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Verkehrsexperte Martin Burkert im Gespräch "Das Geld fehlt hinten und vorne"

Martin Burkert, SPD, Verkehrsexperte Foto: Matthias Rathmann

SPD-Verkehrsexperte Martin Burkert spricht über die Ausweitung der Lkw-Maut, Baustellen auf der Schiene und den Lang-Lkw. Auch blickt er auf sein erstes Jahr als Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag zurück.

Die Bundesregierung muss größere Anstrengungen unternehmen, um Spediteuren den Umstieg auf die Schiene schmackhaft zu machen. Das fordert Martin Burkert (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags. Er hätte sich eine stärkere Förderung von alternativen Umschlagsystemen wie etwa dem Cargobeamer gewünscht, sagt der Abgeordnete im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann.

trans aktuell: Herr Burkert, wie fällt Ihre Jahresbilanz als Vorsitzender des Verkehrsausschusses aus?

Burkert: Die Aufgabe bereitet mir sehr viel Freude. Ich habe die Möglichkeit, auch überparteilich zu wirken und Impulse zu geben. Ich hätte mir gewünscht, wir hätten schon mehr Gesetzgebungsverfahren im Ausschuss gehabt. Doch wir haben uns sehr intensiv mit dem Flughafen BER sowie der Pkw- und Lkw-Maut befasst, was viel Zeit gekostet hat.

Mit 41 Mitgliedern ist der Ausschuss deutlich größer als eine Schulklasse. Schon dort tut sich der Lehrer schwer, jeden zu Wort kommen zu lassen.

Wir sind der zweitgrößte Ausschuss. Damit auch die Opposition Gehör findet, habe ich ihr zusätzliche Rederechte eingeräumt. Ich habe ferner die Rednerlisten verändert, sodass sich Regierung und Opposition immer abwechseln.

Sie haben sich eine größere Transparenz auf die Fahne geschrieben. Trotzdem tagen Sie meist hinter verschlossenen Türen.

Wenn es nach mir ginge, würden viel mehr Sitzungen und Expertengespräche öffentlich stattfinden. Leider ist das in der CDU/CSU-Fraktion nicht gewünscht, sodass nur die Anhörungen öffentlich sind.

Sie haben erwähnt, dass Sie sich intensiv mit der Pkw- und Lkw-Maut beschäftigt haben. Welche Rolle spielt das Thema Nutzerfinanzierung generell für die Sozialdemokraten?

Wir haben die Nutzerfinanzierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben, was die hohe Bedeutung zeigt, die wir ihr ­beimessen. Wir erwarten uns von der Lkw-Maut, wenn einmal alle Bundesstraßen bemautet sind, einen Mittelaufwuchs um knapp 2,4 Milliarden Euro im Jahr. Deshalb war es wichtig, die Hängepartie um die Weiterführung des Betreibervertrags mit Toll Collect zu Ende zu bringen. Die Pkw-Maut wird dagegen nur dann einen Nutzen bringen, wenn sie von allen bezahlt wird. Aus Sicht der SPD ist sie nicht notwendig.

Was passiert mit der Lücke zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen, die auch künftig mautfrei bleibt?

Wahrscheinlich ist es für Fahrzeugbauer ein gutes Geschäftsmodell, in diesem Segment Modelle anzubieten. Doch ernsthaft: Ja, wir haben in diesem Bereich noch eine Mautlücke. Dauerhaft wird es sie aber nicht geben. Die Frage, wie man sie schließt, ist noch nicht beantwortet. Wir wollen den Mittelstand und den Handel jedenfalls nicht stärker ­belasten.


Das zusätzliche Geld aus der Straße soll Ihrer Ansicht nach auch den anderen Verkehrsträgern zugutekommen. Warum?

Was über die Straßenmaut reinkommt, muss Verkehrsträger-übergreifend eingesetzt werden. Sonst ist es uns nicht möglich, auch die anderen Verkehrsträger finanziell vernünftig auszustatten. Das Geld fehlt hinten und vorne.

Gibt es im ­Verkehrsgewerbe überhaupt eine Akzeptanz für eine Ausweitung der Nutzer­finanzierung – wo es dank höherer Steuereinnahmen doch wieder mehr Spielräume bei den Haushaltsmitteln gibt?

