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Thomas Hailer im Gespräch "Der Trend stimmt"

Thomas Hailer, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums Foto: ETM

Bis 2017 sollen jährlich 10,5 bis 12,1 Milliarden Euro in die Infrastruktur fließen. Thomas Hailer, Chef des Deutschen Verkehrsforums, lobt das hohe Investitionsniveau.

Was in einem Jahr nicht verbaut werden kann, ist weg. So war es bisher. Umso größer ist die Erleichterung beim Deutschen Verkehrsforum, dass überschüssige Mittel künftig in den Verkehrshaushalt zurückfließen sollen. Das Geld dürfe nicht mehr verloren gehen, sagt Geschäftsführer Thomas Hailer im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann.

trans aktuell: Herr Hailer, das Deutsche Verkehrsforum wird 30 Jahre alt. Wie geht es dem Geburtstagskind?

Hailer: Prächtig, es steht mit 30 Jahren sozusagen in der Blüte seines Lebens und ist zurzeit überall anzutreffen. Dass wir so stark gefragt sind, liegt aktuell auch an der ­Phase der Regierungsbildung und -findung. Wir haben ein gutes Standing, einen guten Draht zu den Abgeordneten und hatten als einer der ersten Verbände auch schon die Gelegenheit, mit dem neuen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zu sprechen. Seit unserer Gründung am 10. September 1984 als Verkehrsforum Bahn haben wir uns zum Mobilitätsverband der deutschen Wirtschaft entwickelt. Heute vertreten wir alle Verkehrsträger sowie auch Marktführer aus anderen wichtigen Wirtschaftszweigen wie Bau- oder Finanzwirtschaft. Und wir sind zunehmend auch europäisch unterwegs.

Welche Botschaften haben Sie Minister Dobrindt bei Ihrem Antrittsbesuch überbracht?

Hauptthemen des Gesprächs waren die Priorisierung und Finanzierungsreformen im Bereich Verkehrsinfrastruktur. Wir sind uns mit dem Minister einig, dass der Erhalt vor Neu- und Ausbau gehen muss. Wir stimmen darin überein, dass es eine stärkere Priorisierung bei der Verkehrswegeplanung braucht. Was die Reformen angeht, haben wir darauf hingewiesen, dass der Rückfluss nicht verbrauchter Investitionsmittel gewährleistet sein muss. Das Geld darf nicht mehr verloren gehen, wenn es in einem Haushaltsjahr nicht verbaut werden kann.

Dabei gibt es in den nächsten vier Jahren fünf Milliarden Euro zusätzlich. Reicht das nicht?


Die fünf Milliarden Euro zusätzlich sind ein erster Schritt, sie reichen wegen des immensen Erhaltungsbedarfs von vier Milliarden Euro jährlich aber nicht. Effektiv stehen auch nur 3,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung, weil 1,5 Milliarden Euro zur Ausfinanzierung laufender Projekte benötigt werden. Wir werden den Minister daher bei seinen Anstrengungen für höhere Investitionsmittel tatkräftig unterstützen. Die aktuelle Kabinettsvorlage zum Bundeshaushalt stimmt uns aber positiv, denn der Trend stimmt: Für 2014 sind 10,5 Milliarden Euro an Verkehrsinvestitionen geplant, für 2015 elf Milliarden, für 2016 11,6 Milliarden und für 2017 12,1 Milliarden.

Sie hätten sich Fonds gewünscht, die sich aus Haushaltsmitteln und Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung speisen. Sind Sie enttäuscht, dass diese Option im Koalitionsvertrag nicht mal erwähnt wird?

Vielleicht liegt es nur an der Begrifflichkeit. Haushaltspolitiker stören sich an dem Wort Fonds. Es riecht nach Schattenhaushalt und nach Geldern, auf die sie keinen Zugriff haben. Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, braucht es eine starke parlamentarische Kontrolle für ein solches Instrument. Für die Idee von Fondslösungen machen wir uns weiterhin stark: Denn wir brauchen den Rückfluss nicht verbauter Investi­tionsmittel und langfristig überjährige Budgets.

