Der Fahrer, der sich an die Redaktion gewandt hat, möchte anonym bleiben, denn es geht um seine berufliche Existenz. Er wollte wissen, wie er aus der Nummer wieder rauskommt, nachdem ihm ein Bußgeldbescheid über einen Abstandsverstoß zugestellt wurde. Für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen gilt auf der Autobahn grundsätzlich der Mindestabstand von 50 Metern, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 Stundenkilometer beträgt. Wird dieser Abstand unterschritten, dann gibt es hierfür einen Punkt und ein Bußgeld in Höhe von 80 Euro.
"Wenn ein Fahrer einen Punktestand von acht Punkten erreicht hat, dann wird ihm von der Führerscheinstelle, die für ihn am Wohnsitz zuständig ist, nach Anhörung die Fahrerlaubnis entzogen", erklärt Harry Binhammer. "Es gibt hierzu keine Härtefallregelungen und keine Ausnahmen." Für die Entziehung kann die Behörde auf den Punktestand zurückgreifen bis zu einer Frist von einem Jahr, nachdem die Punkte getilgt sind – die sogenannte Überliegefrist. Wird die Fahrerlaubnis wegen Erreichens von acht Punkten entzogen, muss diese neu beantragt werden. "Für die Wiedererteilung ist zwingend das Bestehen der medizinisch-psychologischen Untersuchung erforderlich. Zudem besteht eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten."
Prinzipiell darf der Arbeitgeber die Punkte in Flensburg erfragen
Das große Problem: Als der anonyme Fahrer seine neue Stelle antrat, hatte er bereits sieben Punkte in Flensburg gesammelt und die Chance, sie rechtzeitig vor dem fünften Punkt freiwillig abzubauen, verpasst. Seine alte Firma habe ihn immer so gehetzt, so die Begründung. Auch deswegen habe er eine neue Firma gesucht, bei der er sich an die Regeln halten könne. Nun allerdings stehe durch den letzten, den entscheidenden Punkt die neue Stelle gleich wieder auf dem Spiel. Trotz Fahrermangel. Vier Wochen Fahrverbot kann ein wohlwollender Chef bei einem langjährigen Fahrer schon einmal durch eine Beschäftigung im Lager abmildern. Hier droht aber der Verlust des Arbeitsplatzes. Das wiederum führt uns zur Frage: Darf ein Transportunternehmer von einem Fahrer, dessen Berufsgrundlage der gültige Führerschein ist, bei der Einstellung Auskunft über den bisherigen Punktestand verlangen? "Man unterscheidet hier eine Offenbarungspflicht, also ob der Fahrer von sich aus darauf hinweisen muss, und dem Fragerecht des Arbeitgebers", erläutert Binhammer. "Erstere ist natürlich sehr weitgehend und nur dann zu bejahen, wenn Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Job nicht ausgeführt werden kann. Aber das ist nicht mal bei Vorstrafen sicher. In dem Fall der kritischen Punktegrenze gibt es also eher keine Pflicht, das von sich aus zu offenbaren."
Prinzipiell darf der Arbeitgeber fragen, wenn ein sachlich berechtigtes Interesse besteht. "Grundlegende private Dinge wie Religion, Partei, Schwangerschaft oder Schwerbehinderung sind unzulässig. Bei Vorstrafen oder Voreintragungen kommt es darauf an, welcher Job es denn ist, auf den man sich bewirbt. Als Lkw-Fahrer muss man sich auch die Frage gefallen lassen, ob man schon wegen Lenkzeitüberschreitungen oder Überladung bestraft wurde."Wenn die bisherigen Punkte im rein privaten Bereich liegen, etwa einmalig zu schnell mit dem privaten Pkw, braucht der Fahrer nicht zu antworten. "Aber bei mehreren Verstößen ist das wiederum anders zu bewerten, da möglicherweise ein Problem der Einstellung zum Beruf vorliegt", so Binhammer. In beiden Fällen sei anzuraten, das richtig zu beantworten, da die Bewertung, ob das Fragerecht besteht, im Nachgang ein Gericht vornimmt und da meist schon der Arbeitsvertrag angefochten oder gekündigt wurde.