Willkür bei Lkw-Kontrollen Deutsche Sprache, schwere Sprache

Foto: Spedition Laknar

Das deutsche Transportgewerbe muss osteuropäische Fahrer integrieren, um den akuten Fahrermangel auszugleichen. Das ist schon schwer genug. Jetzt kommt eine neue Hürde hinzu. Bei Touren mit Sondergenehmigungen müssen die Fahrer den Kontrolleuren des Bundesamtes für Güterverkehr genau erklären können, was sie tun.

In der Mehrzahl der deutschen Transportunternehmen herrscht heute bei 20 bis 40 Prozent der Belegschaft ein dauerhafter Personalwechsel. Das liege an den schlechten Fahrern, sagen die Firmen, das liege an den miesen Arbeitsbedingungen, sagen sie Fahrer. Im Einzelfall haben wahrscheinlich beide Seiten Recht. Und dann ist da noch der Fahrermangel. Der Markt an qualifizierten und motivierten Fahrern ist leergefegt. Immer mehr deutsche Transportunternehmen greifen in ihrer Not deshalb auch auf Fahrer aus den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOE) zurück. Das ist in der Branche, zumal bei den deutschen Fahrern, ein sehr heikles Thema. Oft lautet der Vorwurf, die Kollegen würden den deutschen Fahrern den Job wegnehmen, weil sie nur den deutschen Einstiegslohn bekommen und ihre Arbeitsrechte nicht kennen. Das lässt sich nicht generell bestätigen.

Fahrer aus Osteuropa sind ein heikles Thema in der Branche

Natürlich gibt es in der Tat sogar alteingesessene Betriebe, die nur noch Fahrer aus Polen, Bulgarien oder Rumänien beschäftigen, weil sie dadurch im Wettbewerb billiger sind. Das trifft vor allem auf Firmen zu, die nur Komplettladungen von A nach B transportieren und dem harten Preiswettbewerb ausgesetzt sind. Diese Firmen sind jederzeit austauschbar. Ein extrem schlechtes Beispiel aus dem Raum nordöstlich von Hannover ist jetzt gerade über die sozialen Netzwerke an die Öffentlichkeit gelangt. Das Verwaltungsgericht Hannover hat einem Betrieb mit 73 Lkw wegen nachgewiesener zahlreicher Verstöße untersagt, die Lkw weiter einzusetzen. Das boshafte Transportunternehmen hatte dem Vernehmen nach viele Fahrer aus Rumänien beschäftigt. Hier hat offenbar das Risikoeinstufungssystem gegriffen, mit dem die EU in Zukunft dauerhafte Missetäter aus dem Verkehr ziehen will.

Gleiche Bedingungen für alle Fahrer

Andere Unternehmen wie zum Beispiel Laknar aus Dortmund setzen bei der Personalpolitik auf das Prinzip "gleiche Bedingungen für alle". Laknar hat sich im Ruhrgebiet mit Erfolg auf nationale Stahltransporte spezialisiert. "Unser Fuhrpark umfasst 35 eigene Fahrzeuge", berichtet Geschäftsführer Carsten Laknar. "Wir haben 38 Kraftfahrer, davon 25 aus Deutschland und zehn aus den MOE-Ländern, allerdings mit deutschem Wohnsitz. Unsere Fahrer bekommen ein Einstiegsgehalt von 2.200 Euro brutto plus circa 150 bis 300 Euro Prämie zuzüglich den gesetzlichen Spesen." Jeder Fahrer, der dort neu beginnt, wird intensiv auf den Fahrzeugen geschult. Er fährt erst mit einem alteingesessenen Kollegen mit, bevor er alleine auf Tour geschickt wird. Auch die rumänischen Fahrer, die er beschäftigt, sprechen mittlerweile gut Deutsch. Sie telefonieren täglich mit der Disposition und nehmen Aufträge entgegen. Es liegen Welten zwischen ihren Sprachkenntnissen und denen von MOE-Fahrern anderer Speditionen, die beim Kunden am Schalter stehen und schweigend ein Smartphone mit den Ladeanweisungen vorzeigen.

Fragwürdige Sprachfalle bei der BAG-Kontrolle

Doch nun ist für Laknar eine Welt zusammengebrochen. Grund ist eine Kontrolle eines seiner Lkw im Februar durch das Bundesamt für Güterverkehr auf der A 2. Mir liegen sämtliche Unterlagen des schriftlichen Wortwechsels zwischen Laknar und dem BAG vor, in den sich am Ende sogar BAG-Präsident Andreas Marquardt eingeschaltet hat, um eine von Laknar beantragte Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Kontrolleuer abzuweisen. Es geht darin vor allem um diesen einen Satz: "Um sicherzustellen, dass die Auflagen eingehalten werden können, muss während des gesamten Transports eine sachkundige Person anwesend sein, die der deutschen Sprache mächtig ist." Er steht auf einer neunseitigen Genehmigung für einen überbreiten Stahltransport von drei Metern in einem Lkw mit geschlossener Plane, also knapp 35 Zentimeter mehr als bei Laknar üblich. Das beult an der Seite ein wenig aus. Und dafür ist der gesamte Zug vorschriftsmäßig mit Warntafeln- und Leuchten bestückt. Eine Aufgabe des Fahrers.

