DB Cargo und OTIV treiben autonome Zugtechnik voran

Automatisierung im Schienengüterverkehr
DB Cargo setzt auf autonome Zugtechnik

Mit 9 Mio. Euro Finanzierung will OTIV gemeinsam mit DB Cargo autonome Zugtechnik vorantreiben. Die Automatisierung soll Fachkräfte entlasten, Effizienz steigern und den Schienengüterverkehr nachhaltiger machen.

Im Frankenwald an der Bastelsmühle rollt DB Cargo mit Ellok Baureihe 187 vorbei
Foto: Deutsche Bahn/Jochen Schmidt

Mit einer Finanzierung von neun Millionen Euro rückt der belgische Automatisierungsspezialist OTIV näher an eines der ambitioniertesten Logistikprojekte Europas heran: die Automatisierung des Schienengüterverkehrs. Als Technologiepartner der DB Cargo entwickelt OTIV Lösungen für assistiertes Fahren, Fernsteuerung und perspektivisch vollautonome Güterzüge – ein Feld, das zunehmend strategische Bedeutung gewinnt.

Autonome Güterzüge: Ein europäisches Leuchtturmprojekt nimmt Fahrt auf

OTIV gilt laut Deloitte als derzeit am schnellsten wachsendes Technologie-Scale-up Belgiens. Das 2020 gegründete Unternehmen verfolgt eine modulare Herangehensweise an Bahn-Automatisierung: von Fahrerassistenzsystemen über Remote Operation bis hin zum vollständig autonomen Betrieb. Mit diesem Baukastenmodell adressiert OTIV drei zentrale Marktsegmente:

  • Industriebahnen wie Stahl- oder Chemiewerke
  • Städtische Verkehrssysteme wie Straßenbahnen
  • Hauptstreckennetze im Güter- und Personenverkehr

Gemeinsam mit DB Cargo treibt OTIV aktuell Europas größtes Projekt zur Automatisierung von Güterzügen voran. Ein Vorhaben, das sowohl wirtschaftlich als auch verkehrspolitisch große Wirkung entfalten könnte.

Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel: Zwei Treiber für autonomen Schienengüterverkehr

Zwei strukturelle Probleme erhöhen den Druck, Automatisierung voranzubringen:

  1. CO₂-Reduktion im Güterverkehr: Ein Güterzug ersetzt bis zu 50 Lkw und verursacht dabei rund neunmal weniger CO₂. Jede zusätzliche Tonne Transportleistung, die von der Straße auf die Schiene wandert, verbessert somit die Klimabilanz.
  2. Dramatischer Engpass beim Fahrpersonal: Wie im Straßengüterverkehr fehlen zunehmend Lokführerinnen und Lokführer. Automatisierte Systeme sollen hier unterstützend wirken. Nicht als Ersatz, sondern als Entlastung, um 24/7-Betrieb und höhere Netzauslastung überhaupt möglich zu machen.

OTIV sehe die Automatisierung deshalb nicht als technisches Selbstzweckprojekt, sondern als Hebel zur Verkehrsverlagerung und zur Stabilisierung des Schienenbetriebs, so OTIV-Gründer Niels Van Damme. „Diese Finanzierung ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg, den Schienenverkehr zum Rückgrat eines nachhaltigen Transportwesens zu machen“, sagt Sam De Smet, der zweite OTIV-Gründer im Bunde.

Auch der neue Investor Miles Ahead zeigt sich überzeugt: „OTIV hat bewiesen, dass sich Spitzentechnologie in reale Anwendungen übertragen lässt“, erklärt Miles-Ahead-Partner Luc Burgelman.

Automatisierung – Chance oder Risiko für den Schienengüterverkehr?

Die Debatte über autonom fahrende Züge ist nicht neu, bekommt aber durch konkrete Projekte wie bei DB Cargo neue Dynamik.

Chancen:

  • Höhere Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit
  • Weniger energieintensive Fahrweisen
  • Bessere Auslastung durch 24/7-Betrieb
  • Entlastung bei Personalmangel
  • Sicherere Abläufe in Industrie- und Rangierbereichen

Herausforderungen:

  • Aufwendige Zulassungsverfahren
  • Hohe Investitionskosten in Sensorik und Leitstellen
  • Komplexe Integration in bestehende Stellwerks- und Sicherheitsstrukturen
  • Akzeptanz bei Mitarbeitenden und Gewerkschaften

Der Schienengüterverkehr gilt als deutlich automatisierbarer als der Personenverkehr. Rangierbahnhöfe, Werksgelände und geschlossene Industrieareale bieten ideale Einsatzbedingungen und könnten die ersten vollständig autonomen Zonen werden.

Technologie als Schlüssel zur Verkehrswende

Der Schienengüterverkehr steht unter enormem Druck: Kapazitätsengpässe, Sanierungsstau und wenig planbare Infrastruktur setzen dem Markt zu. Automatisierte Systeme, wie OTIV sie entwickelt, können zwar nicht alle strukturellen Probleme lösen, aber sie können Effizienzgewinne ermöglichen, die für mehr Wettbewerbsfähigkeit dringend gebraucht werden. OTIVs Finanzierung dürfte daher nicht nur ein Signal an die Investorenszene sein, sondern auch an die Bahnbranche insgesamt: Die Automatisierung des Güterverkehrs rückt vom Pilotprojekt zum strategischen Zukunftsfeld.