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Waberer's-Chef Ferenc Lajkó im Interview "Kein Wettbewerb über die Fahrerlöhne"

Foto: Thomas Küppers

Die Fahrerlöhne zwischen Ost und West haben sich laut Waberer's-Chef Ferenc Lajkó weitgehend angeglichen. Der Wettbewerb erfolge heutzutage über andere Faktoren wie Produktivität, Effizienz, Lastkilometer, Wartungskosten, Einkaufsstärke und das eigene Netzwerk, sagt der 41-Jährige exklusiv im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.

trans aktuell: Herr Lajkó, die Vereinigung der ungarischen Unternehmer hat Sie als Manager des Jahres ausgezeichnet. Wie groß war die Überraschung?

Lajkó: Sehr groß. Mit 41 Jahren fühle ich mich noch jung und bin wirklich stolz auf diese Auszeichnung. Die Vereinigung besteht aus sehr anerkannten Unternehmern. Voriges Jahr wurde das Management der Fluggesellschaft Wizz Air ausgezeichnet.

Was war Ihrer Ansicht nach für Ihre Wahl ausschlaggebend?

Ich gehe davon aus, dass der erfolgreiche Börsengang von Waberer’s im vergangenen Jahr eine große Rolle gespielt hat. Es handelte sich um den größten Börsengang am Marktplatz Budapest der vergangenen 20 Jahre. Wir haben einen stabilen Kurs und zufriedene Aktionäre. Und ich bin auch deshalb ein bisschen stolz, weil wir neben Eddie Stobart in Großbritannien das einzige öffentlich gelistete Transportunternehmen sind. Die anderen an der Börse notierten Unternehmen wie Deutsche Post DHL oder Kühne + Nagel sind vom Wesen her Logistikdienstleiser.

Welche Bedeutung hat der deutsche Markt für Sie?

Deutschland ist für uns ein Top-Markt. Ungarn ist unser Heimatmarkt und hat die höchste Bedeutung. Die wichtigsten Auslandsmärkte nach dem Ladungsvolumen sind für uns Frankreich und Deutschland. In Deutschland befrachten wir jede Woche 1.100 Lkw. Und keiner von ihnen fährt Kabotage.

Ehrlich nicht?

Wir haben null Prozent Kabotage in Deutschland und über ganz Europa. Waberer’s ist mit einer Flotte von 4.000 Lkw die größte Ladungsspedition auf der Langstrecke in Europa beziehungsweise im Schengen-Raum. Wir betreiben Nah- und Regionalverkehre nur in Ungarn. Kabotage ist nicht unser Geschäftsfeld. Hierfür gibt es starke nationale Unternehmen, denen wir das Geschäft nicht streitig machen wollen. Unser Geschäft ist ein komplementäres, für das deutsche Fahrer auch gar nicht zur Verfügung stehen würden. Das ist vielen leider nicht bekannt. Es gibt deshalb ein großes Missverständnis über die Rolle der mittel- und osteuropäischen Unternehmen. Entsprechend groß ist die Verwirrung auch mit Blick auf das Mobilitätspaket der EU-Kommission.

Meinen Sie, dass eine Einigung zwischen den west- und osteuropäischen Ländern überhaupt herbeizuführen ist?

An uns würde eine Einigung nicht scheitern. Wir befürworten eine strikte Regulierung der Kabotage. Wie gesagt: Das ist nicht unser Segment. Die Kurzstrecke passt nicht zu unserem Geschäftsmodell, das auf Langstrecke und ständige Optimierung der Kilometerleistung und Reduzierung der Leerkilometer ausgerichtet ist. Ein Waberer’s-Lkw fährt im Schnitt eine Strecke von 1.250 Kilometern.

Und warum fährt er immer billiger, wie viele sagen?

Die mittelständische Spedition ist nicht unser Wettbewerber, da wir uns wie beschrieben in anderen Geschäftsfeldern bewegen. Wenn starke bekannte Konzerne wie DB Schenker, DHL, DSV, Kühne + Nagel oder andere berichten, dass sie mit unseren Preisen nicht konkurrieren können, liegt das an ihrer Rolle als Transportvermittler. Sie haben so gut wie kein eigenes Equipment. Um etwas zu verdienen, müssen sie 10 bis 15 Prozent auf den Preis ihrer Subunternehmer aufschlagen. Hier sind wir mit unserer eigenen Flotte im Vorteil.

Und der Wettbewerb findet nicht über den Fahrerpreis statt?

Diesen Preisvorsprung hat es noch bis zur EU-Erweiterung gegeben. Damals gab es eine deutliche Diskrepanz zwischen den west- und osteuropäischen Fahrerlöhnen. Der Fahrermangel in Westeuropa führte dazu, dass die westeuropäischen Speditionen in großem Stil Fahrer aus Osteuropa rekrutiert haben – das ging mit entsprechender Bezahlung einher. Es gab also eine schnelle und aggressive Entwicklung der Fahrerlöhne in Osteuropa. Diese Entwicklung ging auch an Waberer’s nicht vorbei: Vor drei Jahren haben wir eine 20-prozentige Erhöhung vorgenommen. Die Löhne haben sich stark angeglichen, sodass der Wettbewerb nicht mehr über die Fahrerlöhne stattfinden kann. Der Wettbewerb erfolgt über Faktoren wie Produktivität, Effizienz, Lastkilometer, Wartungskosten, Einkaufsstärke und das eigene Netzwerk.

Trotzdem: Weil viel bezahlen Sie einem Fahrer im Durchschnitt?

Unsere Fahrerlöhne entsprechen dem, was ein ungarischer Fahrer im Schnitt in Westeuropa verdienen kann.

Wie gelingt es Ihnen, angesichts des Fachkräftemangels überhaupt noch, Fahrer zu finden? Das dürfte doch auch in Ungarn zunehmend schwierig sein.

Stimmt. Schon vor mehreren Jahren haben wir festgestellt, dass die Quellen am Austrocknen waren. Wir haben vermehrt andere Länder in den Blick genommen. Waberer’s eröffnete ein Büro in Rumänien und begann, in Polen Fahrer anzuwerben. Das hat sich vielversprechend entwickelt. Der polnische Arbeitsmarkt ist viermal so groß wie der ungarische. In der Summe haben wir mit zehn Millionen Einwohnern in Ungarn, 20 Millionen Einwohnern in Rumänien und 40 Millionen Einwohnern in Polen somit Zugang zu 70 Millionen Menschen. Nun könnten wir den Blick vielleicht noch in Richtung Balkanländer weiten, was für uns wegen der Visa-Bestimmungen aber nicht ganz so interessant ist. Möglicherweise werden wir unser Engagement aber in der Ukraine verstärken.

Ihr Bestreben sind eine maximale Effizienz in Form von möglichst hohen Kilometerleistungen und möglichst wenigen Leerkilometern. Welche Hebel sehen Sie, um hier noch weiter voranzukommen?

Kein Kunde zahlt für Leerkilometer. Deshalb haben wir vor fünf Jahren begonnen, eine Software zu entwickeln, um die Zahl der Leerkilometer durch ein ideales Matching von Ladung und Lkw zu reduzieren. Nun ernten wir die Früchte unserer Arbeit und stellen fest, dass sich die Auslastung der Fahrzeuge in den vergangenen fünf Jahren von 87 auf 92 Prozent erhöht hat.  In dem Zuge konnten wir Millionen von Litern an Diesel einsparen.

Ist das das Ende der Fahnenstange?

Wir denken, dass es noch Luft nach oben gibt und wir im Komplettladungsbereich auf eine Auslastungsquote von 95 Prozent kommen können. Nutzen wir darüber hinaus alle Möglichkeiten im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung, lässt sich unsere Effizienz gegebenenfalls noch einmal um 10 bis 20 Prozent erhöhen.

Welche Rolle spielen die alternativen Antriebe für Sie?

Klar ist, dass Waberer’s eine führende Rolle einnehmen muss. Mit welcher Technologie das sein wird, ist aber noch unklar. Die bislang vorgestellten Elektro-Lkw sind keine Lösung für die Langstrecke mit 40 Tonnen. Die Feldversuche mit Oberleitungs-Lkw in Deutschland halte ich für vielversprechend. Auch Tesla hat mit dem Semi das Thema Elektromobilität bereichert. Der Einsatz von Flüssiggas scheint ebenfalls praktikabel zu sein. Wir haben einen Test mit Iveco gefahren, der gute Ergebnisse gebracht hat. Mit LNG-Lkw lassen sich Reichweiten von bis zu 1.200 Kilometer darstellen, was zu unseren Anforderungen passen würde.

Zur Person

  • Ferenc Lajkó (41 Jahre) ist seit Juli 2016 Vorstandsvorsitzender (CEO) der Waberer’s-Gruppe mit Sitz in Budapest
  • Seit 2007 stellvertretender CEO für den internationalen Transport
  • Begonnen hat Lajkó seine Karriere vor 16 Jahren als Vertriebsmitarbeiter
  • Lajkó studierte in Györ Wirtschafts- und Transportmanagement
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