Von Florenz nach Bologna Neue Bauten auf der Autobahn

Abenteuer FF 1 2017 Appenninen Route Foto: Felix Jacoby 20 Bilder

Zwischen Florenz und Bologna herrscht enorm viel Verkehr auf der Autobahn. Die Überlastung der alten Bergstrecke war ein großes Problem, doch dank neuer Bauten entspannt sich die Situation nun.

In den ersten eineinhalb Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs benötigte ein schwerer Lastzug von Neapel nach Mailand noch ungefähr zwei Tage Fahrtzeit, denn es gab nichts außer den schmalen Landstraßen mit unzähligen Ortsdurchfahrten. Als fortan bedeutendste Verkehrsader des Landes wurde Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre endlich die rund 750 Kilometer lange "Autostrada del Sole" gebaut.Der anspruchsvollste Abschnitt verbindet Bologna mit Florenz, denn dazwischen verläuft das Gebirge der Apenninen. Auf diesem Teilstück wurde die Autobahn im Dezember 1960 eröffnet. Das für damalige Verhältnisse ambitionierte Bauwerk sollte den ärmeren Süden des Landes näher an den wohlhabenden Norden bringen. Für die "autisti", wie die Fernfahrer in Italien heißen, war das eine enorme Erleichterung. Die Fahrtzeiten verkürzten sich damit drastisch.

Allerdings hat die alte Autobahn starke Steigungen und enge Kurven, dazu hat der wachsende Verkehr dort vor Jahrzehnten schon die gedachte Kapazität überschritten. Früher gab es in Italien noch achtachsige Fernlastzüge mit irrsinnigen Gewichten, die Tausendfüßler (millepiedi), die mit kaum messbarer Geschwindigkeit die Berge hochkrochen, dazwischen wie entfesselt fahrende Pkw-Fahrer und überforderte Touristen.

Bauarbeiten waren herausfordernd

Lkw-Überholverbote kamen erst in den 90er-Jahren, vorher war die Fahrt dort ein einziges Wettrennen. Die Chronik der Unfälle auf dem "tratto appenninico" ist eine des Grauens mit vielen Opfern. Schon lange war klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Autobahn von Florenz bis nach La Quercia war schon in zwei Schüben neu auf drei Spuren gebaut worden, seit 2007 und 2009 geht es dort besser voran. Hier kann man herrlich beobachten, wie sich die Natur die alte Trasse durch wilden Bewuchs zurückerobert. Doch das anspruchsvollste Stück Neubau verläuft zwischen La Quercia und Barbarino, wo sich die alte Trasse steil und kurvig in das Bergland windet.

Die Bauarbeiten dafür waren herausfordernd, zumal riesige Tunnel mit großem Lichtraumprofil unter den Bergen hindurch getrieben werden mussten. Dafür kam eine technisch geniale Bohrmaschine des deutschen Herstellers Herrenknecht zum Einsatz, ein gefräßiges Monster mit 4.500 Tonnen Gewicht, 130 Meter Länge und einem Durchmesser von über 15,5 Metern. An guten Tagen ging es damit über 20 Meter voran. Aber es dauerte trotzdem über elf Jahre, bis die neue Schnellstrecke fertiggestellt war. Die Baukosten verdoppelten sich derweil von 3,5 auf sieben Milliarden Euro, aber das hört man heutzutage ja von manchen Großbaustellen – und nicht nur von solchen in Italien.

100 Millionen Liter Kraftstoffersparnis

Im Dezember 2015 war endlich die Eröffnung des 43 Kilometer langen Teilstücks möglich, seitdem kommt man wesentlich leichter und schneller von Bologna nach Florenz. Der Scheitelpunkt des Streckenneubaus liegt fast 230 Meter unter dem der alten Trasse, und es geht fast ohne Kurven geradewegs hindurch. Italienische Fachleute beziffern die jährliche Kraftstoffersparnis durch die leichtere Strecke mit 100 Millionen Litern. Immerhin sind hier aktuell täglich rund 90.000 Fahrzeuge unterwegs, rund 25.000 davon Lastwagen und Busse. Ein großer Vorteil der Trasse ist die durchgehende Breite, so ziehen sich die großzügig angelegten Pannenstreifen auch durch die langen Tunnelröhren. Außerdem ist das Überholen erlaubt, man wird nicht durch telefonierende Schleicher und langsame Schwertransporte aufgehalten.

