Verkehrssicherheit und Ladungssicherung Gefährlicher Beifang

Jans Blog - Polnische Ladungssicherung Foto: Jan Bergrath 3 Bilder

Bei einer Kontrolle der Autobahnpolizei Köln fällt ein polnischer Fahrer auf, der eine völlig ungesicherte Ladung transportiert, dafür aber keine gültige Fahrerlaubnis für Deutschland hat. Ein Musterbeispiel für die Rubrik "Dumm gelaufen". 

Manchmal gibt es einfach Zufälle, die sind so unglaublich, dass sie eine Geschichte wert sind – denn daraus können am Ende alle nur lernen. Irgendwann am Freitag bricht ein Fahrer aus Polen im Auftrag eines internationalen Logistikkonzerns mit seinem Sattelzug in England auf, um am Montag eine Ladung Leergut bei der Automobilindustrie in Bayern abzuliefern. Dazu muss er durch Deutschland. Am Samstag ist das relativ gefahrlos, hat er sich womöglich gedacht, denn da wird in der Regel nicht viel kontrolliert. Auch das BAG und die Polizei wollen mal Wochenende machen. Was der Fahrer nicht wissen kann: Ausgerechnet an diesem 18. Juni ist bundesweiter "Tag der Verkehrssicherheit". Für den Mann aus Polen, wie sich später herausstellt, ein fatales Datum.

Zunehmende Unfallzahlen im Bereich der Autobahnpolizei Köln

Auch die Kölner Autobahnpolizei macht mit, denn sie hat ein massives Problem. Und das sind die stark zunehmenden Unfälle am Stauende. Im gesamten Zuständigkeitsbereich von 600 Kilometern stiegen sie für alle Fahrzeuge, also Pkw und Lkw, von 391 (2014) auf 414 im vergangenen Jahr. Die Zahl der Verletzten stieg von 58 auf 77, die Zahl der Toten von zwei auf sechs. Insgesamt waren 2015 17 Tote bei Unfällen zu beklagen. Mitte Juni 2016 liegt diese Zahl bereits bei 19 Toten. Allein drei Lkw-Fahrer sind in diesem Jahr schon tödlich verunfallt. Besonders auf der A 1 kommt es regelmäßig zu schweren Unfällen vor der für Lkw gesperrten Leverkusener Brücke. Ende Mai ist dort ein Lkw in ein Stauende gerast – der Fahrer eines Wohnmobils starb. Nun hat die Bezirksregierung Köln reagiert und wird vor dieser Gefahrenstelle ab sofort besser warnen. 

100 Meter Blindflug

Anlässlich des "Tags der Verkehrssicherheit" haben nun die Kölner Autobahnpolizei, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), die Bezirksregierung Köln, der Landesbetrieb Straßen NRW, der TÜV Rheinland, DEKRA sowie mehreren Kraftfahrverbände kooperiert. Auf der Raststätte Frechen-Süd spricht der neue Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies mahnende Worte: "Wenn ein Lkw-Fahrer vier Sekunden lang eine Textnachricht verfasst, dann befindet er sich gut 100 Meter lang im Blindflug. Mittlerweile jeder zehnte Unfall ist nach unseren Erkenntnissen auf Ablenkung zurückzuführen." Bewiesen ist das mit Sicherheit bei einem schweren Lkw-Unfall auf der A 4 bei Aachen im September 2015. Wie heftig die Zerstörungskraft eines Lkw wirkt, nämlich durch das bis zu 80-fache des Eigengewichts, zeigt sich in den Bildern eines Unfalls auf der A 4 bei Dresden. Hier ist ebenfalls ein Lkw nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei ungebremst auf ein Stauende gerast, der Kipperzug am Stauende wurde mit brutaler Wucht über das Fahrerhaus geschoben. Beide Fahrer waren auf der Stelle tot.

Ablenkung ist wissenschaftlich erwiesen

Es sei zwar wissenschaftlich erwiesen, dass Ablenkung am Steuer eines Fahrzeugs durch Smartphone-Nutzung die Unfallgefahr erhöhe, mahnt Mathies, aber das würde die Fahrer trotzdem nicht davon abhalten, es zu tun – trotz eines eindeutigen Verbots. Bei einer Schwerpunktkontrolle der Kölner Autobahnpolizei am 15. Juni wurden 199 Autofahrer mit einem Smartphone am Ohr erwischt. Am Tag zuvor war ein Lkw-Fahrer auf der A 61 nach rechts von der Fahrbahn abgekommen und gegen ein auf dem Seitenstreifen stehendes Streckenfahrzeug der Autobahnmeisterei geprallt – gleich zwei Handys des Fahrers wurden sichergestellt. Diese Kontrollen sollen nun verstärkt werden. "Ich will, dass jeder Fahrzeugführer auf den Kölner Autobahnen immer damit rechnen muss, dass die Polizei sein Fehlverhalten feststellt", so Mathies, "an jeder Stelle und zu jeder Zeit". 

