbruch von 40 Prozent in einem Monat verursacht hat. Manche Kunden bleiben dann auf der Straße, weil sie nicht akzeptieren können, dass es zwei Wochen lang keine Sendungen gibt. Um nach Deutschland und Benelux zu kommen, gibt es bislang ja nur die rechtsrheinische Rheintalstrecke. Gebraucht werden unbedingt der schnelle Ausbau und die Elektrifizierung der linksrheinischen Strecke, die mangels technischer Mängel im Dornröschenschlaf liegt. Es hakt nicht nur am Willen, Verkehre umzuverteilen, die Infrastruktur bringt es einfach nicht. Wir brauchen dringend auch längere Züge. Aufgrund der vielen Baustellen und Infrastrukturengpässe können derzeit auch Unternehmen wie Kombiverkehr oder Hupac die Kapazitäten nicht erhöhen.
Wir fahren seit 1977 so viel wie möglich auf der Bahn, und inzwischen liegt auch unseren Kunden sehr daran, klimaneutrale Transporte zu machen und den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Wir bringen es trotzdem nur auf 20 Prozent Schiene, und das ist auch darauf zurückzuführen, dass Transporte von und nach Frankreich sehr abgeschottet und nicht kombitauglich sind. Durch die Alpen hat sich der KV etabliert, von Italien nach Deutschland, Benelux oder nach Skandinavien. Ein bisschen geht von Deutschland nach Spanien, aber mit Schwierigkeiten, weil ja auch die Spurbreite nicht immer gegeben ist. Viele Verkehre sind kurzläufig, mit Längen unter 700 Kilometern, KV braucht aber gewisse Markteigenschaften, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein.
Unsere Logistik mit den Lagerhallen ist inzwischen zu 80 Prozent mit Solar ausgerüstet und wir bauen weitere Anlagen auf. In einzelnen Distributionszentren arbeiten wir mit elektrischen Klein-Lkw zwischen 3,5 bis 7 Tonnen, wir versuchen, immer die neueste Lkw-Technologie einzusetzen. Die Investitionen in jüngster Zeit gingen in LNG-Fahrzeuge, weil wir so den NOx-Ausstoß verringern wollten. Mit dem Ukrainekrieg erweist sich das kostenseitig als großer Rückschlag. Wir haben allerdings in Sterzing in eine eigene Biogasanlage investiert, die in Kürze ihren Betrieb aufnimmt. Dann sind wir mit diesen Lkw auf der Strecke über den Brenner zusätzlich CO2-neutral.
Informationen zum Fercam-Geschäftsjahr 2021 finden sich hier: