ZF-Lenkungen Von Schnecken und Spindeln

Foto: Karl-Heinz Augustin 8 Bilder

Klein hat ZF bei den Lenkungen angefangen, stieg aber bald zum europäischen Marktführer auf. Mit der Übernahme des US-amerikanischen Zulieferers TRW wurde vor Kurzem noch ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen.

Das Mittel ist dasselbe, der Zweck aber ein anderer: Geht es beim Fahrzeuggetriebe darum, Drehzahlen zu reduzieren, so hat sich das Lenkgetriebe einer anderen Aufgabe verschrieben. Die vom Fahrer aufgebrachte Kraft zu erhöhen ist sein Daseinszweck. Dass es bei der Lenkung ohne Getriebe kaum geht, das ist auch der Grund dafür, warum ZF überhaupt ins Geschäft mit den Lenkungen einsteigt.

Der Startschuss fällt im Jahr 1932. ZF erwirbt vom US-Unternehmen Ross die Lizenz zur Fertigung der sogenannten Einfingerlenkung. Gemeint sind damit aber nicht die Bedienkräfte. Es ist die besondere Art Konstruktion, die der Ross-Lenkung den Zweitnamen mit dem einen Finger gibt. Die Lenkstange ist am unteren Ende mit einer Schneckenradverzahnung bestückt, in der einem einzelnen Zapfen eine ganz spezielle Bedeutung zukommt: Über eine Welle mit dem Lenkstockhebel verbunden, gibt dieser Finger seine Bewegung über ein Gestänge an die Vorderräder weiter. Die Ross-Lenkung bewährt sich sowohl im Pkw als auch in Lkw und Bus. Sie wird im Stammhaus in Friedrichshafen angefertigt.

Wirtschaftswunder sorgt auch bei Lenkungen für Aufschwung

Nach dem Krieg belebt erst die Wirtschaftswunderzeit die Nachfrage nach Lenkungen wieder richtig. Seit 1945 sitzt die Produktion nun im Zweigwerk Schwäbisch Gmünd und kann im Jahr 1948, als die Beschlagnahmung durch die Amerikaner endet, die Produktion wieder aufnehmen. Schon 1952 gibt es Grund zu feiern: Die Nachkriegsproduktion erreicht die Marke von 500.000 Einheiten.

Doch da sind die Tage der Ross-Lenkung allmählich gezählt. Die ebenfalls aus den USA stammende Gemmer-Lenkung läuft ihr den Rang ab. Die entsprechende Lizenz erwirbt ZF 1953 und macht damit einen guten Griff: Fast acht Millionen dieser Lenkungen produziert das Werk in den zwei folgenden Jahrzehnten bis 1977.

Als sogenannte Schneckenrollenlenkung fällt die Konstruktion sehr kompakt aus und glänzt durch geringe Verschleißanfälligkeit. Auch bewirkt die Form der Schnecke, dass die Lenkung leichter in die Mittellage zurückkehrt.

Zudem ist in Gestalt der Gemmer-Lenkung die Basis für die erste hydraulisch unterstützte Lenkung von ZF gefunden. Mit ihr verringert sich der Kraftaufwand beim Lenken um 70 bis 80 Prozent.

Vom Lizenznehmer zum Innovator

Unzufrieden mit dem Status als Lizenznehmer treiben die ZF-Ingenieure  die Entwicklung eigener Konstruktionen voran. Als Schrittmacher fungiert dabei eine Spindelhydrolenkung für Nutzfahrzeuge, die 1956 in Serie geht. Acht Jahre später kommen auch die Personenwagen in den Genuss dieser Bauart, die – zur Kugelumlauflenkung weiterentwickelt – die Lenkkräfte noch einmal kräftig reduziert.

Sehr schlank und robust tritt diese neue Form des Lenkgetriebes an, der eine Spindel am Ende der Lenkwelle ihren Namen gibt. Sie verwandelt die vom Lenkrad kommende Drehbewegung per Trapezgewinde über einen Kolben in axiale Bewegung. Für 2,5 bis 15,0 Tonnen Achslast eignet sich diese erste Spindelhydrolenkung.

