Mercedes-Benz Actros 1853 und 1845 Mit Hochdruck zu mehr Effizienz

Fahrvorstellung Mercedes-Benz Actros OM 471 Foto: Thomas Küppers 8 Bilder

Mercedes hat den 12,8-Liter-Motor OM471 überarbeitet und dabei gleich noch das Angebot erweitert. Wir waren mit dem Brot-und-Butter-Motor mit 449 PS sowie dem neuen Topleister mit 530 PS auf Tour.

Zahlenspiel: Als wir uns auf den ersten der beiden strahlend weißen Actros zur Testfahrt zubewegen, fällt sofort die Typbezeichnung auf. "1853" steht in silbernen Ziffern auf der Tür. Das gab es schon mal, und zwar vor rund 20 Jahren bei der ersten Actros-Generation. Damals wie heute stand die 18 für das zulässige Gesamtgewicht in Tonnen und die 53 für 530 PS Motorleistung. Der wesentliche Unterschied: In den späten 90ern wummerte ein wuchtiger 15,9 Liter großer Achtzylinder (OM502) unterm Haus, heute kommt dieselbe Leistung im überarbeiteten Sechszylinder-Aggregat OM471 aus 12,8 Liter Hubraum.

Im Fahrerhaus des jüngsten Sprosses der Actros-Familie geht es indes zu wie immer. Allenfalls beim Blick in die Staufächer fällt auf, dass die verbaute Standklimaanlage neuester Generation nun ohne einen Kältespeicher auskommt, der sonst im Innenraum Platz wegnimmt. Den Speicher hat Mercedes beim 50 Kilo leichteren Neubau der Kältemaschine durch einen elektrischen Kompressor und zwei ebenfalls strombetriebene Lüfter ersetzt.

Effizienzsteigerung durch Druckerhöhung des vorgehaltenen Kraftstoffs

Auf zur ersten Runde: Schlüssel ins Schloss, Startknopf betätigen und schon geht es los entlang der sommerlich warmen slowenischen Küste. Der 1853 rollt mit Tempo 65 und voll ausgeladenem Trailer entspannt dahin. Das Powershift-3-Getriebe (G281-12) hat die zwölfte Fahrstufe und damit den Direktgang eingelegt und der Drehzahlmesser steht knapp über 900/min. Auf der leicht hügeligen Küstenstraße bleibt der Actros bei den meisten Steigungen im zwölften Gang. Kraftreserven hat das Aggregat ausreichend. Das liegt zum Teil an der nicht zu langen Hinterachsübersetzung mit i = 2,733, vor allem aber am leistungsfähigen Motor. Mercedes hat durch verschiedene innermotorische Maßnahmen (siehe lastauto omnibus 8/15) nicht nur eine neue Leistungsstufe geschaffen, sondern auch die Drehmomentkurve in Richtung niedrige Drehzahlen verschoben. Maßgeblich für die Effizienzsteigerung des OM471 der zweiten Generation ist eine Druckerhöhung des im Common Rail vorgehaltenen Kraftstoffs von 900 auf 1.160 bar. Damit lässt sich ein Einspritzdruck von beeindruckenden 2.700 bar an den Injektoren im Maximum realisieren. Die Einspritzdüsen haben ein zusätzliches Loch an der Spitze bekommen – in Summe sind es nun acht.

