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Deutsche Bahn vor dem Kollaps? DB-Spitze entdeckt das Schienennetz

DB Cargo - "Notdienst" Foto: Volker Emersleben

Nach massivsten Störungen in den vergangenen Wochen und Monaten lässt die Deutsche Bahn jetzt die Hosen runter. Die Stellungnahme der Konzernspitze zur Lage kommt einer Bankrotterklärung gleich.

Verbände der Transportbranche haben immer wieder Alarm geschlagen und eine bessere Planung angemahnt, doch die warnenden Rufe, auch an den damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und seinen Nachfolger Volker Wissing (FDP), verhallten bislang ungehört. Jetzt steht die Deutsche Bahn überall in der Kritik und Konzernchef Lutz spricht von einem „gleichzeitig hochbelasteten und störanfälligen Schienennetz“, dessen Sanierung die zentrale Aufgabe in den kommenden Jahren sein soll. Erleichterungen sind erst einmal nicht in Sicht, vielmehr stimmt Lutz die Kunden auf „längere Sperrpausen“ ein.

Lutz: Kaum auflösbares Dilemma

„Die aktuelle Betriebslage zeigt ebenso deutlich wie schmerzhaft, dass wir ein kurzfristig kaum auflösbares Dilemma haben: Gleichzeitig Wachsen und Modernisieren ist an zu vielen Tagen und auf zu vielen Korridoren nicht mehr mit guter Betriebsqualität und Pünktlichkeit möglich. Die massiven Auswirkungen spüren alle Eisenbahnverkehrsunternehmen und damit auch alle Fahrgäste, Aufgabenträger und Güterverkehrskunden. Dessen sind wir uns bewusst“, so Lutz.

Bessere Vorplanung versprochen

Angesichts der seit langem prekären Situation wirkt diese Aussage wie aus der Zeit gefallen, und es stellt sich die Frage, warum Lutz seine Erkenntnisse zur Sanierung jetzt erst hat und warum nicht besser geplant wurde. Dass der Konzern in engem Austausch mit dem Bundesverkehrsministerium steht, worauf der Vorstandschef auch verweist, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. „Bessere Vorplanung mit höherer Verlässlichkeit und längeren Vorlaufzeiten für alle Beteiligten“ verspricht der Konzern jetzt, wo die Lage offenbar kaum noch aufzulösen ist.

Droht der Zusammenbruch?

Dass ein Zusammenbruch kurz bevorstehen könnte, könnte man einem Video zur aktuellen Betriebssituation vom Produktionsvorstand der DB Cargo, Ralf Günter Kloß, entnehmen. Er hat es am Wochenende vor der am Montag eilig einberufenen Pressekonferenz des Konzernvorstands verschickt. „Wir sind in einer Situation, die ist fast schon nicht mehr beschreiblich“, sagte er und bedankte sich bei der Belegschaft, die sich immer wieder „gegen das drohende Chaos, gegen den kompletten GAU auf unserem Produktionssystem“ stemme. „Wir sind die Betroffenen von Baumaßnahmen, von Störungsgeschehen, das wir kaum noch beherrschen können“, sagte er. „Ich habe in meinen gesamt fast 40 Jahren bei der DB Cargo eine solche Situation nicht erlebt.“

Viele Maßnahmen ergriffen

Es seien mittlerweile viele Maßnahmen ergriffen worden, sagte Kloß. „Wir haben teilweise für 25 bis 30 Prozent unserer Annahmestellen im Einzelwagenverkehr Annahmesperren ausgesprochen, wir haben zum Teil unsere Ganzzugsysteme runtergefahren, wir sind mit Kunden im Gespräch und nehmen immer weiter Mengen aus dem System.“ Bei Großbaustellen würden 25 bis 30 Prozent der Mengen herausgenommen, „und trotzdem merken Sie, es reicht vorn und hinten nicht“. Es seien am Markt 25 Lokomotiven zusätzlich angemietet worden, die man versuche, ins System zu speisen. „Mehr gibt es momentan tatsächlich nicht.“ Auch beim Personal gelange man an die Grenze der Ressourcen. „Wir müssen schauen, was wir noch machen können.“

Vor dem großen Netz-Bauen

Ohne den starken Einsatz der Beschäftigten von DB Cargo wäre man schon in einer viel schlimmeren Situation, beschreibt Kloß die Lage. „Das System würde stehen, und wir würden wahrscheinlich keinen einzigen Zug mehr fahren können im gesamten Bundesgebiet.“ Es gebe hierzu Gespräche im Vorstand und man werde versuchen, mit sehr, sehr radikalen Maßnahmen die Lage anzugehen. Es gehe um Stabilität in den nächsten Wochen. Und das sei erst der Beginn: „Die großen Bauthemen stehen noch vor uns.“

Gemeinwohlorientiert in die Zukunft

Ein neues Konzept soll laut Konzernchef Lutz nun her, dessen konkrete Umsetzungsschritte in den nächsten Jahren „in engem Schulterschluss zwischen Bund, Bahn und der gesamten Branche“ angegangen werden sollen. Erste Eckpunkte sollten noch vor der Sommerpause gemeinsam vorgestellt werden. Ziel sei eine gemeinwohlorientierte Infrastruktur aus einem Guss. Diese bedeute „vor allem eine Ausrichtung auf die verkehrs- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung“, lässt sich Lutz zitieren. Die Profitabilität steht offenbar erst einmal hintenan.

Generalsanierung der Korridore

Der Konzern ist offenbar von der Entwicklung auf den Verkehrsmärkten überrascht worden, Fahrgäste und Güterverkehrskunden seien schneller zur Schiene zurückgekehrt als erwartet, erläuterte Lutz. Ein Wachstum des Verkehrsträgers wird allerdings seit Jahren politisch verfolgt. Bekannt seit langem ist auch, was Lutz noch einmal herausstreicht: „Die aktuellen Zuverlässigkeits- und Qualitätsprobleme des Verkehrsträgers Schiene sind im Kern Kapazitäts- und Überalterungsprobleme in der Infrastruktur.“ Jetzt soll es eine Generalsanierung der hochbelasteten Korridore geben. Ist sie einmal umgesetzt, kann die Branche aufatmen.

Vor den Störungen des Schienengüterverkehrs wird seit langem gewarnt. Näheres hier:

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