Roll- statt Gleitreibung heißt bei ihr die Devise: Stand das vorherige Zusammenspiel zwischen Gewindespindel und -mutter im Zeichen relativ hoher Gleitreibung, so treten nun Kugeln auf den Plan, die in den Gewindegängen umlaufen und die Sache merklich leichtgängiger machen. 1962 ist es dann auch für Lkw und Bus so weit: Die erste Kugelmutter-Hydrolenkung für Nutzfahrzeuge nimmt Kurs auf den Kunden.

Während eine Zahnstangen-Hydrolenkung für Pkw bei ZF schon 1973 in Serie geht, bleibt die Kugelumlauflenkung im Prinzip bis heute das Maß der Dinge bei der Nutzfahrzeuglenkung. Die Weiterentwicklung geschieht im Detail. So geht zum Beispiel 1971 die kurz bauende Kugelmutter-Hydrolenkung in Serie, bei der das Lenkventil platzsparend im Arbeitskolben integriert ist.

Im Jahr 1985 folgt als weiterer Schritt die neue Servocom-Baureihe. Ihre besonderen Kennzeichen sind höhere Leistungsfähigkeit bei schlankerer Statur und die Vergrößerung des Lenkstockhebelausschlags auf 94 Grad. Optimiert sind zudem Kugelumlauf, Verzahnung und Lagerung.

1990er Jahre: Elektronik hält Einzug bei Lenkungen

In den 90er-Jahren hält die Elektronik auch erstmals Einzug bei den Lenkungen für Nutzfahrzeuge. „Servocomtronic“ heißt die elektronisch gesteuerte Kugelmutter-Hydrolenkung, die ZF im Jahr 1997 bringt. Sie bietet dem Fahrer den gleichen Bedienungskomfort wie die 1986 für den Pkw gebrachte Servotronic. Da Elektrik und Elektronik eine zunehmend wichtige Rolle auch bei der Lenkung spielen, bringt ZF 1999 seinen Standort Schwäbisch Gmünd in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Bosch (ZF Lenksysteme GmbH) ein. Das soll den Bereich mit vereinten Kräften weiter vorantreiben. ZF steuert die Bereiche Lenkungstechnik und Lenksäulen bei, Bosch bringt die Kompetenz bei der Elektronik mit.

Als erstes Resultat für Nutzfahrzeuge feiern gleich zwei neue Systeme im Jahr 2004 Premiere auf der IAA Nutzfahrzeuge. ZF-Servotwin mit elektrisch vorgeschalteter Lenkeinheit sowie das Linearlenkungskonzept ZF-Servoline. Beide weisen weit in die Zukunft: ZF-Servoline setzt das im Pkw mittlerweile gängige Konzept der Zahnstangenlenkung jetzt auch für Lkw und Bus um. Und mit ZF-Servotwin ist ein entscheidender Schritt in Richtung Fahrerassistenzsysteme sowie autonomes Fahren getan. Bietet diese elek-tromechanische Lenkung doch nicht nur höhere Lenkpräzision und besseren Lenkkomfort, sondern diese Bauweise erlaubt auch direkten Eingriff der Elektronik ins gesamte Lenkgeschehen.

Ganz neu gestellt hat ZF die Weichen für die Zukunft der Lenkungen erst dieser Tage. Nichts Geringeres als die größte Firmenübernahme in der Geschichte des Unternehmens steht hinter der Entscheidung, künftig mit dem US-Unternehmen TRW Automotive zu marschieren und den 50-prozentigen Anteil an der ZF Lenksysteme GmbH an Bosch abzutreten.

TRW bietet noch mehr als Lenkungen

TRW Automo­tive führt nicht nur eigene Lenkungen im Sortiment, sondern ist auch für hohe Kompetenz bei Sicherheitstechnik und Assistenzsystemen bekannt: „TRW fügt sich hervorragend in unsere langfristige Strategie“, kommentiert der ZF-Vorstandsvorsitzende Dr. Stefan Sommer die Übernahme und präzisiert: „Wir verbessern unsere Zukunftsaussichten weiter, indem wir unser Produktportfolio in äußerst ­attraktiven Segmenten erweitern.“

An Schlagkraft hat ZF mit dieser 9,6 Milliarden teuren Übernahme gewaltig zugelegt. Umsatz und Personal steigen jeweils auf ungefähr das Doppelte. Insgesamt belegt das Unternehmen dann weltweit Rang drei unter den ­Automobilzulieferern.

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