trans aktuell-Expertengespräch Oberleitungs-Lkw Anfang 2019 geht es in Hessen los

Start des weltweit ersten eHighways in Schweden / World's first eHighway opens in Sweden Foto: Scania CV AB

trans aktuell zu Gast bei der Spedition Schanz in Ober-Ramstadt: Experten diskutierten über den Einsatz von Oberleitungs-Lkw in Hessen, darunter der hessische Staatssekretär Mathias Samson.

Fünf Kilometer, jeweils in eine Richtung: So lang ist die Strecke, auf der ab Anfang 2019 die Oberleitungs-Lkw der Speditionen Schanz und Meyer Logistik sowie der Raiffeisen Waren-Zentrale (RWZ) und des Container-Dienstleisters Contargo unterwegs sein werden. Obwohl "nur" fünf Kilometer lang, laufen die Vorbereitungen bereits jetzt auf Hochtouren. So auch bei der Spedition H.A. Schanz in Ober-Ramstadt, in deren Räumlichkeiten ein trans aktuell-Expertengespräch zum Thema Oberleitungs-Lkw stattfand.

"Wir sind täglich auf der A 5 unterwegs, sodass der ausgewählte Streckenabschnitt gut passt", erklärte Christine Hemmel, die gemeinsam mit ihrer Schwester Kerstin Seibert die Geschäfte der Spedition Schanz leitet. Obwohl sie in der Bevölkerung durchaus auch Skepsis gegenüber den Lkw mit Geweih spüre, ist Hemmel von dem Vorhaben überzeugt: "Wenn es gut läuft, bleibt es vielleicht nicht nur bei einem Teilstück." Die beiden Schwestern führen das 70 Mitarbeiter starke Unternehmen bereits in der vierten Generation. 36 eigene Fahrzeuge, 70 Wechselbrücken und 8.500 Quadratmeter Logistikfläche gehören zu dem Portfolio.

Der größte Kunde, der auch in Ober-Ramstadt sitzende Farbenhersteller DAW, zieht bei dem Projekt Oberleitungs-Lkw ebenfalls mit. Für DAW, unter dessen Dach zum Beispiel die Marken Caparol und Alpina zu Hause sind, organisiert Schanz den innerdeutschen Nah- und Fernverkehr sowie die Baustellenlogistik. "Für uns ist neben einer zeitgenauen Abwicklung der Warenströme auch die Nachhaltigkeit im Transport ein wichtiger Bestandteil unseres Handelns", erläutert Udo Zeigmeister, Teamleiter Einkauf logistischer Bedarf und Planung – aus diesem Grund unterstütze DAW dieses Projekt.

40 Prozent Güterverkehrswachstum von 2010 bis 2030

40 Prozent Güterverkehrswachstum von 2010 bis 2030 – diese Herausforderung müsse nicht allein unter einer quantitativen Fragestellung, sondern auch im Rahmen einer klima­poli­ti­schen Diskussion angegangen werden, sagte Staatssekretär ­Mathias Samson vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Auch der Verkehr müsse seinen  Beitrag zum Erreichen staatlicher Klimaschutzpläne leisten und alternative Konzepte einsetzen.

Nicht zuletzt ist für den Staatssekretär auch die "industriepolitische Dimension" ein Faktor für den Oberleitungs-Lkw: Die deutsche Industrie müsse im internationalen Wettbewerb mit zukunftssicheren Lösung bestehen. Hessen sei mit dem Flughafen Frankfurt und mit seiner zentralen Lage stark mit dem Güterverkehr verbunden und versuche aus seiner besonderen Verantwortung heraus, verkehrliche Prozesse zu optimieren und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dazu gehöre gleichfalls, die verschiedenen Optionen zum Diesel-Lkw ­auszunutzen.

Der Oberleitungs-Lkw habe auf dem Siemens-Testfeld in Groß Dölln seine technische Reife bewiesen, der Feldversuch sei nun der Realtest. Das Konzept sei "nicht die eine Lösung – aber ein Deckungsbeitrag für ein großes Paket". Zumal die Oberleitungstechnik auch noch Raum habe, sich zu entwickeln – sei es durch eine ständige Verbesserung der Technik, etwa der Batterien, oder auch durch den zunehmenden Druck der Kommunen, die Belastungen im innerstädtischen Verkehr zu reduzieren. Laut Samson werde etwa darüber nachgedacht, auch andere Fahrzeuge, die die Teststrecke passieren, mit einem Pantografensystem auszustatten. "Gerade bei den Punkt-zu-Punkt-Relationen bietet sich das System an."

