Kombinierter Verkehr in Gefahr: Rettungsaktion für den KV

Kombinierter Verkehr in Gefahr
Rettungsaktion für den KV

Anbieter und Verbände schlagen Alarm: Der Kombinierte Verkehr verliert wegen Baustellen und hohen Trassenpreisen an Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik wird zu schnellem Handeln aufgefordert.

Rettungsaktion für den KV
Foto: Ilona Jüngst, Kombiverkehr

Alarmstimmung bei den Beteiligten des Kombinierten Verkehrs: Sie fürchten um die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers aufgrund von Trassenpreissteigerungen sowie Mehrkosten und Verspätungen durch Baustellen. Die Situation ist so dringlich, dass aus einem offenen Brief an den Bundesminister für Verkehr Patrick Schnieder und die neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn Evelyn Palla eine Initiative geworden ist.

Initiative der KV-Beteiligten drängt auf schnelles Handeln

Den Aufruf „Rettet den Kombinierten Verkehr“ haben die Intermodal-Operateure und Verbände Hupac, TX Logistik, ERFA, Fermerci, UIRR, SGKV und Kombiverkehr unterschrieben. Sie weisen auf die besorgniserregenden Entwicklungen in den Bereichen Infrastruktur, Leistungsqualität und Trassenkosten hin und warnen vor weiteren bevorstehenden Auswirkungen der Generalsanierung auf besonders wichtigen Korridoren des Kombinierten Verkehrs. Die Politik und die Deutsche Bahn, so die Unterzeichner, müssen sich daher umgehend der Themen annehmen.

Auch Lösungen haben die Unterzeichner parat:

  • eine Nullrunde bei den Trassenpreisen für 2026
  • eine Kapazitätsgarantie von mindestens 90 Prozent der heutigen Transportleistung
  • die Ertüchtigung geeigneter Umleiterstrecken
  • eine Trassenvergabe bei Engpässen nach Marktanforderung
  • eine Betriebserschwerniszulage für minderwertige Trassen während der Korridorsanierungen
  • die Aussetzung der Stornierungsentgelte

Alle Anliegen haben die Beteiligten hier zusammengefasst.

Noch keine Antwort vom Bundesverkehrsministerium zu den Forderungen

Eine Antwort der Deutschen Bahn und des Bundesministeriums für Verkehr (BMV) auf den offenen Brief lag zum 18. November noch nicht vor.

Am Freitag vergangener Woche hat das Bundesministerium für Verkehr (BMV) jedoch ein geplantes Maßnahmenpaket veröffentlicht, um die Auswirkungen des Trassenpreisanstiegs abzufedern. „Egal ob Reisende im Fernverkehr oder Unternehmen, die auf einen funktionierenden Schienengüterverkehr angewiesen sind – sie alle profitieren von den heute getroffenen Maßnahmen“, wird Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder zitiert.

Trassenpreisförderung für 2026 beschlossen

Speziell für die Trassenpreisförderung im Schienengüterverkehr stehen demnach 2026 Bundesmittel in Höhe von 265 Millionen Euro bereit. Die Förderung soll über Mehreinnahmen aus den Pönalen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Deutscher Bahn (LuFV) verstärkt werden; primär aus Zielverfehlungen der Qualitätskennzahlen aus der LuFV III. In der Vergangenheit handelte es sich laut dem BMV um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.

In den Trassenpreisentgelten schlägt sich auch die Eigenkapitalerhöhung der Infrastruktur-Tochter DB InfraGO nieder. Deshalb wurde beschlossen, den dafüranzusetzenden Eigenkapitalzinssatz auf 1,9 Prozent zu senken. „Es wird erwartet, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen die Kostensenkung weitergeben, so dass die Preise für Transporte im Schienengüterverkehr ebenfalls weniger stark ansteigen“, heißt es von Seiten des BMV.

Die Probleme beschränken sich nicht auf die Anbieter allein – auch die Speditionen und deren Kunden aus Industrie und Handel sind davon betroffen. Neben Jürgen Albersmann, CEO der Contargo Gruppe, hat auch Christian Bücheler, CEO der Transco-Gruppe mit Sitz in Singen, Höhen und Tiefen im Kombinierten Verkehr mitgemacht. Die aktuelle Situation ist aber in seinen Augen besonders bemerkenswert.

Demnach haben Speditionen schon die Trassenpreiserhöhung von 2025 in Höhe von 15 Prozent schlucken müssen, 2026 sind 24 Prozent im Gespräch. „Im Gespräch, nicht fest – es ist Mitte November und wir wissen immer noch nicht, was auf uns zukommt. Es ist scheinbar immer noch nicht möglich, das rechtzeitig zu kommunizieren“, sagt Bücheler.

Transco-CEO: Speditionen tragen Preiserhöhung

Dabei seien sowohl die Planungen bei Transco als auch die Budgets bei den Kunden für das kommende Jahr bereits fertig. „Sollten wir im Januar mit weiteren Preiserhöhungen daherkommen, machen die Kunden da natürlich nicht mit“, sagt der Transportprofi – leider sei das aber inzwischen ein regelmäßiges Vorgehen.

Was ihm außerdem aufstößt: Die Speditionen und Logistiker mussten zum Dezember 2023 auch die Mauterhöhung und die Mautausweitung auf 3,5 Tonnen akzeptieren. Die Hälfte der Einnahmen gehen in die Schieneninfrastruktur. „Wir zahlen also mehr Maut, aber auch mehr für den Schienentransport – ohne die entsprechende Leistung zu erhalten. Damit werden, konträr zur politischen Zielsetzung, sicher nicht mehr Lkw-Transporte auf die Schiene verlagert“. Und die Preise auf der Schiene, so Bücheler, steigen noch dazu überproportional zur Lkw-Maut. „Inflationsbedingte Preiserhöhungen lasse ich mir noch gefallen, aber alles andere bedeutet ein maximales Ungleichgewicht für alle, die im KV unterwegs sind“.

DB zeigt äußerst schlechte Bilanz bei Zuverlässigkeit

Insbesondere, weil auch die Zuverlässigkeit alles andere als zufriedenstellend sei – laut dem Transco-Chef liegen die zwischen 55 und 60 Prozent. „Natürlich kann ein Streik, ein Unfall auf der Strecke oder auch Baumaßnahmen mal vorkommen. Aber wenn sechs Züge ankommen, vier aber nicht, dann fragt der Kunde auch, warum er den vollen Preis für nur 60 Prozent der versprochenen Leistung zahlen soll. Geschweige denn, dass er eine Preiserhöhung bei der Qualität mittragen solle“.

Kurz: Vor allem die Deutsche Bahn liefere miserable Qualität, eine mäßige Kommunikation beim Baustellenmanagement und dann auch noch willkürliche Preiserhöhungen. „Das alles macht die Bahn im Güterverkehr nicht mehr attraktiv, termingebundene Sendungen kann man aktuell nicht mehr über die Schiene abwickeln“.

Zahl der KV-Sendungen bei Transco zwangsläufig rückläufig

Die Folge: Im Vergleich zu den Vorjahren wickle der Dienstleister, der vor allem im internationalen Verkehr auf Intermodal setzt, bis zu 15 Prozent weniger Sendungen auf der Schiene ab, Tendenz steigend.

Vor allem Kurzstrecken, etwa von Mailand nach Singen, werden inzwischen mehr per Lkw bewältigt, denn hier machen sich die Probleme laut Bücheler am meisten bemerkbar als bei Relationen, auf denen der Zug zwei bis drei Tage unterwegs ist. 70 Prozent der Transporte nach Italien wickelt Transco bislang auf der Schiene ab, die längere Strecke, etwa von Busto Arsizio nach Mannheim, hat noch eine zufriedenstellende Bilanz.

Auf Anfrage von trans aktuell teilt das BMV mit, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht habe, der sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet. „Wird dieser verabschiedet, könnte der Anstieg der Trassenpreise im Schienengüterverkehr auf durchschnittlich 11 bis 17 Prozent abgemildert werden“, so der Sprecher.

BMV will Kapazitätsgarantie durch DB InfraGO prüfen lassen

Bezugnehmend auf den offenen Brief der KV-Branche informiert der Sprecher außerdem, dass BMV, DB InfraGO und Vertreter des Kombinierten Verkehrs seit August schon im Austausch zu den Forderungen nach einer Kapazitätsgarantie stehen. Jetzt sei das Ergebnis einer Prüfung durch die DB InfraGO abzuwarten, ob bei Umleitungen infolge von Korridorsanierungen mindestens 80 Prozent der regulären Transportkapazitäten erhalten bleiben können.

Kein Ausbau von Umleitungsstrecken

In diesem Kontext sei auch die Ertüchtigung der Umleiterstrecken zu sehen. Kurzfristig seien hier im Vorgriff auf Korridorsanierungen vor allem Instandhaltungs- und kleinere Ersatzmaßnahmen umsetzbar. Für spätere Korridorsanierungen können Verkehre auch über bereits sanierte Strecken umgeleitet werden. „Einen Ausbau zur Sicherstellung gleicher Parameter auf Umleiterstrecke und Hauptachse ist schon allein aus zeitlichen Gesichtspunkten nicht umsetzbar“, so der Sprecher.

Auch gegen die Betriebserschwerniszulage gibt es demnach Argumente – „die Ersparnisse, die sich auf Grund von kürzeren Sperrzeiten im Rahmen einer Korridorsanierung gegenüber mehrmaligen kürzeren Sperrungen ergeben“. Angesichts begrenzter Haushaltsmittel erscheine eine zusätzliche Förderung über die Trassenpreisförderung hinaus auch nicht möglich.

Und nicht zuletzt die Stornierungsentgelte: Die sind laut dem BMV-Sprecher Teile der Trassenpreise und liegen in der Verantwortung der DB InfraGO. Im Rahmen der Änderungen an den Infrastrukturnutzungsbedingungen (INB 2026) werden demnach auch das „Entgelt für Nichtstornierung“ sowie Maluszahlungen für Stornierungen gemeinsam mit der Genehmigung des Trassenpreissystems 2026 entschieden. Die Entscheidung soll laut der Bundesnetzagentur voraussichtlich am 12. Dezember ergehen.

Unternehmer will endlich Taten sehen

Transco-CEO Christian Bücheler jedenfalls will Taten sehen. „Wir machen seit 30 Jahren Kombinierten Verkehr und stehen auch weiter dazu – aber wenn das so weiter geht., lässt sich das wirtschaftlich nicht mehr realisieren“, sagt der Unternehmer. Preis und Qualität müssen seiner Ansicht nach besser werden. Insbesondere auch mit Blick auf die weiteren Baustellenaktivitäten der Bahn und ihrer Infrastrukturtochter DB InfraGo.

Sein Vorschlag: „Man sollte den Verantwortlichen der DB mal die Dienstfahrzeuge wegnehmen und sie verpflichten, selbst mit der Bahn zu fahren. vielleicht würde das einen Wechsel herbeiführen“.