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Transportrecht Vor Gericht und auf hoher See

Transportrecht, Hafen, Foto: rat

Die Haftung bei einem Multimodal-Transport ist deutlich geringer als beim Straßentransport – unabhängig davon, wo der Schaden eingetreten ist. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. 

Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand« heißt ein altes Sprichwort. Keine göttliche Hand, sondern der Bundesgerichtshof hat erneut Klarheit zu den Haftungshöchstsummen im Schadensfall geschaffen. In seinem Urteil stellte der Bundesgerichtshof fest, dass Ziffer 23.1.3 der Allgemeinen Deutschen Spediteursbedingungen (ADSp) lex specialis gegenüber Ziffer 23.1.2 ADSp ist, also Vorrang hat.

Haftungsbeträge richten sich nach Schadensort und Beförderungsart

In beiden Ziffern geht es um Haftungsbegrenzungen für Spediteure: Die Haftungsbeträge richten sich entweder nach dem Schadensort (Ziffern 23.1. und 23.1.2) oder nach der Beförderungsart (Ziffer 23.1.3). In letzterem Fall ist die Haftung an das Seefrachtrecht angelehnt.

Wie ist die Haftungsbegrenzung zu sehen?

Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, wie die Haftungsbegrenzung zu sehen war – nach Schadensort oder nach Beförderungsart. Denn in dem Streitfall war das Gut zwar beim Transport/Verpacken an Land beschädigt worden, allerdings im Rahmen eines Multimodalvertrags: Ein Maschinenbauunternehmen hatte eine Spedition zu festen Kosten mit dem Transport mehrerer Maschinen – darunter auch eine sogenannte Wirbelmaschine – beauftragt. Ziel war eine Messe in den USA. Ein anderes Unternehmen verpackte die Maschinen für den Transport in Holzkisten. Nach Eintreffen im Hafen Savannah (Georgia) untersagte die US-Zollbehörde wegen der unzulässigen Holzkisten allerdings die Einfuhr. Das US-Partnerunternehmen der deutschen Spedition ließ daraufhin nach Absprache die Maschinen zum Weitertransport durch ein weiteres Unternehmen auf einen Tieflader verladen. Entweder beim Auspacken oder beim Verladen auf das Transportfahrzeug wurde die Wirbelmaschine beschädigt.

Multimodalbeförderung unter Einschluss einer Seebeförderung

Nach der Messe wurde die von einem Dienstleister neu verpackte und in einem Container gestaute Wirbelmaschine als Seefracht nach Japan transportiert und dabei erneut beschädigt. Das Maschinenbauunternehmen beziehungsweise dessen Versicherung verlangten daraufhin von der Spedition Schadensersatz in Höhe von mehr als 320.000 Euro. Das zuständige Landgericht sah allerdings knapp 14.000 Euro als ausreichend an.
Auch der Bundesgerichtshof tat dem Maschinenbauer mit seinem Urteil nicht Genüge: "Bei Abschluss eines Verkehrsvertrages über einen Multimodaltransport unter Einschluss einer Seebeförderung ist Ziffer 23.1.3 ADSp als lex specialis gegenüber Ziffer 23.1.2 ADSp. Für die Anwendung von Ziffer 23.1.3 ADSp kommt es nicht darauf an, ob der Schadensort bekannt ist und auf welcher Teilstrecke  – Land- oder Seebeförderung – der Schaden eingetreten ist", heißt es in der Begründung (BGH, 11.04.2013, AZ: I ZR 61/12). Entscheidend sei vielmehr, ob eine Multimodalbeförderung unter Einschluss einer Seebeförderung vereinbart wurde.

Was das für die Spediteure bedeutete, erklärt Rechtsanwalt Carsten Vyvers von der Kanzlei Arnecke Siebold in Frankfurt: "Nach Ansicht des Gerichtshofs ist die Spezialregelung der Ziffer 23.1.3 ADSp so zu verstehen, dass sich der Spediteur im Schadensfall -–  egal wo der Schaden eingetreten ist - – immer auf die Haftungsbegrenzung von zwei Sonderziehungsrechten pro Kilogramm berufen kann", sagt der Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. "Das  Haftungsrisiko ist somit bei Straßentransporten, welche im Zusammenhang mit einer Seebeförderung stehen, nur knapp ein Viertel so hoch wie bei reinen Straßen- oder CMR-Transporten." In Zahlen: zwei Sonderziehungsrechte (SZR) anstatt 8,33 SZR.

Auf schadensursächliches Mitverschulden des Versenders berufen

"Infolgedessen kann sich der Spediteur beispielsweise auch viel früher auf ein schadensursächliches Mitverschulden des Versenders berufen, als dies bei den vorgenannten, nur Straßen- oder CMR-Transporten der Fall wäre", erläutert Vyvers und gibt ein Beispiel: Geht man davon aus, dass ein Mitverschulden jeweils bereits ab einem Zehnfachen der vertraglichen Haftungsbegrenzung in Betracht kommt, so ist dies ebenfalls nur ein knappes Viertel des Wertes, welcher bei nur Straßentransporten oder CMR-Transporten zu erreichen ist. Also in Zahlen: Haftungsbegrenzung bei multimodalen Transporten einschließlich einer Seebeförderung 2 SZR pro kg  x 10 = 20 SZR pro Kilogramm, bei Straßentransporten oder CMR-Transporten dort 10 x 8,33 SZR pro Kilogramm = 83,2 SZR.

Zwei Verteidigungsargumente für den Spediteur

Laut Vyvers gibt die Entscheidung des BGH dem Spediteur damit gleich zwei Verteidigungsargumente an die Hand: zum einen die geringere Grundhaftung und zum anderen die Möglichkeit, sich früher auf ein schadensursächliches Mitverschulden zu berufen.


 

Die Haftungsbegrenzung

Allgemeine Deutsche Spediteursbedingungen (ADSp)
Ziffer 23

23.1 Die Haftung des Spediteurs bei Verlust oder Beschädigung des Gutes(Güterschaden) ist mit Ausnahme der verfügten Lagerung der Höhe nach begrenzt.

23.1.1 auf fünf Euro für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung;

23.1.2 bei einem Schaden, der an dem Gut während des Transports mit einem Beförderungsmittel eingetreten ist, abweichend von Ziff. 23.1.1 auf den für diese Beförderung gesetzlich festgelegten Haftungshöchstbetrag;

23.1.3 bei einem Verkehrsvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln unter Einschluss einer Seebeförderung, abweichend von Ziff. 23.1.1. auf zwei SZR für jedes Kilogramm.

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