Auch die zwischen Bologna und Florenz vom 15. Oktober bis 15. April für Lkw zum Mitführen vorgeschriebenen Schneeketten dürften auf der neuen A 1 kaum noch zum Einsatz kommen. Und selbst die Sicherheitsmaßnahmen der Tunnel mit vielen Fluchttüren wirken vertrauenerweckend. Auf dem Abschnitt von Aglio nach Barberino ist nur die südwärts führende Fahrbahn neu auf drei Spuren geführt. Der Verkehr nordwärts rollt über die vier Spuren der alten Trasse, die nebenbei gerade auch saniert wird. Übrigens befindet sich diese Strecke, ebenso wie rund knapp die Hälfte der gesamten 6.500 Kilometer Autobahn im Land, im Besitz der Textilfamilie Benetton. Auch die in Italien dominierende Raststättenkette "Autogrill" gehört zu diesem Imperium.

Durch die Tunnel geht es viel müheloser voran

Der Neubau der Tunnelstrecke wird auf Schildern teils als "Variante di Valico" bezeichnet, teils als "Direttissima". Doch es gibt auch weiterhin die Möglichkeit, die alte Trasse durch das Mittelgebirge zu nutzen. Das entspannt den Druck auf die viel genutzte Autostrada del Sole weiter. Auf der Bergvariante "Panoramica" stehen mehr Parkplätze als untendurch zur Verfügung und in den heißen Monaten ist es dort oft kühler als in den tieferen Ebenen. "Wenn ich schwer geladen nach Süden muss, geht es durch die Tunnel viel müheloser voran. Jeder altgediente Italienfahrer hat auf der alten Bergstrecke schon ewige Staus und Verzögerungen erlebt, das läuft jetzt viel besser. Aber der Weg über die Panoramica hatte auch immer etwas Schönes. Deswegen fahre ich, wenn ich leer über den Berg zurückkomme, um nördlich Fliesen zu laden, immer mal wieder gerne oben drüber", erzählt Peter Häusler aus Helmbrechts.

Von Barbarino nach Florenz, wo sich die beiden Varianten wieder zu einer vereinigt haben, wird bis heute heftig gebaut, noch drängt sich die Flut der Fahrzeuge auf den alten Fahrbahnen. Die sollen bleiben und werden künftig den kompletten Verkehr nach Norden aufnehmen, während der Verkehr Richtung Florenz dann über eine neu gebaute Trasse mit drei Spuren fließen soll. Angeblich soll die Einweihung 2019 stattfinden, dann dürfte der Zeitgewinn bei der Überfahrt durch die Apenninen noch größer werden.

Besonders lohnenswerter Rastplatz in Barberino del Mugello

Um dem verheerenden Mangel an Parkplätzen entlang der italienischen Autobahnen zu begegnen, lohnt es sich manchmal, die kostenpflichtige Strecke zu verlassen und daneben seinen Rastplatz zu suchen. Besonders lohnenswert ist das in Barberino del Mugello, denn hier zeigen die Italiener beeindruckend, was für ein Herz sie für die Bedürfnisse hungriger Fernfahrer haben. Wo man in Deutschland immer häufiger teure Systemschnitzel mit Soßenpampe vorgesetzt bekommt, kann man hier erstens göttlich und zweitens zu wirklich fairen Preisen speisen. Man sollte das gelbe "M" in diesem Fall nicht als Einladung, sondern als Wegweiser zu zwei dahinterliegenden Restaurants nehmen.

Bei "La Cavallina" (Viale del Lago 5) und "Le Capannine" (Via Don Minzoni 88), beide keinen Kilometer von der Zahlstelle Barbarino entfernt und mit großen Parkplätzen, werden traumhafte Speisen in urigen Gaststuben serviert. Für ein Menü sollte man durchaus circa 15 bis 20 Euro einkalkulieren. Doch aufgrund der Liebe zu köstlich zubereiteten Gerichten, die die Italiener mit Freude und Perfektion zelebrieren, ist dabei jeder Cent gut angelegtes Geld!

Realitätsverlust

Es grenzt schon an hartnäckige Realitätsverweigerung, wenn ein 43 Kilometer langer Teil einer neuen Autobahn in Italien mit gerade einmal zwei Dutzend Lkw-Parkplätzen eingeweiht wird. Die einzige Raststätte scheint von der Größe her ein Konstruktionsmuster der 70er-Jahre zu sein. Dank der Automatisierung der Zahlungssysteme sparen die privaten Betreiber gigantische Personalkosten, und die Mauteinnahmen sind ihnen noch über 20 Jahre garantiert. Der Straßentransport pumpt ständig unvorstellbare Geldmengen auf die Konten der Betreiber, doch mit der Verweigerung der entsprechenden Servicestruktur tragen sie moralisch auch die Verantwortung für Unfälle durch übermüdete Fahrer. Die französischen Autobahngesellschaften, vom System den italienischen vergleichbar, zeigen durch ständige Parkplatzerweiterungen, wie das funktionieren sollte.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FF 12 2016 Titel
FERNFAHRER 01 / 2017
5. Dezember 2016
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