Vergleichstest Mercedes Actros 2646 LK: Powershift vs.Telligent

Mercedes Actros 2646 LK Powershift, Mercedes Actros 2646 LK Telligent Foto: Michael Kern, Daimler 12 Bilder

Vergleichstest: 12 oder 16 Gangstufen – womit fährt der Mercedes Actros im
Gelände besser? Die Probe aufs Exempel ergibt ein knappes Rennen, das Powershift trotz des Handicaps geringerer Spreizung für sich entscheidet.

Zwei Varianten tanzen bei der Powershift-Familie aus der Reihe. Zwölf Gänge und direkt übersetzter größter Gang sind die Regel. Eine Extrawurst gibt es nur bei der für den Schwertransport vorgesehenen 16-Gang-Variante mit doppeltem Overdrive sowie für das Zwölfganggetriebe namens G 330-12. Bei diesem ist es der einfache Overdrive, der ihm zu seiner Sonderstellung unter den sonst mit direktem größten Gang ausgeführten, unsynchronisierten Zwölfganggetrieben von Mercedes verhilft. Das Eingangsdrehmoment von maximal 3.300 Newtonmetern bedeutet zudem: Dieses Zahnwerk ist auch härteren Nüssen gewachsen. Solchen zum Beispiel, mit denen sich ein Kipper öfter konfrontiert sieht. Wer beim Kipper Wert auf 16 Gänge legt, bekommt die weiterhin geboten. Als 16-gängiges Pendant zur Power­shift-Automatik liefert Mercedes das automatisierte Getriebe G 240-16, das gar zwei ins Schnelle übersetzte Gänge am Ende der Gangstufen ins Feld führt. Gewichtiges Argument für diese konventionelle Lösung: Mit 16,99 fällt die Spreizung des Getriebes trefflich hoch aus und verspricht sowohl einen antrittsstarken und kupplungsschonenden ersten Gang als auch moderate und somit verbrauchsgünstige Drehzahlen im höchsten Gang. 

Gesamtübersetzung 3,33
Im Detail bedeutet dies beim Testkandidaten, dem bordeauxroten 2646 LK, der mit 233-Millimeter-Tellerrad antritt: Aus Hinterachsübersetzung von 4,83 sowie mit 0,69 übersetztem höchsten Gang resultiert eine Gesamtübersetzung von 3,33. Bis 6,2 km/h reicht so der erste Gang, der kleine Rückwärtsgang kommt auf maximal 6,8 km/h.Das macht sich im Gelände gut und bei Autobahntempo 85 stehen 1.450/min auf der Uhr. Nur fällt damit der Zeiger des Drehzahlmessers bei Landstraßentempo 65 km/h dann auf knappe 1.100/min. Das ist nur hauchdünn über dem Punkt des maximalen Drehmoments und keine allzu komfortable Sache mehr, sobald die Piste auch nur leichte Wellen aufweist.  Etwas anders geht der goldfarbene Powershift-Kipper die Sache an. Mit 300 Millimeter Tellerrad-Durchmesser lautet die Hinterachsübersetzung zwar 4,57 statt 4,83 wie beim bordeauxfarbenen Telligent-Kipper. Doch der höchste Gang des unsynchronisierten Zwölfganggetriebes – ein Overdrive mit 0,77-Übersetzung – hievt dann die Gesamtübersetzung auf den Wert von 3,52. Ein wenig kürzer ist der Powershift-Kipper insgesamt also übersetzt als sein Telligent-Kollege.  Was die Geländetauglichkeit angeht, zeigt sich die Zahnrad-Arithmetik nun etwas launisch: Bis 6,7 km/h reicht der erste Gang, bis 6,1 km/h der erste Rückwärtsgang. Beim Telligent-Kipper ist’s grosso modo gerade andersrum. Dass die Powershift-Spreizung von 15,10 insgesamt geringer ist, bewirkt bei schnellerer Fahrt: 1.160/min bei Landstraßentempo 65. Da darf also schon mal die eine oder andere minimale Erhebung kommen, bevor Powershift im Getriebe zu rühren hätte. Und auf der Autobahn schnellt der Zeiger bei 85 km/h gen 1.520/min. Auch damit lässt sich’s leben, auch wenn es dann im Maschinenraum durchaus lebhaft zugeht.

Gewicht und Gangstufen

Wer sich darüber hinaus vom unsynchronisierten Powershift-Getriebe Gewichtsvorteile verspricht, der wird enttäuscht. Zwar ist keine Synchronisierung mehr aufgetischt, doch ist die eben weit massiveren Zahnrädern gewichen. Die Fähigkeit, 3.300 Newtonmeter zu verkraften, kommt nicht von ungefähr. Genau genommen bringt das Powershift-Getriebe G 330-12 gar 13 Kilogramm mehr auf die Waage als die 16-gängige Schaltbox G 240-16. Getäuscht sieht sich auch, wer beim 16-Ganggetriebe der feineren Abstufung wegen vor allem am Berg auf besseren Verbrauch spekuliert. Einen Tag lang fuhr die Redaktion beide Kipper als Tandemzug und mit gut 40 Tonnen Gesamtgewicht auf steilen Bergpassagen der Schwäbischen Alb. Die Auswertung der Bergmessungen bescheinigt dem Powershift-Kipper gar einen klitzekleinen Vorteil beim Verbrauch, der allerdings gerade mal rund ein halbes Prozent beträgt – sich also im akademischen Bereich bewegt.  Der Vorsprung schrumpft auf nur noch ein homöopathisches Viertelprozent, sobald noch etwas hügeliges bis flaches Terrain Eingang in die Rechnung findet. Zurückzuführen dürfte dies ganz einfach auf die etwas längere Gesamtübersetzung des Telligent-Kippers sein, die bei Teillast immer auch günstigeren Verbrauch bedeutet. Doch warum kann der Telligent-Kipper am Berg kein Kapital aus der feineren Abstufung seines Getriebes schlagen?Die Antwort ist einfach: Gerade die vielen Gangstufen werden ihm zum Verhängnis. An stetig wechselnden Fahrwiderständen herrscht auf der Teststrecke, dem serpentinenreichen, strammen Aufstieg zur Schwäbischen Alb hinauf, kein Mangel. Entsprechend oft versucht die fein abgestufte Telligent-Schaltung, es besonders recht zu machen und wechselt damit die Gänge unterm Strich so oft, dass die hohe Zahl an Zugkraftunterbrechungen am Ende den theoretischen Vorteil wieder aufhebt.