Wie wirtschaftlich das System im Alltag ist, testet auch die Firma Meyer Logistik aus Friedrichsdorf. Geschäftsführer Heinz Meyer ist von der Effizienz überzeugt, auch die Kunden seien interessiert. Der Bedarf an emissionsfreien und leisen Zukunftskonzepten sei angesichts der zunehmenden Zufahrtsbeschränkungen in vielen Innenstädten da.
Seit dem Frühjahr erprobt Meyer für diesen Einsatzzweck bereits zwei Hybrid-Lkw von ­Scania. Die Strom-Reichweite der 18 Tonner reiche  für die Zustellung in Fußgängerzonen. "Wenn die Fahrzeuge ein Geweih haben, dann macht das noch mehr Sinn. Dann sind wir nicht mehr ausschließlich auf Ladestationen angewiesen, weil das Fahrzeug seine Spritze auch unterwegs bekommt." Armin Brähler, Regionalleiter Mitte bei Meyer Logistik, kann sich etwa vorstellen, in Zukunft Oberleitungs-Lkw auch für die Filial-Versorgung ab dem Rewe-Logistikzentrum in Neu-Isenburg zu nutzen, also ganz in der Nähe der Teststrecke.

Elektro-Lkw auf der Busspur?

Zu Meyers Vorschlag, Elektro-Lkw einen Vorteil durch Befahrung der Busspuren in den Städten einzuräumen, sagte Samson, dass zwar das Elektromobilitätsgesetz diese Möglichkeit einräume, die Städte davon jedoch keinen Gebrauch machten. Zu groß sei die Sorge, dass durch E-Fahrzeuge auf den Busspuren Nachteile für den ÖPNV entstünden. Die Politik sei aber dabei, etwa die Anlieferung durch Strom-Lkw regulatorisch zu verbessern und weitere Vorteile für die Elektromobilität zu schaffen.

Damit das zusätzliche Gewicht durch Stromabnehmer und Batterie nicht zum Nachteil wird, steht eine Erleichterung zumindest in Aussicht: Dr. Christian Langhagen vom Referat Verkehrspolitik, Logistik, sagte, dass im Zulassungsrecht ein Aufschlag für solche Fahrzeuge denkbar sei, "damit die Nutzlast nicht allzu sehr eingeschränkt ist". Dies bekräftigte Heinz Meyer, der für seine zwei Elektrofahrzeuge nachträglich einen Nutzlast-Zuschlag von 1.000 Kilogramm bekommen habe.

Aber nicht nur das Gewicht, sondern auch der Längenbedarf ist derzeit noch ein anderer im Vergleich zu Standardfahrzeugen. "Als Einbauraum für die Technik braucht man eine gewisse Fläche im Fahrzeug", sagte Holger Sommer, Leiter der eHighway-Projektgruppe innerhalb der Mobility Division bei Siemens in Erlangen, "bei den Fahrzeugen auf unserem Versuchsgelände macht der zusätzliche Längenbedarf aktuell bis zu 50 Zentimeter aus." Die Spedition Schanz, die die Fahrzeugbeschaffung mit Scania bereits erklärt hat, hat das pragmatisch gelöst – durch Verzicht auf eine Schlafkabine in dem Fernverkehrs-Lkw.

Vier Firmen sind am Start

Anders als bei den Versuchen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein sind in Hessen gleich vier Firmen beim Feldversuch am Start. Die Unternehmen mit ihren verschiedenen Anwendungsmerkmalen bringen laut Referatsleiter Langhagen unterschiedliche Erkenntnisse zusammen – vielleicht, so seine Hoffnung, lassen sich im Laufe des Feldversuchs weitere Fahrzeuge erhalten, um noch mehr Erkenntnisse zu sammeln.  Nicht ausgeschlossen, sagte Holger Sommer von Siemens:  Mit steigender Nachfrage können im Laufe der Feldversuche vielleicht weitere Oberleitungs-Lkw über Ausschreibungen bereitgestellt werden.

Die zehn Kilometer Fahrdraht erhalten die Energie aus zwei Unterwerken, die den Strom aus dem Landesnetz in Südhessen beziehen und ihn transformieren. Und während der Bauarbeiten kümmert sich das Ver­kehrs­manage­ment von Hessen mobil mit seinem Slot-Management darum, dass es keine Störungen gibt. Hessen ist bereit.

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