Ablenkung gesucht, ungesicherte Ladung gefunden

Zurück zum polnischen Fahrer. Ausgerechnet am Tag der Verkehrssicherheit also, bei deutlich weniger Lkw auf der Strecke, geht der Schwerlastkontrollgruppe der Autobahnpolizei Köln unter Polizeihauptkommissar Johannes Holl nun dieser polnische Fahrer ins Netz, und es ist ein ganz dicker Fisch – ein gefährlicher Beifang: Ein Blick in den Trailer offenbart das pure Grauen. 22 Tonnen Leergut aus Stahl stehen völlig ungesichert auf der Ladefläche, die zum Teil nicht mehr brauchbaren Gurte hängen schlaff von den Seitenbrettern zu Boden, die Anti-Rutsch-Matten liegen auf einem dicken Haufen im Heck. "Bei einer Vollbremsung oder bei einem abrupten Lenkmanöver wäre dieser Sattelzug unkontrollierbar geworden", sagt Holl, dessen Team an diesem Tag sieben weitere Lkw wegen mangelnder Ladungssicherung mit sachkundigem Blick aus dem Verkehr zieht. 

Ohne gültige Fahrerlaubnis am Steuer

Was sich allerdings aus dieser Ordnungswidrigkeit, die den Fahrer 60 Euro und einen Punkt in Flensburg kostet, nun entwickelt, ist ein Musterbeispiel für die Rubrik "Dumm gelaufen", oder, wie es die Polizei aus ihrer Sicht beschreibt, ein Sechser im Lotto. Denn der polnische Fahrer gibt bei der Feststellung der Personalien an, ihm sei just auf dieser Tour in England die Brieftasche mit allen Papieren gestohlen worden. Ob das nun stimmt oder nicht – es löst eine Kettenreaktion aus. Denn ein Blick in den zentralen Polizeirechner offenbart, dass dem Fahrer in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Warum genau, verrät die Polizei nicht, aber es muss schon ein sehr gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gewesen sein. Da es sich allerdings um einen internationalen Führerschein handelt, darf dieser dem Fahrer aber nicht eingezogen werden. Er kann also formal den "Lappen", der mittlerweile eine Karte ist, weiter behalten. Das ist das nächste Problem.

Denn eigentlich hätte der Fahrer nun gegenüber seinem Fuhrparkleiter die Bringschuld, er müsste sagen, sorry Chef, ich darf die nächsten Monate nicht mehr durch Deutschland fahren, was zugegeben für einen international tätigen Frachtführer, der die Lkw überwiegend gerade in Westeuropa einsetzt, ein Problem darstellt. Um an dieser Stelle gleich den Fuhrparkleiter aus der Schusslinie zu nehmen: Er hat aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Möglichkeit, bei den Behörden der Länder zu erfragen, ob seine Fahrer dort überhaupt noch fahren dürfen. Das gilt übrigens auch für deutsche Fahrer, denen zum Beispiel in Belgien ihre Fahrerlaubnis entzogen wurden. Rein theoretisch. Wobei man Belgien leichter umfahren kann als Deutschland.

Das vorläufige Ende einer Fahrerkarriere

Und so kommt es, wie es kommen muss: Der Fahrer darf den Lkw nicht mehr weiterbewegen, er darf die Ladung nur an Ort und Stelle noch nachsichern, dann muss der Frachtführer einen Ersatzfahrer stellen. Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis ist eine Straftat und macht drei Punkte in Flensburg. Die zählen im System weiter – auch wenn die Fahrerlaubnis in Deutschland für eine Zeit entzogen wurde. Es lässt sich leicht ausmalen, dass für den polnischen Fahrer am Tag der Verkehrssicherheit die Karriere zu Ende gegangen ist, sollte er nicht doch noch einen Job im innerpolnischen Verkehr oder Richtung Russland bekommen. Dorthin darf er jederzeit weiter fahren. So zeigt sich: Korrekte Ladungssicherung ist unerlässlich, nicht nur um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden sondern, unter bestimmten Umständen, die eigene berufliche Existenz nicht aufs Spiel zu setzen. 

Ein Einzelfall? "Die Dunkelziffer ist wohl hoch", sagte Polizeihauptkommissar Tom Fiala, der den Tag der Verkehrssicherheit in Frechen mitgestaltet hat. "Denn bei einer korrekt gesicherten Ladung und einem technisch einwandfreien Fahrzeug wäre wahrscheinlich die Frage nach dem Führerschein erst gar nicht gestellt worden."  

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