Test Mit einem Bein im Knast

Der Fahrzeughalter ist für vieles verantwortlich, was mit seinem Transporter geschieht. Selbst wenn er gar nicht hinterm Steuer sitzt. Pech für Kurierdienst-Chef Heiko F.: Seinem Fahrer rauscht ein Radler in den Fir- mentransporter und bricht sich den Arm – nun muss Heiko F. die Arztrechnung samt Verdienstausfall des Radfahrers bezahlen. Warum ist ihm nicht klar. Sein Fahrer war an dem Unfall doch gar nicht schuld.

„Als Fahrzeughalter ist Herr F. prinzipiell immer schadenersatzpflichtig, wenn durch seinen Wagen jemand zu Schaden kommt“, sagt dazu Alfred Fleischmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Hanau. „Es spielt keine Rolle, ob er an dem Unfall schuld war.“ So will es Paragraf 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), nach dem sich die Haftpflicht bereits aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ergibt.

Stichwort Gefährdungshaftung. Im Klartext: Der Fahrer muss nur zahlen, wenn er einen Unfall verschuldet, der Halter aber ist immer dran. Hart traf es deshalb auch Meike S.: Sie ließ ihre Autoschlüssel auf dem Küchentisch liegen – prompt lieh sich ihr 17-jähriger Sohn den VW Bus für eine Spritztour mit seinen Kumpels. Dumm gelaufen, dass er in eine Verkehrskontrolle geriet. Die Richter fanden die Geschichte gar nicht lustig und waren kurz davor, Meike S. statt der saftigen Geldbuße sogar eine Haftstrafe aufzubrummen. Mit ihrer Schlüssel-Schlamperei hatte sie die Schwarzfahrt des autobegeisterten Sohnes fahrlässig zugelassen und verstieß damit gegen ihre Pflichten als Fahrzeughalterin. Zahlen muss der Fahrzeughalter, wenn etwas durch seinen Wagen zu Bruch geht oder wenn ein Mensch zu Schaden kommt. Auch Mitfahrer können Schadenersatz verlangen, wenn sie bei einem Unfall verletzt werden – ausgenommen sind allerdings der Fahrer und andere Per- sonen, die beim Betrieb des Fahrzeuges oder Anhängers tätig waren. Achtung: In Betrieb ist ein Fahrzeug grundsätzlich dann, wenn es sich im öffentlichen Verkehrsraum befindet – selbst wenn der Motor nicht läuft. Erst wenn der Wagen sein bestimmungsgemäßes Ziel erreicht hat und zum Beispiel an der Lieferrampe oder auf einem Parkplatz der Motor abgestellt wird, ist der Betrieb beendet. Hält also ein Fahrer kurz vor der Bäckerei, um sich sein Frühstücksbrötchen zu holen, ist sein Lieferwagen dennoch in Betrieb. Und wer einen Hänger mit seinem Transporter zieht, haftet als Halter des Zugfahrzeuges auch für Schäden, die der Hänger verursacht – selbst wenn der Hänger nur geliehen ist. Ausgeschlossen ist die Halterhaftung nur, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde oder wenn das Auto ohne Wissen und Willen des Halters benutzt wurde. Aber Vorsicht:

Wer beim Brötchenholen den Schlüssel im Zündschloss stecken lässt oder den Transporter mit offenem Fenster parkt, lädt zum Diebstahl ein – und wird zur Kasse gebeten, wenn der Dieb einen Unfall baut.
DAS GESETZ IST UNGENAU Wer der Fahrzeughalter ist, das sagt das StVG nicht genau: „Wem das Fahrzeug gehört oder auf wen es zugelassen ist, ist nicht entscheidend“, weiß Fleischmann. Halter eines Fahrzeuges sei nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vielmehr, wer „das Fahrzeug für eigene Rechnung und im eigenen Interesse nicht nur vorübergehend in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt“. Ein Beispiel: Spendable Eltern geben ihrem Sprössling einen auf sie zugelassenen Lieferwagen mit auf den Weg in die Selbstständigkeit und bezahlen auch noch die laufenden Kosten. Trotzdem gilt der Sohn als Fahrzeughalter. Leiht sich der Jung- unternehmer hingegen nur gelegentlich den Transporter des elterlichen Betriebes für eigene Lieferfahrten aus, ändert das nichts an den Halterpflichten beispielsweise des Vaters. Auch Mitarbeiter, die tagtäglich mit dem Firmentransporter unterwegs sind, werden dadurch nicht zum Fahrzeughalter. Zwar nutzt der Chef den Transporter nicht selbst, zieht aber den Nutzen aus dessen Betrieb. Denn der Fahrer ist immer im Auftrag der Firma unterwegs, besitzt also letztlich keine Verfügungsgewalt über den Einsatz des Wagens. Anders sieht es aus, wenn der Mitarbeiter die volle Verantwortung für den Firmenlaster hat. Entscheidet er in Eigenregie über Beschaffung, Wartung und Einsatz des Firmentransporters, wird er darüber zum Fahrzeughalter im Sinne des Gesetzes – Zuverlässigkeit und Fachkompetenz vorausgesetzt. Wer einen Kleinlaster least, ist damit in der  Regel auch der Halter: Er verfügt längerfristig über den Wagen und zieht den Nutzen aus dessen Betrieb. Wird das Auto hingegen für beispielsweise eine Woche angemietet, bleiben die Halterpflichten beim Vermieter. Wenn’s kracht, kann es teuer werden. Deshalb schreibt das Gesetz über die Pflichtversicherung der Fahrzeughalter (PflVG) vor, dass sich jeder Fahrzeughalter gegen Risiken versichern muss. Allerdings muss nicht jede Schadensumme ersetzt werden. Das StVG zieht hier klare Grenzen: Pro Schadenereignis für Personen- und daraus folgende Vermögensschäden höchstens fünf Millionen Euro, für Sachschäden bis zu einer Million Euro. Entsprechend hoch sollten die Mindestdeckungsbeträge vereinbart werden. Achtung: Werden mehr als haushaltsübliche Mengen an gefährlichen Gütern – Gifte, Brandgefährliches oder Explosives – transportiert, haftet der Halter bei einem Unfall bis jeweils zehn Millionen Euro für Personen- und Sach- beziehungsweise Vermögensschäden.
Wichtig: Beim Abschluss der Haftpflichtversicherung muss man aufs Kleingedruckte achten: Wer ist mitversichert? Meistens sind es außer dem Versicherungsnehmer auch der Halter, der Eigentümer und der Fahrer. Wenn nicht, heißt es nachverhandeln. Wer einen fremden Transporter fährt oder ihn für längere Zeit übernimmt, sollte vorab mit dem Versicherten klären, ob sich der Versicherungsschutz der Police auch auf ihn erstreckt: Als Fahrer ist er schließlich in der Haftungspflicht, wenn er  einen Unfall verschuldet, als Entleiher kann er je nach den Umständen zum Halter werden.
 
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