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Urteil Kartentausch mit Folgen

Fahrerkarte Götz Foto: Götz Mannchen

Der Einsatz einer zweiten Fahrerkarte ging bislang oft als Ordnungswidrigkeit durch. Mit einem aktuellen Beschluss gibt das Oberlandesgericht Stuttgart jetzt eine andere Richtung vor.

Seit Einführung des digitalen Tachografen im Mai 2006 versuchen einige Transportunternehmer und Kraftfahrer gleichermaßen, das Kontrollgerät zu überlisten. An erster Stelle steht dabei laut den Kontrolleuren des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) und der Polizei der Betrug mit einer zweiten Fahrerkarte – in der Regel nachts, wenn die Kontrolldichte auf deutschen Autobahnen gegen null geht.

Kartentausch galt als Ordnungswidrigkeit

Zwar können die Kontrolleure mit Software recht leicht nachweisen, wenn ein Fahrer die Karte beispielsweise eines Kollegen nutzt, um seine eigene abgelaufene Lenkzeit illegal zu "überbrücken". Doch die erste Freude der Kontrolleure endet bislang oft mit einer Enttäuschung. Je nach Bundesland werten schon die Staatsanwaltschaften selbst den Tatverdacht wegen Fälschung beweiserheblicher Daten nach Paragraf 269 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) lediglich als eine Ordnungswidrigkeit und geben den Fall häufig an die Kontrollorgane oder die zuständigen Bußgeldstellen zurück. Bei den Straßenkontrolleuren sorgt das für Frust.

In einem aktuellen Beschluss vom 23. März 2013 (Az.: 2WS 42/13) hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eine neue Richtung der Bewertung vorgegeben, indem es über eine Beschwerde der Staatsanwalt Ulm gegen einen Beschluss des Landgerichts Ulm entschieden hat. Dem liegt ein langes juristisches Vorspiel zugrunde, nachdem ein Lkw-Fahrer beschuldigt worden war, zwischen August 2009 und Dezember 2010 insgesamt 25 Touren mit den Fahrerkarten von anderen Betriebsangehörigen der Spedition gefahren zu sein.

Jetzt geht es um Fälschung beweiserheblicher Daten

Zunächst hatte das Amtsgericht Göppingen den Vorwurf der Straftat nach Paragraf  269 Abs. 1 StGB abgewiesen und das Verfahren nach Paragraf 23 Abs. 2 Nr. 4 der Fahrpersonalverordnung als Ordnungswidrigkeit behandelt. Von dort ging es weiter zum Landgericht Ulm. Dieses hatte den Antrag der Ulmer Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Hauptverfahrens jedoch mit dem Hinweis abgelehnt, es handle sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, die zudem verjährt sei. Hiergegen hatte nun die Staatsanwaltschaft Beschwerde beim OLG Stuttgart eingelegt. Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben und per Beschluss entschieden, dass vor dem Landgericht Ulm nun doch das Hauptverfahren zu eröffnen ist. Denn es bestehe der Tatverdacht wegen Fälschung beweiserheblicher Daten nach Paragraf 269 Abs. 1 StGB.

Das Landgericht Ulm hatte folgende Auffassung vertreten: Da aus dem ermittelten Datensatz im Kontrollgerät nicht hervorgehe, wer die Fahrerkarte in das Gerät eingesteckt habe, lasse sich der Aussteller nicht erkennen. Der Datensatz stelle somit, läge er als Papierform – sprich: Tachoscheibe – vor, keine Urkunde im Sinne von Paragraf 267 Abs. 1 StGB dar. Diese Auffassung hat das OLG Stuttgart nun zurückgewiesen. Das endgültige Urteil hat nun durch das Landgericht Ulm im Rahmen des Hauptverfahrens zu erfolgen.
Dass sich Tachomanipulation nicht lohnt, erfahren in den kommenden Wochen ebenfalls elf Fahrer eines mittelständischen Transportunternehmens aus dem Raum Bremervörde. Ihr Chef, der Namensgeber der Firma, die allerdings auf dessen Gattin als Geschäftsführerin der GmbH eingetragen ist, soll laut den Ermittlungen die Idee gehabt haben, in den Kneipen der Nachbarschaft Bekannte anzusprechen, ob sie ihre Fahrerkarten gegen ein Entgelt zur Verfügung stellen würden. Die Fahrer hätten sie dann bei Arbeitsantritt gleich in ihren Mappen mit den Lkw- und Frachtpapieren vorgefunden – und auch genutzt.
2010 fiel dies auf, Polizei und die zuständige Gewerbeaufsicht in Cuxhaven untersuchten, wo sich die angeblichen Aushilfsfahrer tatsächlich befanden: nämlich überwiegend bei ihrer richtigen Arbeit oder daheim im Bett. Nach einer Razzia landeten sämtliche Unterlagen aus dem Firmenbüro schließlich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Stade. Dort wurden die Ermittlungen Ende Mai 2013 abgeschlossen.

180 Tagessätze wegen Beihilfe zur Fälschung

In zwölf Fällen – elf Fahrer sowie der Unternehmer selbst – wurde Strafbefehl beim Amtsgericht Bremervörde beantragt. Das könnte die Beschuldigten teuer zu stehen kommen: Für die elf Fahrer ist ein Strafbefehl von 60 bis 70 Tagessätzen beantragt, deren Höhe das Gericht nach dem jeweiligen Einkommen festsetzen muss. Der Unternehmer muss mit 180 Tagessätzen wegen Beihilfe zur Fälschung beweiserheblicher Daten in 25 Fällen rechnen – und wäre vorbestraft. Gegen das Unternehmen selbst ist zusätzlich eine Geldbuße von 40.000 Euro beantragt.

Strafbefehl ist noch nicht rechtskräftig

Laut Gewerbeaufsicht Cuxhaven ist der Strafbefehl gegen den Unternehmer noch nicht rechtskräftig. Das ist insofern von Bedeutung, weil erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Strafverfahrens mit erwiesenem schuldhaftem Ausgang die Möglichkeit besteht, einem Unternehmen die Konzession respektive Betriebserlaubnis zu entziehen – was allerdings dann dem Landkreis obliegt.

Hier ist ebenfalls die Frage interessant, auf wen die Lizenz ausgestellt ist: den Chef, dessen Frau oder gar einen Verkehrsleiter. Bis dahin, so die Gewerbeaufsicht, stehe der Unternehmer selbstverständlich im Rahmen des Risikoeinstufungssystems unter besonderer Beobachtung.

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Markus Werner Fachanwalt für Arbeitsrecht
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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