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Verkehrsrecht Entscheidung im Einzelfall

Ladungssicherung, Polizeikontrolle, Fahrtenschreiber Tachoscheibe Foto: Bilski, Montage: Mannchen

Sind verschiedene Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten in einem begrenzten Zeitraum als Einzel- oder als Gesamttat zu sehen? Der Bundesgerichtshof hat jetzt für rechtliche Klarheit gesorgt.

Im Mittelpunkt des Beschlusses des Bundesgerichtshofs stand eine Bußgeldsache wegen vorsätzlicher Überschreitung der täglichen Lenkzeit. Beamte des Landes Rheinland-Pfalz hatten eine Spedition auf Einhaltung der Sozialvorschriften kontrolliert. Dabei stellten sie fest, dass im Zeitraum vom 1. November 2010 bis 31. Januar 2011 ein Berufskraftfahrer mehrere Verstöße begangen hatte. Im daraufhin eingeleiteten Bußgeldverfahren verurteilte das zuständige Amtsgericht den Fahrer wegen 36 Ordnungswidrigkeiten –
Überschreiten der täglichen Lenkzeit, keine Fahrtunterbrechung nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden, Verstoß gegen die täglichen Ruhezeiten – zu Geldbußen in Höhe von insgesamt 3.000 Euro.

Unterschiedliche Urteile in der Vergangenheit

Gegen das Urteil legte der Fahrer Rechtsbeschwerde beim Oberlandesgericht ein, das die Sache zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Bundesgerichtshof vorlegte.  Denn schon in der Vergangenheit war es immer wieder zu unterschiedlichen Urteilen der Oberlandesgerichte in ähnlichen Fällen gekommen.

Im Kern stand dabei immer wieder die Frage, ob unterschiedliche Verstöße gegen die Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten an mehreren Tagen innerhalb eines Kontroll- oder Überprüfungszeitraums als Einzeltaten oder als eine Gesamttat, also als prozessuale Tat, anzusehen sind. Genau dieser Frage widmete sich auch der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom September vergangenen Jahres.

Diverse Oberlandesgerichte hatten in der Vergangenheit entschieden, dass alle Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeitvorschriften innerhalb des jeweiligen Kontroll- oder Überprüfungszeitraums eine prozessuale Tat seien. "Bei Straßenkontrollen lag somit ein Zeitraum von 29 Tagen zugrunde, und bei Betriebsprüfungen war es der durch die jeweils handelnde Behörde festgelegte Überprüfungszeitraum", sagt Rechtsanwältin Daniela Mielchen aus Hamburg.

Mehrere tatmehrheitliche Verstöße nicht zu einer Tat verknüpfbar

Mit seinem Beschluss setzte sich der Bundesgerichtshof (BGH) über die Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte hinweg. Laut Mielchen entschied der BGH, dass es mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren ist, in Bußgeldsachen, die Verstöße gegen die Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, mehrere rechtlich selbstständige Handlungen allein deshalb als eine prozessuale Tat anzusehen, weil der Betroffene sie innerhalb eines als Kontroll- oder Überprüfungszeitraums bezeichneten Tatzeitraumes begangen hat. "Allein die gesetzliche Vorgabe zum Kontrollzeitraum, zum Beispiel 29 Tage, vermag es nicht, mehrere tatmehrheitliche Verstöße eines Betroffenen innerhalb des Überprüfungszeitraums zu einer Tat zu verknüpfen", erklärt die Fachanwältin für Verkehrsrecht den Beschluss.

Alles also eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die nach allgemeinen Grundsätzen zu beantworten ist, ob sich einzelne Verstöße gegen die Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten überschneiden und tateinheitlich zusammentreffen oder nicht. "Bei der Frage, ob eine einheitliche Tat vorliegt, steht das Handeln des Betroffenen im Vordergrund, nicht der letztlich willkürlich festgelegte Kontrollzeitraum", sagt Mielchen.

Einzeltat wird einzeln geahndet

Kontrollbehörden wie etwa das Polizeipräsidium Münster interpretieren das Urteil dahin gehend, dass damit "einzeln begangene Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten, die bei einer Überprüfung in einer Verkehrskontrolle festgestellt werden", als Einzeltaten anzusehen sind und auch jede für sich geahndet werden kann.

Rechtsanwältin Mielchen sieht die Entscheidung jedoch als Gewinn für ihre Mandanten: "Insbesondere für Bußgeldbescheide gegen die Fahrzeughalter, die Disponenten und die Verkehrsleiter bieten sich hierdurch gut verwertbare Verteidigungsansätze", sagt sie. In der Vergangenheit hätten einige Bußgeldstellen und Amtsgerichte jeweils nach 29 Tagen eine Unterbrechung eines zusammenhängenden, tateinheitlichen Tatablaufs angenommen. Dies hatte zur Folge, dass die alte Tat endete und gleich darauf eine neue begann. "Dies ist nun nicht mehr ohne Weiteres möglich."

Sechs Geldbußen à 15.000 Euro

Zum Glück für die Mandanten der Hamburger Anwältin, die aufgrund der bisherigen ungenauen Rechtsprechung teils mit immensen Bußgeldforderungen konfrontiert wurden. So wurde beispielsweise ein Betriebsprüfungszeitraum von sechs Monaten häufig in etwa sechs einzelne Taten der Aufsichtsverletzung unterteilt. Dies hatte zur Folge, dass sechs Geldbußen à 15.000 Euro möglich waren.

"Nach der Auffassung des BGH ist eine derartige Unterteilung nicht mehr ohne Weiteres möglich, sodass ohne gute Argumente von Seiten der Bußgeldstelle zunächst erst mal nur eine Geldbuße von höchstens 15.000 Euro für den gesamten Betriebsprüfungszeitraum angenommen werden sollte." Gehe man von zumeist nur vorliegender Fahrlässigkeit aus, reduziere sich diese Summe auf 7.500 Euro. "Höhere Bußgeldbescheide gegen Halter, Disponent oder Verkehrsleiter sollten in jedem Fall einer anwaltlichen Prüfung zugeführt werden", sagt Mielchen.

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