Hubertus Kogler* arbeitet in der Spedition Hubertus Kogler e. K. Er ist der stolze Sohn des Gründers und begeisterter Lkw-Fahrer. 35 Jahre ist er alt, sein Vater 60. Der denkt noch lange nicht an die Übergabe. Der Junior hat auch noch keine Lust, sich die Verantwortung als Unternehmer ans Bein zu binden. Die Namensgleichheit von Vater und Sohn spielt im Falle von Hubertus (nennen wir ihn im Folgenden einfach Junior) eine bedeutende Rolle.
Es ist Spätsommer. Deutschland gönnt sich gerade eine Pause zwischen zwei Lockdowns. Die Stimmung schmeckt nach Normalität. Der Junior fährt wieder. Das heißt, er fuhr bis vor zehn Minuten. Jetzt steht er, eine Zigarette in der Hand, auf einem Autobahnparkplatz, dessen Klohäuschen man nicht nur sehen, sondern auch riechen kann. Er ist mit zwei Polizeibeamten konfrontiert, die sich am Lichterglanz von Hubertus’ Superlaster stören.
Der Junior sagt nicht viel, eigentlich nur, dass er nichts sagen wird. Er hört sich alles an, auch, dass der Lkw geschmückt sei wie ein Weihnachtsbaum. Zulassung und Führerschein übergibt er den beiden Polizeibeamten, die sich dann entschließen festzustellen, dass die Betriebserlaubnis von Hubertus’ "fahrendem Weihnachtsbaum" erloschen sei. Weil der Junior auch Hubertus Kogler heißt, erklären sie ihm auch noch, dass er die Inbetriebnahme unzulässigerweise, obwohl die Betriebserlaubnis doch erloschen war, angeordnet habe. Hubertus muss grinsen. Vor ein paar Jahren hatte er eine Lesung von Richard David Precht besucht. Das war ein schöner Abend mit seiner Frau zusammen. Der Titel des Buchs war: "Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?" – "Hmm, wenigstens zwei", denkt er. Ein Ich, welches das andere Ich anweist, den Lkw in Betrieb zu nehmen.
Der Junior muss grinsen. "Das wird Ihnen noch vergehen", meint der eine Polizist. Dann verschwinden sie wieder. Der Junior raucht noch eine und denkt darüber nach, ob ihm das Buch von Precht aus den Bestsellerlisten jetzt etwas nähergekommen ist. Eher nein, vermutet er. Am nächsten Tag muss der Junior nach Nordbayern. Die Tour empfiehlt sich immer für einen Besuch bei Sabine Kniebaum und jetzt auch bei Alexander Rietesel in der Autobahnkanzlei in Berg.
Alexander hat die ersten Gerichtstermine hinter sich und sitzt in der Autobahnkanzlei im dunklen Anzug mit weißer Krawatte auf dem schwarzen Sofa. Er hört dem Junior gespannt zu. Der hat mittlerweile seinen Lieblingslaster "rasiert" – kein Laternchen mehr zu viel. Der Schmuck ist weg. Alexander fordert ihn auf, ganz die Ruhe zu bewahren und auf den Bußgeldbescheid zu warten. Mal gucken, welchem Hubertus sie dort welchen Vorwurf machen. Ein paar Wochen später kommt der Junior wieder in Berg vorbei. Er hat den unerfreulichen gelben Umschlag mit dem Bußgeldbescheid dabei.
Als Alex nach seiner Bayern-Gerichtstour am Abend erschöpft in der Autobahnkanzlei vorbeischaut, lacht er. Er ruft den Junior nur kurz an und sagt ihm: "Das Ding klappt!" – "Einspruch einlegen, bitte noch heute", ruft er in Richtung der Rechtsanwaltsfachangestellten Nicole Knopf. Die schreibt den Einspruch, Alex unterschreibt, und das Ding wird weggeschickt. Jetzt nimmt das Verfahren seinen Lauf. Ein paar Monate später ist der zweite Lockdown in vollem Gang. Die Gerichte nehmen das dieses Mal deutlich unaufgeregter hin als beim ersten Mal. Es wird vielerorts weiter terminiert, so auch in diesem Fall. "Maskenbälle", also die Verhandlungen mit Maske, sind nicht so die Lieblingsveranstaltungen von Autobahnanwalt Alexander Rietesel. Aber egal. Er ist ziemlich gespannt auf diesen Termin.
Der Junior ist auch dabei. Die Richterin verliest den Vorwurf. Alex führt aus, dass Kogler senior seinen Junior auf die Reise geschickt habe. "Na gut", meint die Richterin, "dann formulieren wir den Tatvorwurf im Urteil eben um und schreiben die Inbetriebnahme rein und nicht die Anordnung der Inbetriebnahme." Alexander glaubt, nicht recht zu hören. "Wie soll das denn gehen? Die Anordnung der Inbetriebnahme wurde durch meinen Mandanten nicht gemacht, und die Inbetriebnahme ist eine ganz andere Handlung. Diese war nie Thema und ist deswegen verjährt." So nebenbei weist er das Gericht noch auf die Spezialvorschriften für lichttechnische Anlagen (BKat-Nr. 221 ff.) hin.
Die Richterin ist völlig unbeeindruckt. Sie empfiehlt: "Einspruchsrücknahme, schon um Geld zu sparen." Alexander Rietesel muss nach Luft ringen. Er hat mit allem gerechnet, aber damit nicht. Er probiert es noch mal: "Frau Richterin, Anordnung und Durchführung sind auch nicht teilweise deckungsgleich. Die Anordnung hat mein Mandant nicht gemacht, und die Inbetriebnahme – ich wiederhole mich – ist verjährt. Sie war nie Gegenstand irgendeiner Anhörung und auch nicht Gegenstand des Bußgeldbescheids. Darüber wurde nie gesprochen oder geschrieben!"
Die Richterin ruft den Zeugen herein. Der bestätigt, dass sie nur über die Anordnung und über nichts Weiteres auf dem Parkplatz gesprochen hätten. Die Richterin schüttelt mit dem Kopf und wirft fragend in den Saal: "Und wie bitte lief das praktisch ab? Er hat sich selbst angewiesen, zu fahren, oder wie stellen Sie sich das vor?" – "Darüber haben wir nicht gesprochen", meint der Zeuge. Die Richterin unterbricht und kommt nach ein paar Minuten lachend zurück – auch das gibt es! "Überzeugt, Herr Kollege", meint sie. "Ich stelle das Verfahren ein, ist ja verjährt."