Deutscher Fahrer muss für seinen rumänischen Kollegen einspringen

Der gesamte Vorgang hat einen Beigeschmack von Willkür anstatt von Willkommenskultur für die doch auch aus Sicht des BAG dringend benötigten ausländischen Lkw-Fahrer. Denn der rumänische Fahrer, der die Tour laut Laknar schon mehr als 50 Mal ohne Vorkommnisse gefahren ist, der die Lkw-Technik beherrscht und alles im Sinne der Genehmigung richtig gemacht hat, konnte dem BAG-Kontrolleur leider nur nicht in seinen Worten erklären, was er machen muss. Oder was der Beamte von ihm hören wollte. "Der Lkw war technisch vollkommen in Ordnung, die Lenk- und Ruhezeiten waren eingehalten", sagt Laknar. Er beklagt vor allem das arrogante Verhalten des Kontrolleurs, der gegenüber der Disposition gesagt haben soll: "Ich mache ihnen jetzt zwei Probleme."

"Am Ende mussten wir eine andere Zugmaschine mit einem deutschen Fahrer schicken, der dann den Auflieger übernommen hat", so Laknar. "Von diesem Fahrer wollte der Kontrolleur allerdings nicht mehr wissen, ob er die Inhalte der Genehmigung korrekt wiedergeben kann."

Darf ein rumänischer Fahrer in Deutschland sein Navi rumänisch einstellen? 

Aus dem Schriftwechsel geht hervor, dass es im Ermessen des BAG liegt, zu entscheiden, wie "mächtig" ein Fahrer der deutschen Sprache ist. Der Beamte soll sich daran gestoßen haben, dass der Fahrer sein Navigationsgerät in der rumänischen Sprache eingestellt hatte. Das ist nicht verboten. Aus der Antwort von Andreas Marquardt, der sich natürlich schützend vor seinen Beamten gestellt hat, geht zwar hervor, dass die Auflagen aus der Genehmigung dem Sinn und Zweck nach verstanden werden und wiedergegeben werden können. Doch wo ist da die Grenze? Laut § 46 der Straßenverkehrsordnung, so Marquardt, müssen die Auflagen aus der Genehmigung aus Verkehrssicherheitsgründen eingehalten werden. So etwa der konkrete Fahrweg. Doch was gibt es da viel zu erklären bei einer Tour aus dem Dortmunder Hafen über die A 2 nach Magdeburg und Brandenburg, also zu 99 Prozent auf der Autobahn? 

Die Fragen an das Bundesamt für Güterverkehr

Immerhin hat Andreas Marquardt gegenüber Laknar angedeutet, innerhalb seiner Behörde "bei gleichgelagerten Fällen einen angemessenen Umgang" anzumahnen. Dazu gibt es nun meinerseits zwei Fragen, die sicher auch andere Unternehmen in einer ähnlichen Situation interessiert: Gibt es seitens des BAG bundesweit einheitliche Standards, was die verlangte Sprachmächtigkeit eines Fahrers betrifft, die von den Beamten vor Ort einheitlich abgefragt werden können oder ist es nur im Ermessen des einzelnen Kontrolleurs, das selbst zu entscheiden? Und was muss man als einheimischer Lkw-Fahrer genau wissen und dem BAG-Kontrolleur erklären können, um einen überbreiten Lkw von 3 Metern sicher durch den Verkehr zu steuern?  

Die Antwort des Bundesamtes für Güterverkehr

Leider macht es sich das BAG in seiner Antwort vom 12. Mai leicht. In dem Schreiben heißt es lediglich: "Das Erfordernis der Anwesenheit einer sachkundigen Person, die der deutschen Sprache mächtig ist, ist eine zwingende Voraussetzung der Auflage im Sinne des § 36 Absatz 2 Nr. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zu einer Genehmigung nach § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO) oder Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 StVO. Die Auflagen müssen aus Verkehrssicherheitsgründen – wie beispielsweise auch der konkrete Fahrtweg bzw. Fahrtverlauf – zwingend beachtet werden. Hierfür ist es stets erforderlich, dass die Auflagen dem Inhalt nach und Sinn und Zweck verstanden und wiedergegeben werden können. Dies zu kontrollieren, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Kontrollpersonals des Bundesamtes für Güterverkehr wie auch der Polizei gleichermaßen. Es gelten insoweit die verwaltungsrechtlichen Grundsätze."

Damit steht fest: Auch in Zukunft müssen deutsche Unternehmer, die Fahrer aus den MOE-Ländern beschäftigen, damit rechnen, dass diese nicht weiterfahren dürfen, wenn sie den Kontrolleuren des Bundesamtes für Güterverkehr in der deutschen Sprache nicht genau erklären können, was sie tun. Auch wenn sie es schon 50 Mal ohne Probleme getan haben. 

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Götz Bopp, unser Experte für Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Lenk- und Ruhezeiten) Götz Bopp Sozialvorschriften und Güterverkehr
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