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Unternehmensführung Acht Fakten zum Mindestlohn

Foto: Thomas Küppers

Seit 1. Januar 2015 gilt der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Vom Anwendungsgebiet bis zur Haftungsübernahme - die wichtigsten Infos.
 

Seit 1. Januar 2015 gilt das Tarifautonomiegesetz, das einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde vorschreibt. Für die Transport- und Logistikbranche kann von folgenden Fakten ausgegangen werden:

1 .Anwendungsgebiet: alle Arbeitnehmer, die im Inland beschäftigt sind, auch geringfügig Beschäftigte und Aushilfen. Ausnahmen: echte Selbstständige, unter 18-Jährige, ehrenamtlich Tätige und Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten, die vorher langzeitarbeitslos waren, sowie Praktikanten (mit Ausnahmen). Der Mindestlohn gilt auch für ausländische Arbeitnehmer von ausländischen Arbeitgebern, wenn sie in Deutschland tätig sind, in der Transportbranche konkret auch für Kabotagefahrten und bei grenzüberschreitenden Verkehren mit Be- oder Entladestellen in Deutschland. Lediglich für Transittransporte ist die Mindestlohnpflicht vorerst ausgesetzt (Stand Februar 2015).
 
2. Berechnung: 8,50 Euro pro tatsächlich geleistete Zeitstunde im Kalendermonat.
"Entscheidend für die Berechnung ist immer, was im konkreten Monat ausbezahlt wird, und wie viele Stunden tatsächlich gearbeitet wurden.Was im Vertrag steht, ist für die Berechnung des Mindestlohns unerheblich", sagt Rechtsanwältin Elisabeth Schwartländer-Brand vom Arbeitgeberverband Spedition und Logistik (AVSL) in Baden-Württemberg. Zulagen und Leistungen, die für besondere Tätigkeiten oder für die Tätigkeit zu besonderen Zeiten gezahlt werden, können nicht angerechnet werden, etwa Überstundenzuschläge, Zuschläge für Samstags-, Nacht- oder Feiertagsarbeit, Wechselschichtzulagen, eine Qualitätsprämie für spritsparendes oder unfallfreies Fahren sowie Spesen. Ein durchgehend gezahlter Ortszuschlag oder eine monatliche Betriebszugehörigkeitsprämie könnten eingerechnet werden.
 
3. Beispielrechnung: Ein Arbeitnehmer hat einen Vertrag mit einer 40-Stundenwoche, das heißt 173 Stunden im Monat. Sein Grundgehalt beträgt 1.500 Euro (entspricht einem Stundenlohn von 8,67 Euro). Im November arbeitet er 190 Stunden und hat folgende Vergütung: 1.500 Euro Grundvergütung, 200 Euro Spesen, 120 Euro Nachtzuschläge und 50 Euro Qualitätsprämie. Er erhält zwar in diesem Monat brutto 1.870 Euro Gehalt und Zuschläge – angerechnet werden für den Mindestlohn darf aber nur das Grundgehalt, alle anderen Vergütungsbestandteile nicht, da sie für Sonderleistungen gezahlt werden. Daraus (1.500 Euro : 190 Stunden) ergibt sich dann ein Stundenlohn von nur  7,89 Euro/Stunde. In diesem Fall wurde der Arbeitnehmer also unter Mindestlohn vergütet.
 
4. Auftraggeberhaftung: Zivilrechtlich – der Auftraggeber haftet gegenüber dem Arbeitnehmer auf die Zahlung des Mindestlohns. Bußgeldrechtlich – Bußgeld bei Verletzung der Mindestlohnvorschriften.

Nachgebessert haben Bundesarbeits- und Bundesfinanzministeriums im Frühsommer 2015 bei dem Begriff Auftraggeber – demnach liegt sowohl bei der zivilrechtlichen Haftungsfrage als auch bei der Anwendung der Bußgeldvorschriften ein "eingeschränkter" Unternehmerbegriff zugrunde, wie ihn das Bundesarbeitsgericht für die zivilrechtliche Haftung im Arbeitnehmerentsendegesetz entwickelt hat. Dabei übernehme ein Unternehmen nur die Verantwortung für beauftragte Unternehmen, wenn eigene vertraglich übernommene Pflichten weitergegeben werden. "Damit
wird in den meisten Fällen einer Beauftragung eines anderen Unternehmens klargestellt, dass hier im Hinblick auf den Mindestlohn keine Auftraggeberhaftung besteht", so das BMAS. 


5. Dokumentationspflichten: Beginn, Dauer und Ende der täglichen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer müssen dokumentiert werden und spätestens nach sieben Tagen zur Verfügung stehen. Aufbewahrungspflicht: zwei Jahre. Der Arbeitgeber muss die für eine Kontrolle erforderlichen Unterlagen –  etwa Arbeitszeitnachweise, Lohnlisten, Urlaubspläne – in deutscher Sprache bereithalten. Die Dokumentationspflicht gilt nicht für Beschäftigte, die regelmäßig monatlich mehr als 2.958 Euro verdienen, die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit entfällt aber seit dem 1. August 2015 auch dann, "wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt mehr als 2.000 Euro brutto beträgt und das sich hieraus ergebende Nettoentgelt jeweils für die letzten tatsächlich abgerechneten zwölf Monate regelmäßig ausgezahlt worden ist."  Auch bei der Beschäftigung von engen Familienangehörigen (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers) sind die Aufzeichnungspflichten nicht mehr anzuwenden.  Ausländische Arbeitgeber müssen versichern, die für die Mindestlohnprüfung erforderlichen Unterlagen im Ausland aufzubewahren und diese auf Anforderung bereitzustellen.

 
6. Meldepflichten: Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer in Deutschland im Bereich Spedition und Logistik beschäftigen, müssen vor Beginn der Tätigkeit folgende Angaben bei der zuständigen Zollbehörde machen: Namen, Geburtsdatum, Beginn, gegebenenfalls Dauer sowie Ort der Beschäftigung, außerdem Ort in Deutschland, wo Unterlagen bereitgehalten werden, Name und Anschrift des Verantwortlichen. Von der Zollverwaltung wird unter www.zoll.de ein entsprechender Vordruck 033037 vorgehalten.
 
7. Bußgeld: Bei Verletzung von Dokumentationspflicht, Meldepflicht, Duldungs- und Mitwirkungspflicht bei einer Prüfung droht ein Bußgeld von bis 30.000 Euro. Bis 500.000 Euro drohen bei nicht oder nicht rechtzeitiger Zahlung von Mindestlohn an eigene Arbeitnehmer oder bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von nicht oder nicht rechtzeitiger Zahlung von Mindestlohn durch Subunternehmer.
 
8. Haftungsübernahme, Freistellungsklauseln und ähnliches: Solche Vertragsklauseln schützen nicht vor der zivilrechtliche Haftung  –diese gilt verschuldensunabhängig.
Anders könnte es bei der bußgeldrechtlichen Haftung: Wer die Vertragsklauseln vorzeigen und zusätzlich dokumentieren kann, dass er alles Mögliche getan hat, um die Zahlung des Mindestlohns nachzuprüfen,  hat hier bessere Chancen.   

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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