Auf diese Weise lässt sich der Eintritt des Kraftstoffs in die verdichtete Luft besser modellieren, was zu einer effektiveren und damit auch saubereren Verbrennung führt. Zudem hat Daimler das Verhältnis von Kraftstoff und Luft im Brennraum in Richtung mager (mehr Luft als Diesel) verschoben. Damit sinkt der Verbrauch, allerdings kommt am Krümmer auch stärker NOx-haltiges Abgas an. Die Mercedes-Entwickler haben zudem den Anteil des zurückgeführten Abgases (AGR-Rate) gesenkt, was den NOx-Anteil auf dem Weg zur Abgasreinigung ebenfalls kaum positiv beeinflussen dürfte. Deshalb verbraucht der OM471 bei der Abgasnachbehandlung auch etwas mehr Adblue als sein Vorgänger, etwa fünf Prozent im Vergleich zu ehemals rund drei Prozent. Auf eine technische Neuerung im OM471 weist Mercedes besonders hin: Das AGR-Ventil sitzt fortan direkt am Krümmer, was regelungstechnisch den Vorteil mit sich bringt, dass der Weg vom Auslassventil zurück in den Brennraum wesentlich verkürzt wird. Zudem hat das Abgas am AGR-Ventil eine höhere Temperatur als bisher. Das verringert die Ablagerungen am Ventil und erhöht die Dauerhaltbarkeit. Im Gegenzug würde der Kühlaufwand bei der AGR zunehmen. Durch verringerte AGR-Raten lässt sich dem entgegenwirken, was letztlich im SCR-Katalysator durch vermehrten Adblue-Einsatz kompensiert wird.

Das Wastegate wird durch die neue Ventilposition eingespart

Der entscheidende Vorteil der neuen Ventilposition ist aber, dass Daimler damit ein anfälliges Bauteil einspart – das Wastegate. Das AGR-Ventil kontrolliert in seiner neuen Position 50 Prozent des Abgaszustroms (aus den Zylindern eins bis drei) zum AGR-Trakt und zum Turbolader. So lassen sich der Druck im Luftverdichter und die AGR-Rate zeitgleich steuern. Mehr Laderdruck bedeutet eine niedrigere AGR-Rate, was auch die Effizienz der Verbrennung steigert. Wird weniger Leistung benötigt, sorgt das AGR-Ventil dafür, dass der Laderdruck sinkt und die verbrennungskühlende Abgasrückführung ausgeweitet wird.

Für den Fahrer machen sich die innermotorischen Maßnahmen zumindest in niedrigen Drehzahlen bemerkbar. So liegen beim 1853 bereits aus dem Standgas kommend bei der ersten Fahrpedalberührung rund 1.600 Newtonmeter an der Kurbelwelle an. Auf der slowenischen Landstraße bei 900 Umdrehungen ist das Drehmoment schon jenseits der 2.400er-Marke auf dem Weg zu den maximal verfügbaren 2.600 Newtonmetern bei 1.100/min. Kein Wunder also, dass Powershift auf der Landstraße kaum in den elften Gang zurückmuss.

Fahrer muss sich erst an die neue Schaltstrategie gewöhnen

Ist aufgrund der Steigung doch einmal zurückschalten angesagt, muss sich der Fahrer erst an die Schaltstrategie gewöhnen. Dank des Drehmomentverlaufs wählt Powershift erst bei vermeintlich niedrigen Drehzahlen den nächsttieferen Gang. Da liegt manches Mal die Fahrerhand instinktiv schon auf dem Lenkstockhebel zum manuellen Rückschalten.

Mit der verfügbaren Power gibt sich der 1853 auch auf der Autobahn keine Blöße. Beim Blick auf den bei 1.220/min stehenden Drehzahlmesser bei Tempo 85 liegt eine Änderung der Achskonfiguration nahe. Für die mit i = 2,533 längste verfügbare Übersetzung wäre die Leistung des Lkw immer noch mehr als ausreichend und der Dieseldurst des Actros noch mal geringer. Apropos Verbrauch: Mercedes beziffert das Einsparpotenzial durch die Überarbeitung des Motors mit drei Prozent im direkten Vergleich zum bisherigen Serienstand. Für den 1853 stellt sich damit zum einen die Frage, wie er im Vergleich zur bisherigen Top-Leistungsstufe mit 510 PS aussieht. Zum anderen könnte die 530-PS-Maschine eine leichte, sparsame und kostengünstige Alternative zur kleinsten Leistungsstufe im 15,6-Liter-Segment sein. Zurück am Startpunkt mit dem 1853 wartet schon der Brot-und-Butter-Mercedes der deutschen Speditionsbranche, der 1845. Der zweite Sattelzug unterscheidet sich – abgesehen vom Typenschild – nur in wenigen Punkten vom Lkw der ersten Runde. So kommt der OM471 mit der niedrigeren Leistungsstufe mit einer zeitweilig verfügbaren Drehmomenterhöhung im zwölften Gang (Top Torque) daher.

