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Verdi "Mindestlohn ist Schutzlinie nach unten"

Mario Klepp Foto: Rathmann

Die Gewerkschaft Verdi erneuert ihr Plädoyer für den Mindestlohn. Der neue Bundesfachgruppenleiter für den Bereich Speditionen, Logistik und KEP, Mario Klepp, verspricht sich davon einen faireren Wettbewerb.

Bei der Kabotage ziehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber inzwischen an einem Strang – wie das Bündnis zwischen Verdi und dem Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) zeigt. Beim Mindestlohn gibt es dagegen noch keinen 100-prozentigen Konsens. Doch Mario Klepp ist überzeugt, dass auch die Unternehmen davon profitieren würden. Denn dann werde man eine vernünftige Marktregulierung bekommen, sagt der neue Bundesfachgruppenleiter für den Bereich Speditionen, Logistik und KEP im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann.

trans aktuell: Herr Klepp, vor der Bundestagswahl unternimmt Verdi einen neuen Anlauf, um für einen Mindestlohn zu werben. Was erhoffen Sie sich davon?

Klepp: Die Erwartung dahinter ist, dass es für die Beschäftigten eine Schutzlinie nach unten gibt. Die gibt es aktuell nicht. Somit ist, was die Entlohnung angeht, nach unten keine Grenze gesetzt. Das spüren wir aktuell an allen Ecken und Enden. Wir wissen, dass in Mecklenburg-Vorpommern Fahrer für 1.100 Euro brutto beschäftigt sind.

Die SPD greift auf ihren Wahlplakaten das Thema auf. Soll sie aus Ihrer Sicht Teil einer neuen Regierung sein?

Es gibt ja inzwischen mehrere Parteien, die sich zu dem Thema geäußert haben. Insofern halten wir uns mit einer Aussage zugunsten einer Partei zurück. Unabhängig davon, wer die Regierung stellen wird: Wir erwarten, dass der Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro aufgegriffen wird. Die 8,50 Euro können nur der Einstieg sein. Wir sehen aktuell bei Lebensmitteln, dass die Preise teilweise im zweistelligen Prozentbereich nach oben marschieren.

In der Abfallwirtschaft scheint der Mindestlohn den Arbeitgebern nicht geschadet zu haben. Wie würde es in der Logistik aussehen?

Unternehmer aus der Logistik sagen uns schon längst hinter vorgehaltener Hand, dass wir den Mindestlohn dringend brauchen. Der ist allein schon deshalb nötig, um eine vernünftige Marktregulierung zu bekommen und um zu verhindern, dass es nicht immer einen gibt, der noch billiger ist.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) favorisiert einen tariflichen Mindestlohn. Würde der Ihnen reichen?

Die Frage ist, ob damit nicht alles weich gespült wird. Wenn man den tariflichen Mindestlohn haben will, kann man ihn über das Entsendegesetz bekommen oder über eine Allgemeinverbindlichkeit. Die bekommen wir im Moment aber nicht hin, weil viele Firmen einfach nicht in den Verbänden organisiert sind.

… oder den Verbänden nur noch als sogenannte OT-Mitglieder verbunden sind.

Wir halten OT-Mitgliedschaften für den falschen Weg, weil sie schon im Verband zu Dumping innerhalb der Branche führen. Ein Unternehmen ist im Verband und zahlt Tariflöhne. Das zweite Unternehmen ist auch im Verband und zahlt keine Tariflöhne. Und beide treffen sich am Markt. Das kann ja nicht gesund sein. Mit einem Mindestlohn wäre das OT-Problem zum Teil gemildert.

Während es beim Mindestlohn zwischen BGL und Verdi noch keinen Konsens gibt, zieht man bei der Kabotage an einem Strang. Also muss die Lage sehr ernst sein, oder?

Die Lage ist sehr ernst. Der Anteil der Kabotage-Fahrten an den mautpflichtigen Kilometern ist enorm gestiegen und beläuft sich auf fast ein Drittel. Leider läuft aber nicht alles sauber ab: Systematisch wird besonders im Brandenburger Raum gegen die Kabotage-Regeln verstoßen. Die Lkw kommen leer über die Grenze und beginnen dann erst hier, tätig zu werden.

Wollen Sie bei der Kabotage das Rad am liebsten zurückdrehen?

Ehe wir das Rad zurückdrehen, müssen wir Mechanismen finden, damit die geltenden Regeln Anwendung finden. Dazu braucht es eine Aufzeichnungs- und Kontrollpflicht. Statistisch ist die Bundesrepublik heute nicht in der Lage zu sagen, wie viele Kabotage-Fahrten heute wo ausgeführt werden. Das Bundesamt für Güterverkehr kontrolliert Kabotage zwar am Rande mit, doch auch das BAG hat Personal abgebaut und tut sich bei der Kontrolle schwer. Es hat 2012 knapp 300 Fälle aufgedeckt – das kann nur die Spitze des Eisbergs sein.

Die EU-Kommission hat ja durchblicken lassen, dass es keine Lockerung geben wird. Stimmt Sie das zuversichtlich?

Nur begrenzt. Denn die aktuelle Kabotage-Regelung soll in Brüssel nur in der jetzigen Amtsperiode nicht mehr angefasst werden. Nächstes Jahr stehen Europawahlen an. Daher müssen wir an die Abgeordneten die Botschaft senden, dass der Markt nicht reif für eine Kabotage-Freigabe ist. Wir müssen zweitens dem Gesetzgeber deutlicher machen, welche Steuerausfälle ihm durch weggefallende Lohnsteuer, Kfz- und Mineralölsteuer entstehen und für den gesetzlichen Mindestlohn werben. Dann hätte der ausländische Fahrer, der in Deutschland Kabotage ausführt, hierzulande Anspruch auf mindestens 8,50 Euro. Das würde nicht nur dem Fahrer helfen, sondern auch der Branche insgesamt.

Zur Person

Mario Klepp ist seit Juni neuer Bundesfachgruppenleiter für die Branchen Spedition, Logistik und KEP bei der Gewerkschaft Verdi. Bereits nach seinem Studium war er knapp zehn Jahre bei der Gewerkschaft in unterschiedlichen Funktionen tätig gewesen. Zuletzt war der 39-Jährige bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) beschäftigt. Klepp studierte nach einer Lehre zum Zimmermann Sozialpädagogik in Neubrandenburg. Er hat einen elfjährigen Sohn und wohnt in Berlin.

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