Was wären die Vorteile?

Nur dann bekommt die Wirtschaft eine deutlich höhere Planungssicherheit und kann Kapazitäten für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten aufbauen. Experten gehen davon aus, dass man unterm Strich die Effizienz um zehn Prozent steigern könnte. Die Beschränkung auf immer ein Haushaltsjahr ist schwierig: Die Investitionen fließen durch das sogenannte Dezemberfieber oft nicht in die wirklich dringenden Projekte, außerdem können die Planungs- und Ingenieurbüros ihre Kapazitäten nicht optimal steuern.

Wie bewerten Sie das nationale Prioritätenkonzept, das im Gegensatz zu Infrastrukturfonds im Koalitionsvertrag erwähnt ist?

Das begrüßen wir sehr. Wir kommen um eine ­stärkere Priorisierung nicht herum. Dies ist in der Vergangenheit eindeutig nicht geschehen: Bei den Neu- und Ausbaumaßnahmen hat sich seit 2013 eine Finanzierungslücke von 20 Milliarden Euro aufgestaut. Um den Bundesverkehrswegeplan 2013 abzufinanzieren, bräuchten wir 70 Jahre. Das Deutsche Verkehrsforum hält die Kombination aus dem neu definierten Vordringlichen Bedarf Plus sowie dem besagten nationalen Prioritätenkonzept für sehr sinnvoll.

Doch wer kann letztlich objektiv beurteilen, was wichtig ist und was nicht?

Das ist Aufgabe des Bundes. Die Länder werden ihm auch weiterhin ihren Bedarf melden. Eine Entscheidungsgrundlage muss der ebenfalls im Koali­tionsvertrag angeregten Verkehrsinfrastrukturbericht sein. Er soll Aufschluss darüber geben, wie es um die Qualität des Netzes bestellt ist, wo erhalten und ausgebaut werden muss, wo Engpässe und Defizite sind.

Doch bis das alles zusammengetragen ist, ist die Legislaturperiode schon um, oder?

Der Verkehrsinfrastrukturbericht darf nicht zum bürokratischen Monster werden. Wir hoffen, dass vor Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans 2015 ein erster Bericht zur Orientierung vorliegt. Ich bin überzeugt, dass der Vorlauf gar nicht so groß sein muss. Denn es existieren ja schon viele wichtige Verkehrsinformationen, die nur sinnvoll zusammengeführt werden müssten. Ich denke an die Daten der Verkehrsmanagementzentralen der Länder, die Zustandswerterfassung der Straßenbauverwaltungen, den Netzzustandsbericht der Deutschen Bahn oder die Daten zu den Verkehrsströmen schwerer Lkw von Toll Collect.

Apropos Toll Collect: Wie stehen Sie zur Ausweitung der Lkw-Maut, sei es auf alle Bundesstraßen oder kleinere Lkw?

Erst wenn klar ist, dass es sich bei diesen Einnahmen um zusätzliche Mittel handelt, die zweckgebunden eingesetzt werden, steigt die Akzeptanz der Verkehrswirtschaft, die Lkw-Maut auszuweiten. Das ist die Voraussetzung. Ist sie erfüllt, empfehlen wir dringend, sehr behutsam mit einer möglichen Ausweitung der Lkw-Maut umzugehen. Wir dürfen das Gewerbe nicht unnötig strapazieren und mit zu hohen Nutzergebühren dem Standort Schaden zufügen. Ich bin mir ehrlich gesagt aber nicht sicher, ob in dieser Legislaturperiode überhaupt eine Mautausweitung umgesetzt werden kann.






ZUR PERSON

Thomas Hailer (49) ist seit Juli 2002 Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums, das sich als "Anwalt für Mobilität" versteht. Hailer hat diese Funktion angetreten, nachdem er in Brüssel unter anderem als Geschäftsführer des europäischen Wirtschaftsverbands Freight Forward Europe (FFE) die Interessen globaler Großspediteure vertreten hatte. Von 1996 bis 2001 unterstand ihm die Brüsseler Repräsentanz des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Hailer studierte in England und Spanien Europäische Politikwissenschaften. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.

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