Beim Getriebe tut es die abgespeckte Variante G211-12, die mit einem Eingangsdrehmoment von 2.100 Newtonmetern zurechtkommt und bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 45 Tonnen ausgelegt ist. Beim 1853 ist das G281-12 genannte Getriebe vonnöten, das 700 Newtonmeter mehr an der Antriebswelle verträgt und für Gesamtgewichte bis 60 Tonnen ausgelegt ist, dafür aber auch rund 50 Kilogramm mehr auf die Waage stellt.

Wer sich in der Verbrauchsfrage besser schlägt, hängt stark vom Streckenprofil ab

Das Fahrzeuggewicht ist sicher auch einer der kaufentscheidenden Punkte im direkten Vergleich zwischen 1845 und 1853. Letzterer hat in der Testkonfiguration knapp 800 Kilogramm mehr auf dem Rahmen liegen. Wobei die kleineren Tanks des 1845 rund 200 Kilogramm davon ausmachen. Dennoch sind 500 bis 600 Kilogramm mehr Zuladung ein schlagkräftiges Argument.Bleibt dabei der Fahrspaß auf der Strecke? Bei voller Zuladung machen sich die 400 fehlenden Newtonmeter bei 81 PS weniger vor allem an langen Steigungen bemerkbar. Dem Getriebe bleibt dann keine andere Wahl, als teilweise bis in den neunten Gang zurückzugehen. Eine Situation in der der 1853 noch mit dem elften Gang auskommt. Das liegt beim Testfahrzeug aber nicht nur an der Motorcharakteristik, sondern auch an der mit i = 2,533 längeren Hinterachse bei gleicher Getriebeabstufung. Da kann auch die kurzzeitig verfügbare Drehmomenterhöhung nur gelegentlich Abhilfe schaffen. Das darf der Fahrer aber als jammern auf hohem Niveau abhaken. Der Actros 1845 ist trotz geringerer Leistung und langer Übersetzung immer noch flott unterwegs. Bei einer Runde mit beiden Fahrzeugen in Kolonne kann der 1853 seinen kleinen Bruder nur bei langen Steigungen etwas distanzieren. Die beiden Fahrzeuge müssten schon ziemlich weit fahren, damit sich ein echter Zeitgewinn einstellt.

Beim Verbrauch dürfte der 1845 einen Vorsprung in der Testkonfiguration haben. Im Direktgang steht der Drehzahlmesser 90 Umdrehungen niedriger bei 1.130/min, während der benachbarte Zeiger Tempo 85 markiert. Das macht an der Tankstelle trotz einiger Rückschaltungen sicher noch das eine oder andere Zehntel aus. Ob der 1845 bei identischer Konfiguration in Sachen Verbrauch noch einen Vorsprung vor dem 1853 hat, hängt stark vom Streckenprofil ab. Wir sind gespannt, welcher der beiden Motoren bei Tests auf der anspruchsvollen lastauto omnibus-Teststrecke die Nase vorn hat. Dann gehen die Zahlenspiele erst richtig los.

Technische Daten
Mercedes-Benz Actros 1853 LS 4x2 Streamspace
Motorbauart Reihenmotor
Außenhöhe 3.774 mm
Leergewicht 7.837 kg
Kraftstoff Diesel
Tankinhalt 570.00 l
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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 10 2015 Titel
lastauto omnibus 11 / 2015
12. Oktober 2015
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