Exakt 26 Mal schaltet der Telligent-Kipper, wandert unstet zwischen Sieben klein und Drei groß hin und her, bis er endlich die Fuhre über kurvige Stiche vom Unterland bis hinauf an den Albtrauf gebracht hat. Rund 250 bis 300/min betragen die Gangsprünge, womit der Rechner oft vor die Wahl gestellt ist, ob er es nicht besser doch einen Gang höher oder tiefer versuchen soll. Und da die Elektronik keine Augen hat, probiert sie es im Zweifelsfall halt nur zu gern mit dem, was im Moment das Günstigere scheint. Das haut nicht immer hin. Am einen Testberg klappt es zwar ganz gut, an einem anderen allerdings tut die Telligent-Schaltung deutlich des Guten zu viel. Unterm Strich kommt sie an die Ergebnisse des Powershift-Kippers nicht ran. Der Powershift-Bruder wendet dagegen insgesamt nur zehn Schaltungen zwischen den Gangstufen elf und sechs für die gleichen Übungen auf. Rund 400/min betragen bei ihm die Gangsprünge und diktieren damit allerdings auch manchmal Schmerzliches. Im Achtprozenter orgelt der Zwölfgang-Kipper zum Beispiel endlos im sechsten Gang bei Nenndrehzahl, weil ein Gang höher an solch steilen Bergen der Anschluss doch nicht klappt. Dennoch braucht er dabei keineswegs mehr Sprit, sondern spart auf diese schaltarme Weise unterm Strich bei den Bergmessungen sogar ein halbes Prozent Sprit.  Vor allem aber spart er Zeit: Bei identischer Motorleistung legt der Powershift-Kipper die gleiche Bergdistanz satte drei Prozent schneller als der Telligent-Kollege zurück, bringt also der geringeren Anzahl an Gängen zum Trotz deutlich bessere Fahrleistung. Spricht also alles für Powershift und zwölf Gänge statt Telligent-Automatik mit 16 Gängen. Zumal Powershift nicht nur komfortabler und bei Bedarf auch schneller schaltet als die Telligent-Automatik. Zudem bietet sie Sonderfunktionen wie Manövrier-, Power- oder Freischaukelmodus und dient gegen Aufpreis auch mit einem Extra-Geländemodus. Der gehört freilich zu einem viel jüngeren Kapitel der Lkw-Geschichte, das erst jüngst aufgeschlagen wurde – und extra zu beleuchten sein wird.

Die Qual der Wahl


Was die rechte Zahl an Gängen sei, füllt ein besonderes Kapitel der Lkw-Geschichte. Die Antwort fiel über die Jahre höchst unterschiedlich aus. Volvo zum Beispiel preschte einst mit 16 Gängen vor, schaltete dann aber zurück auf zwölf. Scania favorisierte lange Zeit nur zehn Gänge, schwenkte dann aber ebenfalls aufs volle Dutzend um. ZF wiederum stand jahrzehntelang für 16-Gang-Schaltboxen, besann sich aber bei der AS-Tronic ebenfalls auf zwölf Gänge. Und stattet heute gar schon so manches Handschaltgetriebe mit zwölf Gängen aus. Mercedes allerdings machte erst mal munter weiter mit der 16-Gang-Lösung, bis dann im Jahr 2006 die Powershift-Getriebe kamen: Plötzlich waren mit diesen unsynchronisierten Schaltboxen auch bei Mercedes zwölf Gänge in den Fokus gerückt. Dass die Gänge im Dutzend – zumal mit den heutigen drehmomentstarken Motoren – in der Regel die bessere Wahl sein werden, zeigen nicht zuletzt die Ergebnisse dieses Tests. 


 

 

 

Fazit

So wurde getestet
Fast auf den Zentner genau gleich beladen absolvierten die beiden Kandidaten den Testparcours, der aus rund zwei Drittel Bergfahrt sowie einem Drittel eher flacher Strecke bestand. Daher die hohen Verbräuche, wie sie mit 40 Tonnen am Berg eben anfallen. Warum die jeweilige Bergabfahrt auf der Testrunde in diesem Fall nicht mitzählt: Der eine Actros hatte einen automatisch zugesteuerten Retarder, der andere nicht. Das hätte die Ergebnisse verzerrt. Am Steuer saßen zwei Redakteure, die – immer reproduzierbar – jeweils ihren persönlichen Stil in streng definiertem Rahmen fuhren: Landstraßentempo 65 km/h wo möglich, bergab nicht mehr als 70 km/h – und die Automatiken sollten so schalten, wie sie es für richtig hielten. Korrigiert wurden die Ergebnisse der Verbrauchsmessgeräte zum einen durch Nachtanken sowie zum anderen durch Bereinigung der Temperaturunterschiede des Diesels bei Start und Ziel. ­Genauer geht es kaum.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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