Immer wieder Meldungen wie diese von der A 6: Ein rumänischer Sattelzug parkt verbotenerweise auf dem Seitenstreifen kurz hinter dem Rastplatz Bauernwald, um seine Ruhezeit einzuhalten. Vermutlich infolge einer kurzen Unachtsamkeit gerät ein deutscher Fahrer mit seinem Lkw nach rechts, streift den parkenden Sattelzug auf seiner gesamten Länge und kippt um.
Der Report "Staufalle Kreuz Walldorf" in FERNFAHRER 7/2018 beschreibt, wie die Autobahnpolizei auf der A 5 mit ihrem Wohnmobil einen deutlich schlingernden deutschen Lkw kontrolliert und gegen den Fahrer wegen Verstoßes gegen Paragraf 3, Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ein Bußgeld von 80 Euro verhängt, der auch einen Punkt in Flensburg zur Folge hat. Die Begründung: Der Fahrer übte während der Fahrt eine "fahrerfremde Tätigkeit" aus.
Polizei versucht insbesondere bei Lkw-Fahrern "fahrerfremden Tätigkeiten" mit einem Bußgeld zu bestrafen
Der Ansatz der Polizei ist sicher gut", schreibt unser Experte Matthias Pfitzenmaier nach Lektüre des Reports. "Man sieht es täglich auf der Autobahn. Fahrzeugführer sind durch vielerlei Tätigkeiten vom Führen des Lkw abgelenkt – sei es durch Essen und Trinken, Rauchen, Bedienen der Multimediaanlage des Fahrzeugs und weitere, die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigende Handlungen.Daher sei es nur allzu verständlich, dass die Polizei insbesondere bei Lkw-Fahrern versuche, diese sogenannten "fahrerfremden Tätigkeiten" mit einem Bußgeld zu bestrafen", argumentiert Pfitzenmaier. "Eine Vielzahl von Lkw-Unfällen könnte somit sicherlich vermieden werden." Doch der Teufel steckt im Detail. "Eine solche Vorgehensweise der Polizeibeamten ist, obwohl sie dringend geboten ist und erforderlich erscheint, von der rechtlichen Seite her sehr schwer durchzusetzen. Denn es gibt im Ordnungswidrigkeitenrecht kaum Bußgeldtatbestände, die einschlägig sind." Außer Paragraf 23, Absatz 1a der Straßenverkehrsordnung, dem sogenannten Handy-Paragrafen, verbieten die verkehrsrechtlichen Vorschriften "fahrerfremde Tätigkeiten" im Auto und im Lkw nicht. Es bliebe allenfalls der Rückgriff auf die in der StVO geregelten allgemeinen Tatbestände.
So wird beispielsweise von der Polizei in Walldorf die Ahndung von "fahrerfremden Tätigkeiten" mit dem Tatbestand von Paragraf 3, Absatz 1, StVO. Er lautet: "Mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren bei schlechter Sicht oder Wetterverhältnissen". Dieser Tatbestand soll dann beispielsweise wie folgt konkretisiert werden: Ihr Sichtbereich war durch das Lesen, Ausfüllen der Ladepapiere, Video schauen, so stark beeinträchtigt, dass Sie innerhalb der noch übersehbaren Strecke nicht hätten anhalten können. Rechtsfolgen wären ein Bußgeld von 100 Euro verbunden mit der Eintragung eines Punktes in Flensburg. Eine weitere Möglichkeit, die "fahrerfremden Tätigkeiten" zu bestrafen, wäre Paragraf 23 StVO. Dort heißt es in Absatz 1, dass der Fahrzeugführer dafür Sorge zu tragen hat, dass Geräte weder Sicht noch Gehör beeinträchtigen. Verstößt der Kraftfahrer hiergegen, wird als Geldbuße ein Betrag von zehn Euro bestimmt. Spürbare Folgen hat ein Verstoß gegen Paragraf 23, Absatz 1, daher nicht. Es drohen weder Punkte noch ein Fahrverbot. Ob eine solche Konkretisierung des Tatbestandes allerdings zulässig ist, ist für Rechtsanwalt Matthias Pfitzenmaier fraglich, da die Voraussetzung für eine Ahndung von außen her einwirkende schlechte Sichtverhältnisse sein dürften und nicht vom Fahrer geschaffene. "Entsprechende Bußgeldbescheide könnten daher wohl recht einfach mit einem Einspruch angegriffen werden."