Wir brauchen sowohl die Haushaltsmittel als auch die Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung. Was die Haushaltsmittel angeht, muss jeder zusätzliche Euro in die Verkehrswege fließen. Die große Koalition hat zum Ankurbeln der Konjunktur ein Zehn-Milliarden-Euro-Paket geschnürt. Drei Milliarden gehen in die Kommunen, sodass noch sieben Milliarden Euro zu vergeben sind. Ich habe die Hoffnung, dass ein großes Stück des Kuchens in den Bereich Verkehr und digitale In­frastruktur fließt.

Wo genau soll das zusätz­liche Geld hinfließen?

Wir haben uns darauf verständigt, dass alle Verkehrs­träger davon profitieren sollen. Große Sorgen haben wir bei den Brücken, vor allem bei der Straße, aber auch bei der Schiene. Wir haben die Deutsche Bahn über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung dazu verpflichtet, fast 600 Brücken zu sanieren.

Ist die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Bahn denn der große Wurf?

Ermutigend ist zum Beispiel, dass wir vier Milliarden Euro im Jahr für die Instandhaltung verabschiedet haben. Es wird so viele Baustellen auf der Schiene geben wie nie zuvor. Das große Problem sind wie erwähnt die Brücken. 9.000 Bauwerke sind über 100 Jahre alt, 1.400 müssen zwingend erneuert werden. Die Bundesrepublik verfügt über 36.000 Kilometer Schienenwege, für 30.000 davon ist die DB Netz AG zuständig. Um das alles in Schuss zu halten und auszubauen, braucht es nicht nur einige Jahre. Es handelt sich um eine Daueraufgabe über mehrere Jahrzehnte. Sonst können wir die Marktanteile auf der Schiene weder halten noch ausbauen.

In welchen Segmenten wollen Sie die Marktanteile ausbauen – denken Sie an den Kombinierten Verkehr?

Der Kombinierte Verkehr ist ein Erfolgsmodell. Wir brauchen aber auch den Einzelwagenverkehr. Die Deutsche Bahn hat als Aktiengesellschaft leider nur die betriebswirtschaftlichen, nicht aber die volkswirtschaftlichen Aspekte auf dem Schirm. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum keine Lebensmittel mehr auf der Schiene transportiert werden und warum Holz- oder Baustellenverkehre infrage gestellt werden.

Was wollen Sie tun, um vermehrt Spediteure zum Umstieg auf die Schiene zu ermuntern?

Ich hätte mir gewünscht, dass wir bei der Elektromobilität nicht nur für den Pkw, sondern auch für die Schiene etwas getan hätten. Man ­hätte mit drei Milliarden Euro ­einem Cargobeamer oder einer anderen Umschlagtechnik eine Chance geben können, um an den Autobahnen Umladestellen für Auflieger oder Lkw aufzubauen. Wenn wir mehr Güter auf der Schiene haben wollen, müssen wir handeln.

Ein kleiner Beitrag zur Lösung des Verkehrsproblems wäre der Lang-Lkw. Der Feldversuch läuft im vierten Jahr ohne Probleme. Warum haben Sie trotzdem Bedenken, was eine Freigabe dieser Fahrzeuge angeht?

Wir haben bei diesem Punkt innerhalb der Großen ­Koalition einen Dissens. Wir halten den Lang-Lkw aus vielerlei Gründen nicht für das ideale Transportmittel, sind aber bereit, Kompromisse zu suchen.

Wie könnte ein solcher Kompromiss aussehen?

Wir denken, dass nicht der 25,25 Meter lange, sondern der 17,8 Meter lange Lkw mit ­einem verlängerten Auflieger Zukunft hat. Dieses Konzept müssen wir schienenfähig machen. Es gibt Hersteller, die auch für diese Fahrzeuge Waggons bauen. Aktuell sind wir darüber im Dialog mit der Wirtschaft und explizit mit der Logistikbranche. Sie braucht Planbarkeit und noch in dieser Legislaturperiode ein Signal von uns.

ZUR PERSON

Martin Burkert ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags und seit vorigem Jahr Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Das SPD-Parteibuch besitzt der gebürtige Würzburger seit 30 Jahren. Vor seiner Wahl in den Bundestag war Burkert Gewerkschaftssekretär bei der heute als EVG firmierenden Eisenbahner-Gewerkschaft. Der Abgeordnete ist 50 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Er wohnt in Nürnberg.

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