Historische Kipper Hauber in der Grube

Wer sich hobbymäßig für alte Kipper interessiert, kennt keine langweiligen Winterabende. Denn schon jetzt laufen die Vorbereitungen für die nächste Saison.

So gnadenlos wie der Alltag der meisten Kipper im Baustellenverkehr ist, genauso gnadenlos endet er meistens auch: Die meisten verschwinden im Export, wo sie danach häufig noch viel härter rangenommen werden und nicht selten bis zum Auseinanderfallen schuften müssen. Kein schönes Leben, aber die simple Antwort darauf, weshalb gut erhaltene Kipper in der Szene der historischen Nutzfahrzeuge so selten sind. Parallel dazu erleben Kipper, im Vergleich zu nostalgischen Fernverkehrszügen, momentan einen ungeahnten Boom. "Einerseits sind sie natürlich kompakter und lassen sich besser unterstellen. Andererseits kann man mit einem alten Kipper aber auch nach Herzenslust spielen", erklärt Helmut Hoffmann vom Oberhausener Nutzfahrzeuge Veteranen Center (NVC).

Der 70-jährige Lkw-Restaurator weiß, wovon er spricht. Er war jahrzehntelang selbst Spediteur und hat mit dem Transport von Sand, Schutt und Abraum seine Brötchen verdient. Und danach handelte er mit gebrauchten Lkw und verkaufte sie in alle Welt.

Historische Lkw sind ein Kulturgut

Dass Hoffmann irgendwann die Liebe zu alten Lastwagen entdeckte, hat in erster Linie damit zu tun, dass er schon sehr früh erkannte, dass historische Lkw eine Art Kulturgut sind. "Es ist eine ähnliche Entwicklung wie bei den alten Autos. Und auch dort hat der Wert eines historischen Lkw in den meisten Fällen damit zu tun, welche Erinnerungen sein Besitzer damit verbindet", sagt Hoffmann. "Als Kinder standen wir alle fasziniert davor." Klingt plausibel. Seit Jahrzehnten ist Hoffmanns Firma in Oberhausen eine Art erste Adresse für die Restaurierung von alten Lastwagen. Sogar für die Museumsabteilungen der großen Lkw-Hersteller arbeiten er und sein Sohn Sascha (37) sowie ein Team ausgesuchter Mitarbeiter regelmäßig.

Wobei der rüstige Unternehmer zugibt, dass auch er ein ausgesprochenes Faible für Kipper hat: "Es ist das Erleben von Mechanik. Man spürt nämlich sofort, was solche Lastwagen leisten können und wie sie dazu beitragen, dass sich wirklich etwas bewegt". Wie viele Kipper Helmut Hoffmann in den letzten Jahrzehnten restauriert hat, weiß er selbst nicht. Wer Hoffmann allerdings am Rande von Kippertreffen erlebt, ahnt sofort, dass er die meisten der schönsten Exemplare in den Fingern gehabt hat. Wie bei einem privaten Kippertreffen in Bottrop, wo rund 40 Lkw ihre Runden drehen. Das Wetter ist bescheiden. Aber wer sagt denn, dass historische Kipper nur etwas fürs Auge sind, wenn sie frisch gewaschen und poliert in der Halle stehen? Einmal mehr beweisen sie, dass sie trotz ihres Alters noch immer jederzeit dazu in der Lage sind, die vielfältigsten Anforderungen im Baustellenverkehr zu meistern. Für Kenner der Szene sind solche Bilder eine echte Augenweide. Sie haben auch gar kein Problem damit, dass ihre Lastwagen hinterher ein bisschen mitgenommen aussehen.

Jeder Lastwagen weckt Erinnerungen

"Hier im Sandkasten kann man spielen, wie früher. Man hat unheimlich viel Spaß. Wenn man ein Auto restauriert hat und man schaut es nur an, ist das doch langweilig", erzählt Henk van den Heerik, der eigens zu dem Treffen mit zwei alten Volvos aus den benachbarten Niederlanden angereist ist. Längst hat Helmut Hoffmann sechs wunderschöne Kipper-Klassiker zu einem Gruppenfoto vereint. Jeder dieser Lastwagen weckt Erinnerungen. Und einer ist schöner als der andere. Helmuts heimlicher Favorit aber ist ein orangefarbener MAN 22.230 von 1971. "Eine 21-Tonnen-Mulde und 24-Zoll-Räder, das war ganz was Seltenes, die haben wir früher im Einsatz gehabt", schwärmt er. Inzwischen ist der einstige Kraftprotz im Besitz von Martin Brinkschmidt aus dem Münsterland. Denn am Rande eines Kippertreffens hat sich Hoffmann breitschlagen lassen und den MAN verkauft. Er tröstet sich jedoch damit, dass seine geliebte Mulde in guten Händen ist. Damit das Gruppenbild perfekt wird, heißt es "hoch mit den Mulden". Auch die sind selbstverständlich alle wie neu.

So wie beim Magirus-Deutz 230 D 22 AK von 1968. Eine Augenweide in Weinrot. Unter der Haube werkelt ein 230 PS starker V8-Diesel mit 12.579 Kubik. Dass aber am Lenkrad des Allradkippers ausgerechnet ein in der Szene bekannter Mercedes-Benz-Liebhaber sitzt, verwundert ein wenig. Doch der stolze Besitzer hat gute Gründe, weshalb er ausgerechnet diesen Magirus-Deutz bei den Hoffmännern gekauft hat. Es ist die unglaublich geringe Laufleistung von gerade mal 27.222 Kilometern: "Der Magirus ist von 1971 bis 1987 bei der Deutschen Bundesbahn gelaufen und fährt sich wie eine Baumaschine mit einer Kabine drauf."

Die meisten Kipper sind sternlastig

Solche Raritäten muss man erst einmal finden. Bei der Firma Hoffmann und dem dazugehörigen Nutzfahrzeuge Veteranen Center steht eine Oldtimer-Flotte, wie es sie garantiert kein zweites Mal in ganz Europa gibt. Und das in jedem Zustand, sodass auch die ganz persönlichen Vorlieben und finanziellen Möglichkeiten der Interessenten berücksichtigt werden. Helmut Hoffmann und sein Sohn Sascha teilen die Leidenschaft für alte Lkw, wenn auch unterschiedlicher Baujahre. "Bei mir sind es die 50er-Jahre-Autos, Hauber von Büssing, Krupp, Mercedes-Benz und Henschel", sagt Helmut. Sascha hat es eher mit den Lkw aus den 70er-Jahren, überwiegend Mercedes-Benz. "Der Junge ist eindeutig sternlastig." Eine gewisse Sternlastigkeit ist übrigens den meisten Kippertreffen anzumerken.

Die klassischen Rundhauber sind gefragter denn je. Und einige Besitzer sehen sie auch als eine Art Kapitalanlage an. Gisbert Suden, der Veranstalter des privaten Kippertreffens, sagt: "Am Ende ist es wie immer eine reine Geschmackssache. Mich fasziniert vor allem, wie viele dieses Hobby inzwischen begeistert und zu unseren Treffen kommen. Dabei verschicken wir nicht einmal Einladungen." Neben den alten Kippern gehen genauso schwere Radlader, Bagger und Planierraupen mit ähnlich langer Biografie an den Start. "Was Baustellen angeht, ist die Begeisterung besonders groß. Hier können wir nicht bloß zeigen, wie die alte Technik funktioniert, sondern auch gleich vorführen, dass man mit ihr heute noch Berge versetzen kann", schwärmt Szene-Original Helmut Hoffmann.

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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 03 2017 Titel
lastauto omnibus 03 / 2017
13. Februar 2017
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